König, Nerd oder Ballerina Wer bekommt den Film-Oscar?
25.02.2011, 09:51 UhrZehn Streifen kämpfen um den Oscar für den besten Film. "The King's Speech", "The Social Network" und "Inception" gehören zu den Favoriten. Doch auch Meisterwerke wie "True Grit" und "The Fighter" haben eine Chance. n-tv.de stellt die Filme vor und wagt Prognosen.
"127 Hours"
Das Drama nach einem wahren Fall dürfte vor allem dem US-amerikanischen Kinopublikum gefallen, denn es erzählt von einem Mann, der in einer Notsituation über sich hinauswächst. Es ist die Geschichte des Bergsteigers Aron Ralston (gespielt von James Franco), der 127 Stunden mit seinem Arm in einer Felsspalte eingeklemmt ist. Hilfe kann er keine erwarten, also greift er, fast verhungert und dehydriert, zum letzten Mittel: Er schneidet sich den Arm selbst ab.
Für sechs Oscars ist der Film insgesamt nominiert. Ein US-Kritiker zählt ihn sogar zu den besten Filmen der letzten zehn Jahre und Opossum Heidi tippt auf den Film-Preis. Viel Lob erhielt vor allem Hauptdarsteller Franco, der vielleicht für eine Überraschung sorgen könnte. Nicht nominiert ist allerdings Regisseur Danny Boyle, der auch zu den Produzenten zählt. Vielleicht geht der Film leer aus – Boyles "Slumdog Millionär" war immerhin bereits 2009 der große Abräumer. Ohne Chance ist er aber nicht.
"Black Swan"
Primaballerina Nina will die Hauptrolle in "Schwanensee". Unbedingt. Im Weg steht ihr nur ihre Nettigkeit, mit brutaler Kosequenz unterdrückt sie ihre eigenen Gefühle. Ballettdirektor Thomas weiß das und versucht, Ninas dunkle, schwarze Seite zum Vorschein zu bringen. Als mit Lily schließlich eine Konkurrentin auftaucht, beginnt sich eine Spirale aus Sex, Gewalt und Halluzinationen zu drehen. Bis zum bitteren Ende.
Spricht man über "Black Swan", spricht man eigentlich über Hauptdarstellerin Natalie Portman. Nicht nur setzt auf die große Favoritin des Darstellerinnen-Oscars. Insgesamt ist der Film für fünf Oscars nominiert, darunter auch Regisseur Darren Aronofsky, der zuvor "The Wrestler" mit Mickey Rourke gedreht hatte. Chancen als bester Film kann sich der Film durchaus ausrechnen, doch ausgerechnet Portman könnte das Problem sein, denn mit ihrer herausragenden Leistung überstrahlt sie den Rest des Films.
"The Fighter"
Micky Ward (Mark Wahlberg) versucht sich als Boxer durchzuschlagen, doch der Erfolg will sich nicht einstellen. In seiner Familie ist ohnehin der ältere Bruder Dicky (Christian Bale) der große Star, ein einstiger erfolgreicher Boxer, der jedoch mittlerweile drogensüchtig ist. Durch ihn gerät Micky auch in Schwierigkeiten, und erst als sein Bruder im Knast landet, schafft er es, sich von dessen Einfluss zu lösen. Micky startet einen erneuten Anlauf zum großen Durchbruch.
Boxerfilme haben in Hollywood eine lange Tradition. Messen lassen müssen sie sich vor allem an einem: "Wie ein wilder Stier" von Martin Scorsese, mit Robert De Niro als Jake LaMotta. "The Fighter" steht in dieser Tradition, denn er zeigt das zerrüttete Privatleben seines Protagonisten. Die Zeitschrift "Sports Illustrated" hält ihn gar für den besten Sportfilm des Jahrzehnts. Zu den sieben Nominierungen gehören außerdem Regisseur David O. Russell, sowie insgesamt drei Nebendarsteller, nur Wahlberg ging leer aus. Der Film könnte mehrere Awards erhalten, schließlich ist das Thema eine typische amerikanische Aufsteigergeschichte. Beim Preis für den besten Film gibt es Außenseiterchancen. Der Film startet in Deutschland am 7. April.
"Inception"
Dominick Cobb (Leonardo DiCaprio) bestiehlt Menschen. Doch er dringt nicht in ihre Taschen, Autos oder Häuser ein, sondern in ihr Unterbewusstsein. Cobb und sein Team (u.a. Joseph Gordon-Levitt, Ellen Page) versuchen, schlafenden Menschen in ihren Träumen Geheimnisse zu entlocken, für die Konkurrenten viel Geld bezahlen. Geschäftsmann Saito (Ken Watanabe) gibt ihnen allerdings eine neue Aufgabe: Diesmal sollen sie eine Idee in ein Unterbewusstsein einpflanzen. Doch es ist ausgerechnet Cobb, dessen Erinnerung an seine Frau (Marion Cotillard) den Plan gefährdet.
