Einsam durch Fernsehserien Ich muss das jetzt gucken, sofort
25.03.2015, 06:44 Uhr
Das sind meine Freundinnen Hannah, Aria, Emily und Spencer. Es geht ihnen nicht gut. Ich fühle mit.
(Foto: Twitter/ABCFpll)
Serien machen süchtig. Viele sind gut, einige furchtbar. Mir ist das egal. Ich gucke die Shows seit vielen Jahren. Wenn es sein muss, sage ich für ein paar Stunden Fernsehvergnügen auch Verabredungen ab.
Es ist 5 Uhr, als der Wecker klingelt. Um 5.47 Uhr wache ich auf. Es ist nicht leicht, mich um diese Uhrzeit aus dem Bett zu bekommen, deswegen bleibe ich einfach dort. 220 mal 120 Zentimeter Heimkino. Ich habe mich mit meinen Freundinnen verabredet. Wir haben uns vor einigen Jahren kurz nach meinem Abitur kennengelernt. War eine wilde Zeit. Weil die Mädels in den USA leben, habe ich gestern Abend früher die Kneipe verlassen. Da drüben haben die einen anderen Rhythmus. Für meine Freundinnen stehe ich gern früh auf. Ich will die Erste sein, die sie sieht.
Ich brauche eine Tasse Kaffee, auch wenn mir davon immer ein wenig schlecht wird. Es ist eine Woche her, dass ich das letzte Mal mit Spencer gesprochen habe. Sie hat gerade Probleme mit ihrem Freund Toby. Seit der bei der Polizei arbeitet, ist er andauernd mies gelaunt. Dass Spencer kürzlich einen Anderen geküsst hat, ist unser kleines Geheimnis. Ich kann sie verstehen, ich weiß, wie sie tickt. Nach all den grausamen Dingen, die in den vergangenen Jahren passiert sind, wird man misstrauisch. Wieso erzählt er ihr plötzlich nichts mehr über die Ermittlungen im Mordfall Mona? Schließlich betreffen die auch sie.
Heute muss ich ganz stark sein
Zusammengekauert sitze ich im Dunklen auf meinem Bett, der Kaffee ist alle. Nur das blaue Flimmern des Laptops erhellt das Zimmer, als endlich auch Aria, Emily und Hannah eintreffen. Eine Woche lang haben wir uns nicht mehr gesehen. Ich vermisse sie, konnte sie beim vergangenen Treffen kaum gehen lassen. Sie sind so schön geworden über die Jahre. Ihr Leben ist so spannend. Und sie sind zuverlässig: Einmal die Woche haben wir Zeit für uns. Manchmal sehen wir uns eine Zeit lang nicht, aber ich weiß immer, wann sie zurück sein werden.
Heute muss ich ganz stark sein. Es ist vorerst das letzte Mal, dass wir uns sehen und ich bin traurig. Aber es wird gut sein für mich. Manchmal belastet die Regelmäßigkeit unserer Treffen meine Beziehung. Bei der Arbeit bin ich nicht ausgeschlafen. Dafür habe ich nach den Verabredungen meist perfekt gefeilte Fingernägel und drei neue Instagram-Follower.
Draußen wird es hell und ich weiß: Das war’s jetzt erstmal. Leise kullert ein Tränchen über meine Wange. Vielleicht schüttele ich mich auch, weil es wieder zu herzzerreißend ist mit meinen Freundinnen. Das ist meistens so, wenn sie sich für längere Zeit verabschieden. Ob es mir gut geht, werden die Leute fragen. Sie wissen gar nichts. Mir geht es hervorragend. Ich bin seriensüchtig. Wer Fernsehserien guckt, weiß, wovon ich rede. Im Sommer läuft die sechste Staffel "Pretty Little Liars". Bis dahin suche ich mir andere Freunde.
Quelle: ntv.de