Haben Sie manchmal Déjà-vus? Schweizer "Tatort" zwischen "Zwei Leben"
16.09.2017, 12:05 Uhr
Kommissar Reto Flückiger (Stefan Gubser), seine Kollegin Liz Ritschard (Delia Mayer, l.) und die Leiterin der Spurensicherung, Corinna Haas (Fabienne Hadorn), untersuchen den Tatort eines vermeintlichen Suizids.
(Foto: Daniel Winkler/SRF/ARD Degeto/dpa)
Alte Bekannte, ähnliche Ausgangslage, Stirnrunzeln. Lange weiß der neue "Tatort" aus der Schweiz nicht, wohin die Reise geht, wer im Fokus steht: ein traumatisierter Busfahrer, die Hinterbliebenen eines Untoten oder doch die undurchsichtige Therapeutin?
Ein Mann stürzt sich nächtens von einer Brücke und wird vom durchfahrenden Bus überrollt, kurze Zeit später stirbt er. Moment mal - ist die "Tatort"-Sommerpause nicht grad erst vorbei? Warum dann so fix schon die erste Wiederholung? Kommando zurück: Ähnlichkeiten mit bereits gesendeten Sonntagskrimis sind mal wieder rein zufällig. Wenn überhaupt, dann sind derlei Überschneidungen lediglich mal wieder der Programmplanung der Senderverantwortlichen geschuldet.
Erst vor einem knappen halben Jahr hatten es die Kölner Schenk und Ballauf mit einem Toten zu tun, der zwar nicht von einem Bus, aber immerhin von einem LKW nach nächtlichem Sprung von einer Straßenüberführung überrollt worden war und schließlich starb. Auch den Titel gab es schon einmal: "Zwei Leben" hieß ein Fall von Kommissar Haferkamp (Hans-Jörg Felmy) aus dem Jahr 1976. Und gehörte Roland Bonjour nicht schon im "Tatort" vom letzten Wochenende zu den Verdächtigen?
Sei es drum.
An diesem Sonntag nun bekommen es Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) mit einem Fall zu tun, der einen ähnlichen Auftakt nimmt wie die Sache in Köln. Beni Gisler (Michael Neuenschwander) ist der tragisch umwehte Fernbusfahrer, dem der vermeintlich Lebensmüde da von der Autobahnbrücke vor das Gefährt springt. Nicht das erste Mal, dass Gisler so etwas mitmachen muss. Zuvor arbeitete er als Lokführer und auch da war der gute Mann unfreiwillig bereits in einige Suizide verwickelt. Die Erlebnisse haben bei ihm, kaum verwunderlich, traumatische Spuren hinterlassen.
Toter schon seit 13 Jahren tot - angeblich
Bei den Ermittlungen stellt sich nicht nur heraus, dass "Flücki" und Gisler alte Kameraden sind, sondern auch, dass der Tote, ein gewisser Jakob Conti, laut Unterlagen und den Aussagen seiner Familie, bereits seit 13 Jahren nicht mehr unter den Lebenden weilen soll. Wer aber ist der suizidal Verunglückte nun wirklich, was verheimlichen Mutter Conti (Saskia Vester) und ihr Sohn (Roland Bonjour) und warum kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Dr. Sonja Roth (Stephanie Japp) ihren Job als Therapeutin des zunehmend angeschlagenen Gisler durchaus ein wenig aufmerksamer machen müsste?
Man kann ihm einiges vorwerfen, dem zwölften Fall aus Luzern: Die gewohnt schief sitzende Synchronisation etwa, die selbst den stimmungsvollsten Momenten geradezu grotesk die Aura nimmt. Die grob verlötete Privatbaustelle des Kommissars, die auch durch Bratfisch am Freiluft-Grill nicht so wirklich locker daherkommt. Jenen Moment, da Flückiger das von ihm gesuchte Mobiltelefon in einem riesigen Container voll Sand binnen zwei Sekunden findet. Oder die Tatsache, dass um die 75, 80 Minuten lang überhaupt nicht klar ist, wer oder was hier im Fokus steht, wo eigentlich der Fall schlummert, wer verdächtig, wunderlich oder schlichtweg geisteskrank ist. Und natürlich das gewohnt niedrige Tempo, das die Schweizer Fälle, diesmal von Regisseur Walter Weber (unter anderem "Bella Block – Tod eines Mädchens") in Szene gesetzt, seit ehedem auszeichnet.
Dennoch - irgendetwas schlummert da unter der allzu trägen Oberfläche, das vermittelt nicht zuletzt der unauffällig-bedrohliche Score von Fabian Römer (der Schweizer Musiker und Komponist, nicht etwa der deutsche Rapper gleichen Namens), der sich wie ein dunkler Teppich fast unbemerkt unter die Szenen schiebt. Am Ende erlauben sich die Eidgenossen eine Pointe, eine so, nennen wir es mal, fantasievoll anmutende Auflösung, über die man in Sekunden entscheiden muss: Genialer Coup - oder konstruierter Käse?
Quelle: ntv.de