Udo Lindenberg wird 70 Panik ohne Ende
17.05.2016, 09:42 Uhr
Eines der inzwischen selteneren Bilder von Udo ohne Brille.
(Foto: dpa)
Er ist der Inbegriff des Lebemanns: Udo Lindenberg. Mit getöntem Sichtschutz, dunklem Hut und dicker Zigarre hinterlässt das Stehaufmännchen der deutschen Musikbranche seit mehr als 50 Jahren ein Ausrufezeichen nach dem anderen.
Jedes Jahr aufs Neue kramt sie der Wonnemonat Mai wieder hervor: abertausende Sonnenbrillen. Ihre Träger: müde Bäcker auf dem mittäglichen Nachhauseweg, schnieke Beamte mit Schrittzählern an den Hüften und fesche Jutebeutel-Hipster mit ausgeprägtem Geltungsdrang.
Die Sonnenbrille fungiert als Stilmittel für jedermann. Nicht einmal in geschlossenen Räumen wandern sie von der Nase. Dabei gibt es doch hierzulande nur vier Persönlichkeiten, denen es gebührt, das getönte Sichtschutzgestell als 24-Stunden-Standard-Accessoire spazieren zu tragen. Ihre Namen: Heino, Karl Lagerfeld, Xavier Naidoo und Udo Lindenberg.
Letzterer trennt sich auch nur ungern von seinem dunklen Hut. Überhaupt verabschiedet sich Udo Lindenberg nur unter Protest von Dingen, die er mit den Jahrzehnten liebgewonnen hat. Morgens schwört der Mann beispielsweise auf eine ausgewogene Mixtur aus Gut und Böse: "Zum Frühstück bestelle ich mir meist einen Tee, ein Brötchen und ne Zigarre, döpdidöp", gab der Panik-König der Nation einst zu Protokoll.
An der Bar, an der Bar, warum steht der da?
Serviert wird ihm die rauchzarte Guten-Morgen-Melange des Öfteren im Hamburger Atlantic Hotel. Wenn er nicht gerade unterwegs ist, wohnt er nämlich dort. Und das schon seit 20 Jahren. Zwischen Kinosaal, Swimmingpool und Lobbybar fühlt sich der Mann mit der Lucky-Luke-Unterlippe pudelwohl. Hier schlendert er gerne durch die Gänge, bezirzt alle Anwesenden mit seiner omnipräsenten Lockerheit und zieht das eine oder andere Gespräch an der Bar in Rekordlänge.
Er mag die Menschen halt. Die Großen, die Kleinen, die Berühmten und die, die einfach nur da sind: Udo liebt sie alle. Er plauscht mit ihnen, lässt sich für seine Shows und Songs inspirieren und saugt die zwischenmenschliche Energie auf. Die brauche er, wie die Luft zum Atmen, sagt er.

Mittendrin statt nur dabei: 1977 unter dem Fernsehturm bei einem Kurzbesuch in Berlin Ost.
(Foto: dpa)
Udo Lindenberg ist lieber mittendrin statt nur dabei. Das war schon immer so. Bereits im Teenie-Alter zieht es den gebürtigen Gronauer ins "Gewusel". Neben einem Vorzeigebruder und zuckersüßen Zwillingsmädchen fällt der nach Liebe und Anerkennung dürstende Udo etwas ab. Zum Kuscheln nimmt er sich eine Trommel mit ins Bett. Zärtlichkeiten im Viervierteltakt: mehr ist nicht drin. Doch das ist dem 15-Jährigen zu wenig. Udo will mehr. Er träumt von großen Kreuzfahrtschiffen und einer Karriere als Musiker.
Über Düsseldorf, Tripolis und Münster geht es nach Hamburg. In der Hansestadt blüht er schließlich auf. Als Studiomusiker trommelt er die erste Version der "Tatort"-Titelmelodie ein. Auch auf der Bühne macht sich Udo einen Namen, unter anderem als Kesseltreiber der ersten deutschen Folk-Rock-Band "Die City Preachers". Die Kontakte fliegen ihm nur so zu. Nationale Größen wie Klaus Doldinger, Michael Naura und Knut Kiesewetter sind stets an seiner Seite; egal, ob im Studio oder an der Theke von Hamburgs Kultkneipe Onkel Pö.
Alles klar auf Deutsch

Klaus Doldinger während des Konzerts zu seinem 80. Geburtstag am 12. Mai mit seinem früheren Schlagzeuger Lindenberg.
(Foto: dpa)
Nach ersten holprigen Soloausflügen in Englisch, setzt Udo Lindenberg mit der Veröffentlichung seines zweiten deutschsprachigen Albums "Alles klar auf der Andrea Doria" im Jahr 1973 alle Zeichen auf Erfolg. Der Rest ist ein großes Kapitel deutscher Musikgeschichte.
Als Kapellmeister des Panik-Orchesters zieht Udo fortan alle Register. Er verkauft Millionen Tonträger, füllt die größten Hallen der Republik und sammelt Preise und Auszeichnungen wie der Fußball-Nachwuchs Panini-Bilder. Auch im Ausland macht sich der Mann mit dem Hut und dem koddrigen Alster-Slang viele Freunde. David Bowie, Helen Schneider, Alexis Korner und Gianna Nannini: Sie alle teilen mit dem Lebemann die Bühne.
Natürlich geht es für einen wie Udo Lindenberg auch immer mal wieder bergab. Zwischen leeren Eierlikörgläsern und dichtem Zigarrenqualm scheint nicht immer die Sonne. Die Fotografin, Designerin und Lindenberg-Vertraute Tine Acke erinnert sich an ein Jahr, in dem er mehr als ein Dutzend Mal zum Entzug musste.
Döpdididöp ...
Aber der gute Udo ist ein Stehaufmännchen. Ihn rafft so schnell nichts dahin, weder seine in der Vergangenheit liegenden Tourexzesse noch der Alkohol gepaart mit giftigem Rauch aus dem Herzen Kubas. Mit 70 ist er immer noch da. Und dieser Tage präsenter denn je.
Auf einer Fan-Kreuzfahrt mit seinen DieHard-Anhängern erreicht ihn vor wenigen Tagen die Nachricht vom dritten Nummer-Eins-Album in Folge ("Stärker als die Zeit"). Der Albumtitel ist Lindenberg-Programm. Der Weg ist das Ziel. Hinterm Horizont geht's schließlich weiter, döpdidöp …
Quelle: ntv.de