Unterhaltung

Neues Frankfurter "Tatort"-Team Gut gelaunt ins Meer des Wahnsinns

Ausnahmsweise mal ohne Lächeln auf den Lippen: Janneke (links) und Brix (rechts) in einer der Rückblenden.

Ausnahmsweise mal ohne Lächeln auf den Lippen: Janneke (links) und Brix (rechts) in einer der Rückblenden.

(Foto: HR/Benjamin Knabe)

Mit Paul Brix und Anna Janneke schickt der Hessische Rundfunk ein neues Ermittlerteam ins Rennen. Wer wissen will, wie man in menschliche Abgründe schaut und trotzdem Spaß bei der Arbeit hat, kann von den beiden Kommissaren eine Menge lernen.

Neue "Tatort"-Teams sind oft wie Wanderstiefel: Es reibt und scheuert an allen Ecken und Enden, bevor sich Schuh und Fuß oder Kommissar und Kommissar ein paar Blasen später zu einer unverwüstlichen Einheit verbinden. Je mehr die Kollegen am Anfang die Zähne zusammenbeißen müssen, desto stärker ist später das emotionale Band, könnte eine ungeschriebene Regel lauten. Das neue Frankfurter Team bricht sie, ohne mit der Wimper zu zucken: Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich), vom neuen Chef charmant mit "eine Psychologin und ein Straßenköter von der Sitte" begrüßt, verstehen sich von der ersten Minute an blendend - und das ist auch verdammt gut so: Denn bei dem, was auf die beiden frischen Ermittler gleich in der ersten Episode zukommt, bleibt schlicht kein Platz für die sonst obligatorischen Startschwierigkeiten.

Die beiden Quereinsteiger müssen gleich an ihrem ersten Arbeitstag den Dreifachmord an einer ehemals glücklichen Kleinfamilie aufklären: Vater und Mutter liegen mit Kugeln in der Brust am Esstisch im eigenen Blut, das leblose Bein des Sohnes baumelt aus dem zerschossenen Kleiderschrank, in den er sich geflüchtet hatte - und auf dem CD-Player läuft ein schmieriger Synthiepopsong aus den angehenden 90ern in Dauerschleife. Harter Tobak, zumal der mutmaßliche Täter anscheinend auch die Tochter des Hauses und ihre Nachhilfelehrerin entführt hat.

Drahtseilakt gemeistert

Die Tatortbegehung ist so ziemlich der einzige Moment im ganzen Film, der Brix und Janneke aus der Fassung zu bringen vermag - obwohl der Plot mit fortschreitender Dauer in bester Tradition des Hessischen Rundfunks ein ganzes Sammelsurium an menschlichen Abgründen offenbart: eine Inzestuöse Liebesbeziehung, vom Großvater vergewaltigte Mädchen, eine ganze Wagenladung mehr oder minder zerstörter Kindheiten, psychotische Waisen und einen halb wahnsinnigen Arzt mit einem fatalen Faible für muskelentspannende Spritzen und steile Treppen sind nur ein unvollständiger Auszug aus dem Gruselkabinett, in dem Brix und Janneke ermitteln.

In den meisten anderen "Tatorten" würde schon weit weniger ausreichen, um die Kommissare mit leidenden Mienen durch die Szenen wüten zu lassen, Brix und Janneke dagegen sind strahlende Leuchttürme der Empathie in diesem Meer aus Wahnsinn. Ruhig und sensibel fühlen sich die Ermittler in Opfer wie Täter gleichermaßen hinein, filmisch dargestellt durch Rückblenden - die sind zwar mittlerweile fast schon Standard im Krimigenre, stechen hier aber durch ihre starke Umsetzung hervor. Der krasse Gegensatz zwischen der emotional enorm brutalen Rahmenhandlung und den beiden durch nichts aus der Ruhe zu bringenden Ermittlern ist ein gewagter Drahtseilakt, den die ausnahmslos herausragende Besetzung mit Bravour meistert. Dass es Regisseur Florian Schwarz obendrein noch schafft, all das Leid immer wieder durch subtilen und nie fehl am Platz wirkenden Witz aufzubrechen, ist die Kirsche auf dem frisch gebackenen Frankfurter Kranz.

Mit Brix und Janneke, das steht jetzt schon fest, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen, hat der Hessische Rundfunk wieder mal ein erstklassiges Ermittlerteam ins Rennen geschickt.

Quelle: ntv.de

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