Ein Mann für fast alle Fälle Eine Lanze für Lanz
10.06.2013, 16:19 Uhr
Auf Mallorca kehrt er vorerst schon einmal nicht zurück: Markus Lanz.
(Foto: dpa)
Wer derart in der Öffentlichkeit steht wie Markus Lanz, braucht ein dickes Fell. Dennoch möchte man in diesen Tagen nicht in der Haut des Moderators stecken. Nach dem "Wetten, dass..?"-Debakel auf Mallorca erntet Lanz kübelweise Kritik, Häme und Spott. Wie lange will er sich das antun? Er hätte es doch so einfach.
"Unterirdisch", "Tiefpunkt", "Peinlich", "Elend", "Schande" - die TV-Kritiker, Zuschauer und Kommentatoren in Foren und Blogs, bei Facebook und Twitter sind sich zu nahezu 100 Prozent einig. Die Mallorca-Ausgabe von "Wetten, dass..?" am vergangenen Samstag war ein Desaster. In der Natur der Sache liegt es, dass dafür in erster Linie Markus Lanz den Kopf hinhalten muss. Als Moderator der Show steht er nun mal an vorderster Front. Das ist nicht anders als beim Verteidigungsminister. Jedenfalls im Prinzip.
Es gibt Fehler, die können einem unmittelbar persönlich angelastet werden. Und es gibt Fehler, für die man in bestimmter Position gerade stehen muss, auch wenn man sie womöglich gar nicht selbst begangen hat. Im Falle von Thomas de Maizière und des Drohnen-Debakels wird nun auseinanderklamüsert, was sich hinter verschlossenen Türen zugetragen hat. Und Regierung und Opposition sind bemüht, die ungeklärten Vorgänge nach ihrem jeweiligen Gusto zu bewerten. Schließlich bemessen sich daran die zu ziehenden Konsequenzen. So läuft das in der Politik.
Im Falle von Markus Lanz und des "Wetten, dass..?"-Debakels ist die Sache natürlich ein wenig anders gelagert. Hier liegt nichts großartig im Dunkeln. Die persönlichen Fehler, die der Moderator im Eifer des Gefechts beging, konnte ein Millionenpublikum live miterleben. Und davon gab es nun wirklich so einige. Egal, ob es um die despektierlichen Äußerungen geht, die ihm zu Pamela Anderson und Costa Cordalis entfleuchten. Oder um seine ungeschickte Gesprächsführung, als Stefan Raab der öffentlich-rechtlichen Show einen Werbeblock spendierte. Oder um seinen notorischen Hang zu Superlativen, den er sich bei "Wetten, dass..?" angeeignet hat. Oder um seine unangenehm-schlüpfrigen Bemerkungen, die ihm im Laufe der Sendung über die Lippen kamen.
Ein Hoch auf die Geissens
Zugleich jedoch musste Lanz auch so manche Peinlichkeit ausbaden, die ihm bereits im Vorfeld der Show mit auf den Weg gegeben worden war. Der Limbo-Flop etwa bei der so genannten "Lanz-Challenge". Offenbar hatte sich niemand ernsthaft die Mühe gemacht, die Kandidatin und ihre Wettkampfidee auch nur einmal prüfend unter die Lupe zu nehmen, ehe man sie vor ein Millionenpublikum auf die Bühne scheuchte. Das aber ist bei einem Live-Fernsehformat - zumal von dieser Größenordnung - ungefähr so professionell, als würde ein Sangria-Hersteller sein Produkt auf den Markt werfen, ohne es vorher gekostet zu haben.
Als Mitarbeiter des zur RTL-Gruppe gehörenden Nachrichtensenders n-tv finden wir die Geissens natürlich großartig. Wenn man jedoch dem Himmel so nah ist wie auf dem Lerchenberg, darf man sich nicht wundern, wenn hier die Verpflichtung von Kreaturen wie den Geissens auf Unverständnis stößt. Die Entscheidung, Tür und Tor bei "Wetten, dass..?" für das Proll-Pärchen hoch und weit zu machen, traf allerdings bestimmt nicht Lanz allein.
