Flückiger im Schweizer Steuersumpf Und ewig nervt die Synchro
07.09.2014, 21:49 Uhr
Immer wieder gerät der Kommissar mit seinem Vorgesetzten Mattmann aneinander.
(Foto: SRF/Daniel Winkler)
Im neuen Fall aus Luzern kommt Kommissar Flückiger schmutzigen Bankgeheimnissen auf die Spur - und legt sich mit Mächten an, gegen die er nur verlieren kann. Der Schweizer "Tatort" bietet eigentlich alles, was einen guten Krimi ausmacht. Aber eben nur eigentlich.
"Brasilien, Urlaub! Wobei, eigentlich möchte ich gar nicht hier weg: Die Schweiz ist so ein wunderschönes Land, Herr Mattmann", sagt der schwerreiche deutsche Staatssekretär Demand mit einer geradezu unverschämten Fröhlichkeit, die sowohl dem Zuschauer als auch Eugen Mattmann die Luft raubt. Der Luzerner Regierungsrat hat gerade einen Anruf von Kommissar Reto Flückiger bekommen und erfahren, dass der Mann, den er bis vor kurzem noch nach allen Regeln der Kunst hofiert hat und nun zum Flughafen begleitet, mehrere Menschenleben auf dem Gewissen hat - alles nur, um ein schmutziges Steuergeheimnis unter Verschluss zu halten. Doch nachzuweisen ist Demand nichts: "Die sind mächtiger als wir", resigniert Flückiger. Demand und Mattmann kommen am Flughafen an. Ende. Was für ein Paukenschlag.
Es kommt außerordentlich selten vor, dass sich die Schlussszene eines "Tatorts" so intensiv und nachhaltig ins Gedächtnis einbrennt wie diese. "Verfolgt" ist ein enorm dichter und düsterer Politkrimi, der auf den ersten Blick so gar nicht ins verschlafene Luzern passen will. Da flüchtet ein Bankangestellter zu treibenden elektronischen Klängen in Todesangst durch die pittoreske Innenstadt; Hochfinanz und Politik kungeln miteinander vor der grandiosen Postkartenidylle des Vierwaldstättersees; und je tiefer sich Flückiger und seine Kollegin Ritschard in die Untiefen des Mordfalles wühlen, der zunächst wie ein 08/15-Eifersuchtsdrama anmutet, desto paranoider werden auch die beiden Ermittler. Der bedingungslose Pessimismus, fast ungebrochen über 90 Minuten ausgebreitet, verfängt - und hebt diesen "Tatort" mutig aus dem sonntäglichen Einheitsbrei heraus.
Story mit Sogwirkung
Das ist umso erstaunlicher, weil zu Beginn der neuen Episode nicht allzu viel darauf schließen lässt, dass hier ein echtes Story-Schwergewicht mit einem überaus brisanten und relevanten Oberthema um die Ecke biegt. In der ersten halben Stunde muss man sich regelrecht zwingen, nicht wegzuzappen: Von der hysterischen Ehefrau unter Verfolgungswahn bis zur unfreiwillig komischen Nazi-Oma kommen die Schauspieler bestenfalls blass daher. Flückiger und Ritschard selbst ermitteln solide, unaufgeregt - man könnte auch sagen: langweilig. Wie viel Macht das hervorragende Drehbuch (Martin Maurer) und die Regieleistung von Tobias Ineichen entfalten, wird genau hier überdeutlich: Die schauspielerische Leistung zieht, den Kommissar ausgenommen, nicht merklich an - aber es ist schlichtweg egal, sobald die Story ihre Sogwirkung entfaltet.
Alles gut also im Kanton? Leider nicht. Die miese Synchronisation torpediert konsequent die sonst so dichte Atmosphäre des Streifens. Klar, das Problem ist ein altbekanntes und hat im Laufe der bislang erschienenen sechs Episoden dazu geführt, dass die Schweizer Fälle beim Publikum zu den unbeliebtesten überhaupt gehören. Das macht es aber leider nicht besser: Die Stimmen der hochdeutschen Fassung klingen seltsam fremd und sind zu allem Überfluss selten lippensynchron. Typische Schweizer Begriffe wie "parkieren" oder "Trottoir" wirken in den ansonsten akzentfrei vorgetragenen Dialogen wie Fremdkörper. Konsequent wäre es gewesen, die schwyzerdütsche Originalfassung mit Untertiteln zu versehen - schließlich ist eine lokale Färbung des "Tatorts" ausdrücklich erwünscht.
Man möchte diesen "Tatort" lieben für seine fesselnde Geschichte und das mutige Ende - doch die furchtbare Synchronisation macht das schier unmöglich. Immerhin: Der von vielen bereits totgesagte Schweizer "Tatort" hat sein mächtiges Potenzial unter Beweis gestellt. Und wer weiß? Vielleicht agieren die Entscheider beim SRF das nächste Mal genauso mutig wie Regisseur Ineichen.
Quelle: ntv.de