Unterhaltung

Hauptstadt-"Tatort" Berlin ist ätzend

Blick auf Berlin-Kreuzberg: Robert Karow (Mark Waschke) auf dem Balkon seiner Wohnung.

Blick auf Berlin-Kreuzberg: Robert Karow (Mark Waschke) auf dem Balkon seiner Wohnung.

(Foto: rbb/Volker Roloff)

Wenn alles immer schlimmer wird, muss es ein guter "Tatort" sein. Dass die Faber-Formel keine Allgemeingültigkeit besitzt, zeigt der neue Fall der Hauptstadtermittler: Rubin und Karow lösen auf der Suche nach einem Säuremörder die Story gleich mit auf.

Die horizontale Erzählweise ist wahrscheinlich das Beste, was sich deutsche Serienmacher in den vergangenen Jahren von ihren US-amerikanischen Vorbildern abgeguckt haben. Faber-"Tatorte" funktionieren vor allem so gut, weil sie den Zuschauer mit jeder neuen Folge tiefer in den Dortmunder Sumpf ziehen und auch im Rostocker "Polizeiruf" spinnt sich die Handlung um Ermittler Bukow konsequent weiter. Dass "horizontal" kein Synonym für "genial" ist, zeigt der neuaufgelegte Hauptstadt-"Tatort" in seiner zweiten Episode.

Schmutzig, kaputt, sexy, rau und ehrlich: Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) sollen als Avatare des neuen Berlins genau die Attribute verkörpern, die der RBB als typisch für die Hauptstadt erachtet. Wobei das mit dem ehrlich zumindest bei Karow noch nicht ganz geklärt ist - seine neue Kollegin ist jedenfalls fest davon überzeugt, dass der harte Unsympath seinen Ex-Partner umgelegt hat, während er selbst anscheinend verzweifelt an der Aufklärung des Mordes arbeitet. Um so richtig durchzublicken, muss man allerdings auf jeden Fall die Auftaktepisode des als Vierteiler angelegten Komplexes vor mehr als einem halben Jahr gesehen haben - und auch dann wird dieser Handlungsstrang so schief erzählt, dass man sich besser auf den aktuellen Mordfall von "Ätzend" konzentriert.

In einer Baugrube wird eine halb in Salzsäure aufgelöste Leiche gefunden: Bei der ziemlich drastisch dargestellten Autopsie fummelt Karow dann mit einer Pinzette einen gut erhaltenen Herzschrittmacher aus dem nässenden Zellhaufen, das Ganze unterlegt von ziemlich fleischigen Geräuschen. Es wirkt ein bisschen so, als wolle der Berliner "Tatort" seine erzählerischen Schwächen mit saftigen Ekelszenen überdecken - was erwartungsgemäß eher so halbgut funktioniert und sich am deutlichsten darin äußert, wie kalt einen das Schicksal der Flüchtlingsfamilie lässt, die am Ende der Herzschrittmacherspur steht: legal, illegal, egal.

"Ätzend" verpasst es, den Zuschauer emotional an seine Protagonisten zu binden - dabei wäre das eigentlich die Hauptaufgabe einer horizontal erzählten Geschichte. Stattdessen fragt man sich permanent, was das eine nun mit dem anderen zu tun hat und warum in dieser Dreieinhalbmillionenstadt eigentlich jeder jeden zu kennen scheint. Da kann Kommissarin Rubin noch so viel aufreibenden Sex mit dem Ex auf dem leeren Parkplatz vor einer Konzerthalle haben, über kurz oder lang kommt man zum selben Schluss wie Karow: "Ich langweile mich schnell, jetzt zum Beispiel."

Quelle: ntv.de

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