Und auch der Einfall, Schauspieler Gerard Butler den peinlich-entwürdigenden Wetteinsatz abzuringen, Goethe mit feuchtem Schritt zu rezitieren, wurde ja nicht spontan während der Sendung von Lanz geboren. Schon bei der Ankündigung dieser Idee fasste man sich als Zuschauer ungläubig ans Hirn. Ja, man betete geradezu dafür, dass Butler mit seiner Wett-Prognose doch bitte, bitte bloß richtig liegen und dieser Kelch an ihm und uns vorübergehen würde. Vergebens. Und so nahmen die Dinge ihren schaurigen Lauf. Wie eine Redaktion - zumal nach der harschen Kritik an dem Umgang mit internationalen Stars in vorangegangenen Ausgaben von "Wetten, dass..?" - auf einen derart schwachsinnigen Einfall kommen kann, ist allerdings ein Riesenrätsel. So viel könnte man gar nicht einschmeißen, als dass man triefende Eiswürfel in der Hose für einen heißen Schenkelklopfer halten würde.
Weiterwursteln trotz Misstrauensvotum
Dennoch: Als Moderator der Sendung trägt Lanz auch hierfür ein gerüttelt Maß an Verantwortung. In seiner Funktion ist er in die Planung solcher Abläufe eingebunden und hätte mit Sicherheit Möglichkeiten, Einspruch zu erheben. Zumal sich seine TV-Produktionsfirma "MHoch2", als er bei "Wetten, dass..?" einstieg, ein Mitspracherecht an der ansonsten in ZDF-Eigenregie hergestellten Sendung gesichert hat. Man sei an der Show "redaktionell beteiligt", brüstet sich die Firma dementsprechend auf ihrer Internet-Seite. Also ist Lanz mit im Boot. Andernfalls hätte er - ganz so, wie manche es auch dem Verteidigungsminister vorhalten - seinen Laden nicht im Griff. Das würde die Sache nicht besser machen.
Nicht nur die allgemein harsche Kritik an der jüngsten "Wetten, dass..?"-Ausgabe (und an anderen Ausgaben zuvor), auch die in absoluten Zahlen schlechte Quote für die Sendung kommt einem Misstrauensvotum des Publikums gleich. Doch so wie in Deutschland nur der Kanzler und nicht der Bundestag einen Minister feuern kann, so liegt das Heft des Handelns nun auch lediglich bei Lanz und dem ZDF. Grundsätzlich haben sie drei Optionen: Rücktritt, Rauswurf und Weiterwursteln. Die Erfahrung lässt vermuten, dass man in Mainz - zumindest vorerst - auf die dritte Möglichkeit setzen wird. So wie es bei den Drohnen ja nur um Steuergelder geht, so sind es hier doch bloß Gebühren. Immerhin: Auf die Sommer-Ausgabe von "Wetten dass..?" will das ZDF im kommenden Jahr jetzt verzichten. Wegen der Fußball-WM, wie es offiziell heißt.
Dabei, auch das lehrt die Erfahrung, ist Weiterwursteln meist die schlechteste Option. Lanz und der Lerchenberg täten sich und allen anderen den größten Gefallen, würden sie das gemeinsame "Wetten dass..?"-Abenteuer einvernehmlich beenden. Deswegen muss die Show nicht sterben. Denn auch das hat die Sendung auf Mallorca mit ihren teils wirklich - um es mit Lanz zu sagen - "spektakulären" Wetten offenbart: Auch nach mehr als dreißig Jahren hat das Format noch Potenzial.
Sie fragen sich, weshalb wir in der Überschrift versprochen haben, hier "eine Lanze für Lanz" zu brechen? Ganz einfach: Weil Lanz, bekanntlich ein Kind des Privatfernsehens, alles andere als ein Schlechter ist. Das beweist er etwa drei Mal pro Woche in seiner Talkshow beim ZDF. Hier agiert er überzeugend, kompetent und locker wie kaum ein anderer seiner Zunft. Man kann sich viele Formate mit Lanz vorstellen. Einzig, er ist kein Entertainer. Das unterscheidet ihn von einem Thomas Gottschalk. Auch der sah sich mit manch peinlicher Situation konfrontiert. Doch konnte er damit wie ein Clown im Zirkus jonglieren. Lanz indes hantiert wie ein Handwerker.
Insofern trifft die Redewendung, die Schuhe von "Wetten, dass..?" seien für Lanz zu groß, auch nicht so recht zu. Aber die Schuhe passen nicht. Auch nach einem dreiviertel Jahr hat er sie nicht eingelaufen. Je länger er sie jedoch weiter trägt, umso mehr werden sie ihn drücken. Und am Ende bleiben womöglich nicht nur Blasen zurück.
Quelle: ntv.de