Unterhaltung

Unterwegs auf offenem Stromkreis Nina Hagen, für immer Frontschwein

Flower und Power forever!

Flower und Power forever!

(Foto: dpa)

Mit neun Jahren wusste Nina Hagen schon: mit dieser Stimme wird man was. Und zwar alles mögliche - internationale Punk-Ikone, Talkshow-Schreck und nie, aber wirklich nie, langweilig!

Jetzt wird Nina Hagen auch schon 60! Eine Heldin, denn vor all dem Außerirdischen-Gedöns und PR-Hochzeiten mit sehr jungen Männern war sie Anfang der Achtziger eine der coolsten Sängerin mit einer gewaltigen Stimme, die sie voller Selbstironie und Mutterwitz gebrauchte, um über Sex und den ganzen anderen Kram zu singen, den man als Teenager interessant findet.

Auf ihre Punk- und Rockröhre ist Verlass, auch mit 60!

Auf ihre Punk- und Rockröhre ist Verlass, auch mit 60!

(Foto: dpa)

Nina Hagen wirkt damals wie ein Erdbeben auf Mädchen vom Lande - und aus der Stadt. In der DDR war sie eine, die gerade noch so, dass es die Staatsführung mochte, "Du hast den Farbfilm vergessen" singen durfte. Aber als ihr Ziehvater Wolf Biermann 1976 ausgebürgert wird, hält es die Ost-Berlinerin nicht mehr im Land und sie stellt einen Ausreiseantrag, den ihr die Behörden nur allzu gern bewilligen. Und dann ist sie da, um uns zu beleben.

"Fühl' mich unbeschreiblich weiblich!"

Denn eine wie Nina Hagen macht Krawall. Erst geht die Deutsche nach London, um sich dort von der Punk-Szene inspirieren zu lassen, kehrt dann aber nach Westberlin zurück, um mit den späteren Spliff-Leuten die Nina Hagen Band zu gründen.1978 wird das gleichnamige Album veröffentlicht und verkauft sich wie geschnitten Brot. Wir singen mit Wonne "TV-Glotzer" und schreien mit ihr mit: "Augenblicklich fühl' ich mich unbeschreiblich weiblich".

Unbehagen? Die einen sagen so, die anderen so.

Unbehagen? Die einen sagen so, die anderen so.

(Foto: dpa)

Ach, diese Stimme! Vier Oktaven sollen es sein, die Nina Hagen beherrscht. In der sehenswerten Dokumentation "Nina Hagen: Godmother of Punk" erzählt die Berlinerin, dass sie schon früh ein Frontschwein sein wollte und Himmel, das ist sie! Das schauspielerische Talent, das sie von ihrer Mama Eva Maria Hagen geerbt hat, lebt sie auch als Sängerin voll aus. Hier ist eine, die auf einem offenen Stromkreis läuft und sagt und singt, was ihr passt.

Nina Hagen hat ihren eigenen Kopf, was als Bandmitglied nicht gerade zuträglich ist. 1979 erscheint noch das großartige "Unbehagen", auf dem sich die Band in einer Mixtur von Genres wie Reggae, Ska und Rockabilly zu den frechen Texten von Nina Hagen austobt, aber das ist das Ende der Nina Hagen Band. Fortan zieht "das Frontschwein" alleine los, taucht in Herman Broods Film "Cha Cha" auf und sorgt 1979 im österreichischen Fernsehen für großen Aufruhr, als sie Frauen zeigt, wie man gut einen Orgasmus bekommen kann.

Die Schauspielerin und Sängerin Eva-Maria Hagen mit ihrer kleinen Tochter Nina 1957 in Ost-Berlin.

Die Schauspielerin und Sängerin Eva-Maria Hagen mit ihrer kleinen Tochter Nina 1957 in Ost-Berlin.

(Foto: dpa)

Deutschland wird zu klein für sie und wir lassen sie gehen: Nina Hagen treibt es in die Ferne, nach Amerika. Dort tanzen dann bald die coolen Underground-Mädchen und Jungs zu ihrem "New York/N.Y." Ihre Alben erscheinen nun in deutscher und englischer Fassung, was sie zu einem internationalen Star macht. 1985 folgt der Höhepunkt ihres Ruhms: Bei Rock in Rio liegen ihr 300.000 verzückte Brasilianer zu Füßen. Ihre Outfits werden immer schriller, das Make-up ebenso. Hinter so einer Maske kann man sich gut verstecken. Dabei hat sie es gar nicht nötig, ihre große Persönlichkeit, ihre "leicht exaltierte Art", wie es ihr Ziehvater Biermann nennt, schimmert auch so durch. Für Deutschland sei sie "zu bunt" gewesen, resümiert sie später in Interviews, also ab in die Welt. Ihre Kinder Cosma Shiva und Otis werden 1981 in Los Angeles und 1990 auf Ibiza geboren.

Comeback mit "Personal Jesus"

Das alles bekommt man auch in Deutschland mit, denn es nicht so, als ob Nina Hagen von der Bildfläche verschwindet - sie veredelt mit ihrer Stimme die Werke anderer Kollegen und nimmt weiterhin Platten auf, die aber nicht mehr so erfolgreich sind wie früher. Und dann sind da ihre Auftritte im Fernsehen - sie machen Nina Hagen zum Schrecken aller Talkmaster, denn hier provoziert sie weiter, beleidigt die Gäste und erzählt von Außerirdischen, die Menschen entführen. Das passiert nicht oft, aber so etwas bleibt kleben und versperrt den Blick auf das Eigentliche - ihre Musik.

Es gibt so etwas wie ein Happy End, denn 2010 erscheint endlich wieder ein Werk mit Durchschlagkraft: Auf dem wunderbaren Gospel-Album "Personal Jesus" lebt Hagen "ihre dicke Freundschaft mit Jesus" aus. Ein Jahr später folgt das leicht punkige "Volksbeat" und nun sitzt sie wieder an einem neuen Album, auf das man wartet, denn Nina Hagen bleibt weiterhin relevant. Alles andere würde sie sich auch verbitten. Die 13-jährigen Teenagerherzen von damals werden ihr jedenfalls auf ewig gehören: Vivat, vivat Nina.

Quelle: ntv.de

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