Unterhaltung

Mafia im Müll-Milieu Bremer "Tatort" für den blauen Sack

Gute Miene zum bösen oder auch langweiligen Spiel machen Sabine Postel und Oliver Mommsen.

Gute Miene zum bösen oder auch langweiligen Spiel machen Sabine Postel und Oliver Mommsen.

(Foto: dpa)

Die Kommissare Lürsen und Stedefreund ermitteln gegen organisierte Kriminalität auf der Müllkippe. Dabei müssen sie aufpassen, nicht selbst zu viel Müll zu produzieren. Ein völlig missratener Krimi über das Innenleben einer Mafia-Organisation.

In Bremen möchte man auch kein Kronzeuge sein. Da sitzt ein junger Mann im Verhörraum, der sich gerade entschieden hat, gegen seine Familie, seine Kollegen und seine Freunde auszusagen, weil er aus dem organisierten Verbrechen aussteigen möchte. Und Kommissar Stedefreund (Oliver Mommsen) schaut ihn durch das Fenster an und urteilt: "Der Cleverste ist er nicht, aber sein Überlebensinstinkt funktioniert."

Das ist schon ganz schön herablassend, aber andererseits hat der Kommissar ja recht: Die Mafia von der Müllkippe, die uns dieser "Tatort" auftischt, ist wirklich nicht ernstzunehmen. Der Film erzählt von einer Verschwörung von Müllwerkern gegen das städtische Entsorgungsunternehmen. Auf dem Recyclinghof geht es zu wie in Sizilien. Streitigkeiten regelt der Pate, und wer mit der Polizei plaudern will, muss um sein Leben fürchten. Als Gegenleistung werden alle Beteiligten finanziell gut versorgt. Dieser Versuch, Palermo für einen "Tatort" an die Weser zu verlegen, geht leider ordentlich daneben. Die Figuren sind einfältig, die Geschichte dafür unnötig verwirrend. Kurz: Ein "Tatort" für den blauen Sack.

"Papa" residiert im Chinarestaurant

Der Pate (Roeland Wiesnekker) wird in diesem Film "Papa" genannt, was irgendwie die Tragik des Drehbuchs widerspiegelt. Denn die Müll-Mafia ist zwar äußerst brutal geraten, aber auch unheimlich provinziell – und ziemlich weit hergeholt. "Papa" sieht aus wie ein erfolgloser Notar, soll aber angeblich Bewährungshelfer sein. Was er aber auch nicht so richtig ist. Er ist nämlich seit Jahren nicht mehr im Büro erschienen, sondern residiert in einem Chinarestaurant mit mieser Musik. Das stört beim Amt offenbar niemanden. Vom China-Restaurant aus organisiert er seine Bande aus Dutzenden Ex-Knackis, die er eigentlich resozialisieren soll. Man fragt sich, warum die Müllmänner diesen schrägen Kerl nicht längst entsorgt haben.

Aber man fragt sich so viel bei diesem Film. Zum Beispiel auch, was diese Cosa Nostra in Orange überhaupt antreibt. Der Krimi versucht offenbar zu zeigen, wie verheerend gut mafiöse Strukturen funktionieren, ob in Sizilien oder Norddeutschland. Das kann aber nicht klappen, weil der Film in der Darstellung der Figuren nicht über Klischees hinauskommt. Die Männer sind tätowiert und grob, die Frauen schlecht geschminkt, die Kinder haben lustige Asi-Namen ("Rihanna"). Alle Beteiligten sind nicht die hellsten, was die Polizisten sie auch spüren lassen.

Sie sind aber äußerst brutal. Da gibt es zum Beispiel eine Mutter, die die Vergewaltiger ihrer erwachsenen Tochter ins Haus lässt, weil sie offenbar die Ansicht teilt, dass die Tochter einen Denkzettel braucht. Tut die Frau das wirklich für die paar außertariflichen Zusatzleistungen, mit denen die Bandenmitglieder belohnt werden? Oder hat sie selbst Angst vor Rache? Oder macht sie es gar für "Papa"? Weil der Film seine Figuren selbst für blöd verkauft, bleibt er eine Antwort schuldig.

Das "Bremer Modell" bleibt rätselhaft

Stattdessen rettet er sich in Aktionismus. Es gibt unheimlich viele kurze Szenen. Immer wieder ist irgendwer auf der Flucht oder wieder da, oder er steckt im Gefängnis oder ist wieder raus, oder er schickt einen Hinweis an die Polizei oder dann doch nicht. Das ist ganz schön verwirrend, ohne Schwung in die Geschichte zu bringen.

Das gilt auch für das "Bremer Modell", eine von der Mafia gewünschte Vereinbarung zwischen Müllabfuhr und Müllverbrennung. Sie soll dem Film einen brisanten politischen Überbau verschaffen. Leider sind die Details so wenig spannend, wie der Name "Bremer Modell" befürchten lässt. Man müsste schon ein reges Interesse am kommunalen Abfallwesen mitbringen, um am Ball zu bleiben.  Für die Geschichte spielt das Ganze sowieso keine Rolle. Am Ende bleibt die Erkenntnis: Bremen liegt doch nicht in Sizilien, und diesen "Tatort" hätte man sich getrost sparen können.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen