Unterhaltung

"Polizeiruf 110" aus München Hanns im Unglück

Kann er das Rätsel lösen? Matthias Brandt als Hanns von Meuffels.

Kann er das Rätsel lösen? Matthias Brandt als Hanns von Meuffels.

(Foto: BR / Hendrik Heiden)

Noch nie wurde Hanns von Meuffels so durchgeschüttelt wie in seinem zwölften Fall. Vorgesetzte, Nachbarn, Ärzte - alle stecken unter einer Decke. Oder ist der Kommissar vielleicht doch irre geworden? Der Polizeiruf als Film noir mit leichtem Grünstich.

Fünf Jahre in der Psychiatrie sind nicht eben ein gutes Leumundszeugnis, wenn es um die Glaubwürdigkeit des Betroffenen geht. Ein halbes Jahrzehnt hat Julia Wendt (Judith Engel) in der geschlossenen Abteilung verbracht und es sind nun nur noch vier Wochen, bis das Wiederaufnahmeverfahren ihres Falles beginnen soll. Wegen eines Brandanschlages auf ihren Ehemann war sie einst verhaftet worden, Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) hatte vor Gericht gegen sie ausgesagt. Jetzt hat sie ihre Zeit abgesessen, aber das Problem ist damit nicht beseitigt.

Ausgerechnet an von Meuffels wendet sich die Frau und erzählt ihm von jener ominösen Liste, um die sich alles dreht und drehte und die sich immer noch in ihrem Besitz befindet. Darauf vermerkt: die Namen vermögender Bankkunden, die Schwarzgeld in die Schweiz transferiert haben und immer noch transferieren. Von Meuffels hört zu, nippt am Drink, hört weiter zu - nur glauben kann er der aufgelösten Frau nicht. Kurze Zeit später wird sie vor seinen Augen überfahren und stirbt ihm unter den Händen weg. Für von Meuffels dreht sich in diesem Moment alles, vor allem die eigene Perspektive. Als hätte Julia Wendt mit ihrem letzten Atemzug von Meuffels ihre ganz persönliche Wahrheit eingehaucht, übernimmt der nun ihre Intrige und beginnt plötzlich daran zu glauben.

Introvertierte Filmskizze

"Sumpfgebiete" nennen die Autoren Holger Karsten Schmidt und Volker Einrauch den zwölften Fall des Münchner Kriminalhauptkommissars und in der Tat - das Gelände, in dem sich von Meuffels bewegt, ist morastig, unwegsam und bevölkert von höchst unangenehmen Figuren. Ist Matthias Brandts Kriminaler seit ehedem dazu angetan, sich mit großen, ungläubigen Augen gegen Verschwörungsmühlen zu stemmen, erlebt der arme Mann diesmal seine ganz persönliche Ochsentour. Eben noch Zuhörer, wird er flugs selbst zum Verfolger - und von seinen Vorgesetzten doch nur unter Verfolgungswahn abgeheftet. Dass an all dem Wahn doch etwas dran zu sein scheint, lässt sich allein an den Steinen ablesen, die von Meuffels, zumeist äußerst schmerzhaft, in den Weg gelegt werden.

Regisseurin Hermine Huntgeburth legt diesen Fall als introvertierte Filmskizze an. Der Ton ist zumeist gedämpft, jäh unterbrochen von zwei, drei Gewalteruptionen. Die Münchner Schauplätze sind merkwürdig entvölkert, Perspektive und Hintergrund verpflanzen das Geschehen gefühlt in karge Ghetto-Randgebiete der 70er Jahre. Brutale Wohnsilos, menschenleere Fußgängerzonen, Passanten wie aus "The Walking Dead", das Ganze gefilmt wie durch grünliches Glas - mittendrin ein zunehmend abdriftender Kommissar, dem der Zuschauer zunächst die Zweifel entgegenbringt, die er bei Julia Wendt hatte, um sich schließlich doch auf seine Seite zu schlagen. Denn die Indizien sind doch eindeutig. Oder … vielleicht doch nicht?

Ein atmosphärisch eigenwilliger "Polizeiruf", der da und dort etwas arg das Tempo rausnimmt, unter dem Strich jedoch gut unterhält - als gelungene Film-noir-Studie, die sich nicht zuletzt dank des jazzig-verspukten Soundtracks von Christine Aufderhaar ein Retro-Plätzchen zwischen dem New Hollywood der 70er und Nouvelle Vague erspielt. Das Ganze wird von Matthias Brandt gewohnt souverän zwischen Wahnhaftigkeit und vermeintlichem Wissen in der Waage gehalten.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen