U-Bahn-Totschlag beim "Tatort" Ene, mene, muh - und tot bist du!
11.05.2014, 22:17 Uhr
Nach dem Abschlussbierchen geht es für Max Ballauf plötzlich noch weiter.
(Foto: WDR/Martin Menke)
Ratlose Eltern, desillusionierte Kommissare, ahnungslose Richter - "Ohnmacht" eint alle im jüngsten Fall von Ballauf und Schenk. Die neue Assistentin versprüht zwar Tatendrang, muss sich am Ende aber auch einer düsteren Schlusspointe beugen.
U-Bahn-Schläger, die wahllos auf wartende Gäste einprügeln. Großstadt-Teenies zwischen Langeweile und Totschlag – da war doch was? Ganz genau, erst im September letzten Jahres hatte der Berliner "Tatort" sich dem Thema Jugendgewalt am Bahnsteig gewidmet. Bei "Gegen den Kopf" hatte es sich um eine Adaption des Falles Dominik Brunner gehandelt. Der Manager war im Jahre 2009 in einer Münchner U-Bahn von betrunkenen Jugendlichen zu Tode getreten worden. Kein Jahr später also erneut eine Wiederauflage. Diese tatörtliche Themenplanung mutete schon etwas merkwürdig an, der Fall selbst zog den Zuschauer schließlich doch noch in seinen Bann.
Nicht zuletzt, weil auch Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) ungewollt in den Fokus des Geschehens rückte. Der hatte mit Kollege Schenk (Dietmar Bär) noch das übliche Feierabend-Pils an der Wurstbude genossen, einen letzten Halben für den Weg mitgenommen und war schließlich in der U-Bahnstation mitten in eine Prügelei geraten. Dem bereits am Boden liegenden Schwerverletzten vermochte er dabei nicht mehr zu helfen, im Gegenteil - auch ihn erwischte umgehend eine volle Breitseite, die ihn direkt unter die just einfahrende, dann vollbremsende U-Bahn beförderte.
Lange Tätersuche fällt aus
Massig Action also gleich zum Einstieg, ein bisschen viel Flügelschlagen und Super-SloMo rund um die Faustschläge der brutalen Teenager. Und auch die neue Aushilfs-Assistentin, die ausgebildete IT-Expertin Miriam Häslich (Lucie Heinze), trug etwas zu dicke auf. Schlaumeierte hier, schlug dort kokett die Augen auf und jonglierte vor den überforderten Kommissare mit ihrem Hoheitswissen. Doch vielleicht ist das noch am nachvollziehbarsten, wenn in der Zusammenarbeit mit den Analog-Dinos aus Köln Begriffe wie 'Blog', 'Server' und 'E-Mail' zu Zeichen aus einem fernen Land verschwimmen.
Das Spannungsbarometer stieg ganz leise, fast unbemerkt, und so legte man die Fernbedienung nach dem einen oder anderen Umschaltreflex schließlich doch wieder aus der Hand. Es war die schlichte Dramaturgie, die fortan fesselte. Wie in einer prähistorischen Folge von "Derrick" oder "Der Kommissar" gab es hier statt Suspense nach "Who dunnit?"-Muster vermehrt kammerspielartige Dialoge mit den Figuren dieser morbiden Versuchsanordnung.
Die Täter standen eh relativ schnell fest, es ging vielmehr um das Ausmaß ihrer Beteiligung und um Spurensuche in ihrem Background: Kai (Robert Alexander Baer) mit dem Hang zum Cholerischen, der nicht mal vor seinem Vater - alleinerziehend und überfordert - Halt macht. Und Andrian (Sven Gielnik), der Beau mit der Richard-Clayderman-Frisur, aus richterlichem Hause.
Alle sind ohnmächtig
Dass seine Mutter Felicitas Hamstetten (Dörte Lyssewski) beruflich mit Kriminellen zu tun hat, schien ihren privaten Blick dabei nur unwesentlich geschärft zu haben. Andrians Freunde? Die seien doch alle nett. Nur bei Janine (Nadine Kösters) habe sie ein komisches Gefühl. Das war dann durchaus gerechtfertigt.
Die blonde Teenie-Schönheit zog nicht nur für die Handykamera blank, sie verfügte auch über einen ausgeprägten Hang zu Sexpielchen mit den Kumpels und morbiden Abzählreimen. Ene, mene, muh - auf die Fresse kriegst du. So einfach pickt das Trio infernale sein Opfer, das schließlich so voller titelgebender "Ohnmacht" ist wie alle anderen in diesem Ränkespiel: Janines Mutter (wunderbar gestört: Corinna Kirchhoff) mit dem Putzfimmel, ihr abgerockter Vater (Felix von Manteuffel), den sie fälschlicherweise des Missbrauchs bezichtigt. Andrians ahnungslose Mutter, Kais Vater, der sich nach einer Männer-Alternative zum Frauenhaus sehnt. Und zu guter Letzt auch Ballauf selbst. Der ist als in den Fall involvierter nur bedingt einsatzberechtigt und zur Tatenlosigkeit verdammt.
Als das teuflische Trio am Ende wieder auf freiem Fuß ist und sich auf beiden Seiten des Bildschirms Ratlosigkeit und Wut über die wieder einmal Davongekommenen breitmacht, zieht Autor Richard Knaup eine mörderische Pointe aus dem Köcher und macht Janines Vater schließlich doch noch zum Täter. Ein verstörendes Ende, offen und doch wieder nicht, das einmal mehr zeigt: Auch im zweiten Fall nach Tessa Mittelstaedts brutalem Ende bleibt es ganz, ganz düster in Kölle.
Quelle: ntv.de