Unterhaltung

Frankfurter "Tatort"-Klamotte Big Brother, Big Data und ein Elektrozaun

Muss sich auch mit Vögeln herumschlagen: Brix.

Muss sich auch mit Vögeln herumschlagen: Brix.

(Foto: HR/Degeto/Bettina Müller)

Ein paranoider Programmierer, die gar nicht idyllische Kleinstadtidylle eines Frankfurter Vororts und die Digitalisierung sind Zutaten, die auf den ersten Blick nicht so recht zusammenpassen wollen. Ob daraus trotzdem ein schmackhafter "Tatort" werden kann?

Nils Engels ist ein schlechter Mensch: Er friert die Nachbarskatzen bei lebendigem Leib in der Tiefkühltruhe ein, tritt die Schildkröte des kleinen Jungen von nebenan zu Tode und fällt die geliebte Tanne seines Anrainers. Schließlich verschwindet ebenjener Nachbar nach einem heftigen Streit mit Nils (Jan Krauter) auch noch spurlos - und die Nachbarn sind überzeugt: Nils ist der Mörder.

Die Frankfurter Kommissare Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) stürzen sich mangels anderer Morde voller Tatendrang in die Ermittlungen und gucken ziemlich blöd aus der Wäsche, als der totgeglaubte Nachbar ein paar Tage später gesund und munter von einem spontanen Polen-Trip zurückkehrt. Irgendwas stimmt trotzdem nicht mit dem paranoiden Nils, der sein Haus in eine stacheldrahtbewehrte Festung mit Elektrozaun verwandelt hat und im Inneren wie Gollum über einen selbstentwickelten Algorithmus wacht, der Big Data wie Kinderspielzeug aussehen lässt - und den ihm eine Firma mit dem passenden Namen "Massive Data" abkaufen möchte. Als der Nachbarsjunge am Elektrozaun fast zu Tode gegrillt wird, nehmen Brix und Janneke die Ermittlungen wieder auf.

"Wendehammer" ist nach dem großartigen "Hal" (Stuttgart) und "Echolot" (Bremen) bereits der dritte "Tatort" seit der Sommerpause, der sich intensiv mit den drohenden Gefahren der Digitalisierung auseinandersetzt. Anders als die beiden vorgenannten Episoden verfolgt der neueste Fall aus Frankfurt allerdings einen eher heiteren Ansatz: Die Bewohner der kleinbürgerlichen Idylle in dem Wendehammer einer Frankfurter Vorortsiedlung sind ebenso maßlos überzeichnet wie der überaus verdächtige Nils selbst, der aus dem Haus seiner verstorbenen Großmutter ein Smart Home inklusive elektronischer Assistentin namens Cassie gemacht hat. "Wendehammer" präsentiert die Warnung vor der allumfassenden Datensammelwut als filmgewordene Klamotte.

Der Spagat zwischen sprühendem Witz und peinlicher Albernheit gelingt dem Frankfurter "Tatort" dabei ausnehmend gut. Dass der Humor nicht unbedingt den Nerv aller Zuschauer treffen dürfte, liegt in der Natur der Sache, sollte aber zu verkraften sein. Das ist vor allem Brix und Janneke zu verdanken, die ein nahezu perfektes Team bilden: Es macht einfach Spaß, den Beiden beim Ermitteln zuzusehen. Allzu ernst sollte man "Wendehammer" wie gesagt nicht nehmen: Wer es aber schafft, die Realismusbrille für 90 Minuten abzusetzen und den "Tatort" als die Unterhaltungssendung zu genießen, die sie nun einmal ist, dürfte sich köstlich amüsieren.

Quelle: ntv.de

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