Erklären kann man nur schwer, man sollte ihn schon gesehen haben. Der komplexe und visuell überwältigende Science-Fiction-Film konnte acht Nominierungen einheimsen, allerdings meist in Nebenkategorien. Regisseur Christopher Nolan kann immerhin auf den Drehbuch-Oscar hoffen, die Darsteller gingen dagegen komplett leer aus. Beim Film-Oscar zählt "Inception" allerdings zu den Top-Favoriten, denn im Gegensatz zu seinen Konkurrenten setzt er auf großes und visionäres Blockbuster-Kino, das jedoch das Gehirn nicht vernachlässigt. Ein Paradox ist trotzdem möglich: Der Film könnte der große Abräumer sein, und doch keinen Hauptpreis gewinnen.
"The Kids Are All Right"
Mutter, Mutter, Sohn und Tochter. Jules (Julianne Moore) und Nic (Annette Bening) haben sich eine Traumfamilie geschaffen, mit Hilfe eines Samenspenders. Als Tochter Joni 18 wird, erhält sie das Recht, ihren biologischen Vater kennenzulernen. Doch es ist der 15-jährige Sohn Laser, der sie dazu überredet. Sie wagen die Begegnung und treffen auf Paul (Mark Ruffalo), den Chef eines Bio-Restaurants. Dieser scheint sehr charmant, nur längere Beziehungen sind nichts für ihn. Kein Wunder also, dass er eine Affäre mit Jules beginnt, die das Leben der beiden Frauen ins Wanken bringt.
"The Kids are All Right" ist bestes Independentkino, das unter der Sonne Kaliforniens ungeahnte Familienprobleme behandelt. Vor allem bleibt trotz der dramatischen Momente der Humor nicht auf der Strecke. Mit kleinen Gesten und wunderbaren Dialogen zeigen Bening und Moore, dass auch eine gleichgeschlechtliche Beziehung im Alltagstrott versanden kann. Doch bei den Oscars ist der Film - trotz Golden Globe als beste Komödie - ein Außenseiter. Die Thematik dürfte zu speziell sein, um auf breite Zustimmung zu stoßen. Mehr Chancen auf einen Preis haben vermutlich die Darsteller Bening und Ruffalo sowie das Drehbuch von Regisseurin Lisa Cholodenko und Stuart Blumberg.
"The King's Speech"
Ein stotternder Prinz, und das in Zeiten, in denen das Radio seinen weltweiten Siegeszug antritt. Undenkbar. Notgedrungen sucht Prinz Albert (Colin Firth), ermutigt durch seine Frau (Helena Bonham Carter), nach etlichen gescheiterten Versuchen einen weiteren Sprachtherapeuten auf. Doch Lionel Logue (Geoffrey Rush) ist anders. Er versucht, die psychologischen Ursachen des Sprachproblems zu ergründen. Da stoßen der exzentrische Australier und der steife, schüchterne Adlige aufeinander. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Doch dann dankt Albert Bruder Edward VIII. ab, Albert wird zu König George VI. und sieht sich seiner größten Herausforderung gegenüber.

Colin Firth als Prinz und Geoffrey Rush als Sprachtrainer in "The King's Speech".
(Foto: Senator Film Verleih)
Die Dialoge spritzen vor Wortwitz, die Darstellerriege ist brillant, Kamera und Ausstattung vorzüglich, Dramatik kommt auch noch auf – der bereits ist der große Oscar-Favorit. Zwölf Nominierungen gab es, darunter (außer für die Hauptdarstellerin) für alle Hauptpreise. Colin Firth dürfte nur noch schwer aus dem Rennen zu werfen sein, aber auch Geoffrey Rush hätte seinen zweiten Academy Award verdient, das Drehbuch von David Seidler ebenso. Doch vor allem beim besten Film gehört der Streifen nach wahren historischen Ereignissen in die engste Auswahl.
"The Social Network"
In Rückblicken erzählt der Film die Entstehungsgeschichte von Facebook. Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg) studiert in Havard, ist dort allerdings ein Außenseiter. Doch da er in elitären Clubs außen vor bleibt, nutzt er seine Technikkenntnisse, um sich ins Uni-System zu hacken. Durch Kommilitonen kommt er auf die Idee, ein soziales Netzwerk zu gründen. Schnell wird die Seite zum großen Erfolg, zum Milliardengeschäft. Doch ein Freund und Unterstützer der Anfangszeit wird aus der Firma gedrängt. Er und weitere Studenten verklagen Zuckerberg wegen Diebstahl geistigen Eigentums.
Ganz gut kommt Zuckerberg nicht weg in diesem Film. Er wird als skrupelloser Geschäftsmann dargestellt, der alte Freunde verrät und die Idee zu seinem Imperium geklaut hat. Doch er wird gleichzeitig zur Symbolfigur einer Kultur des Internets, einer Generation, die sich mit Hilfe ihres technischen Wissens anschickt, die Macht zu übernehmen. Natürlich wurde über die Faktentreue des Films diskutiert, doch bei Kritik und Publikum kam er gut an. Er erhielt viele Preise, räumte bei den ab und zählt mit acht Nominierungen (darunter Film, Regie, Hauptdarsteller und Drehbuch) zu den Oscar-Favoriten. Regisseur David Fincher darf sich durchaus Hoffnungen machen, der Film selbst gehört zu den Top-Favoriten.
"Toy Story 3"
Die Geschichten um die lebendigen Spielzeugfiguren gehen in die dritte Runde. Vom inzwischen 17-jährigen Menschen Andy aussortiert, landen seinen Spielsachen in einem Kindergarten. Ein Versehen ist vor allem, dass sich auch Cowboy Woody, der sympathische Chef im Ring, darunter befindet. Der Kindergarten entpuppt sich allerdings als Spielzeughölle, es bleibt also viel zu tun für Woody und seine Freunde.

Altbekannte Helden: Cowboy Woodie (r), Spaceranger Buzz (M) und Cowgirl Jessie.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Kritik war gespalten. Einerseits sind die Filme mehr oder weniger Vehikel für die Merchandising-Ausbeute aus Spielzeugen und Computerspielen. Andererseits sind die komplett computeranimierten Pixar-Filme sehr unterhaltsam und lohnen sich auch für Erwachsene. Trotzdem: Als Trickfilm dürfte der dritte "Toy Story"-Streifen keine Chance als bester Film haben, es handelt sich wohl um ein Zugeständnis an das Genre. Dafür bleibt ja aber die Kategorie Bester Animationsfilm (mit insgesamt nur drei Nominierten). Drei weitere Chancen haben adaptiertes Drehbuch, Filmsong und Tonschnitt.
"True Grit"
Hinterrücks erschossen wurde der Vater der 14-jährigen Mattie Ross (Hailee Steinfeld). Das Mädchen sinnt auf Rache und wendet sich an den verlotterten und versoffenen Marshal Rooster Cogburn (Jeff Bridges). Beide reiten ins Indianergebiet, wo sich der Mörder Tom Chaney (Josh Brolin) versteckt haben soll. Begleitet werden sie vom Texas Ranger LaBoeuf (Matt Damon), der es auf eine hohe Kopfprämie abgesehen hat. Wer hier der Boss ist, wird schnell klar: natürlich Mattie. Sie hält die Zügel in der Hand, da können die beiden Maulhelden noch was von lernen.
Ethan und Joel Coen ist mit wieder ein wunderbarer Film gelungen. Dass Charles Portis gleichnamiges Buch bereits 1969 mit John Wayne verfilmt wurde, stört nicht, die Stoßrichtung ist eine andere. Die Academy hat es jedenfalls überzeugt, sie nominierte den Streifen in zehn Kategorien. Dass Heilee Steinfeld nur für eine Nebenrolle nominiert ist, scheint sonderbar, aber so erhöhen sich ihre Chancen. Gute Chancen können sich auch Kameramann Roger Deakins und die Coen-Brüder (Regie und Drehbuch) machen. Jeff Bridges hat es dagegen schwer gegen Colin Firth. Zumal er vor einem Jahr bereits gewonnen hat. Als bester Film hat "True Grit" durchaus eine Chance, ist aber nicht der Top-Favorit.
"Winter's Bone"
Ree Dolly (Jennifer Lawrence) sucht ihren Vater. Der ist auf der Flucht vor der Polizei und hatte Haus und Grund der Familie als Sicherheit für seine Kaution hinterlassen. Ihre Familie reagiert auf ihre Suche mit Unverständnis, ja Ablehnung, wie Ree bald am eigenen Leib erfahren muss. Doch schließlich stößt sie auf ein dunkles Geheimnis, das die Familie retten könnte.
Düster und geheimnisvoll gibt sich dieser Film unter der Regie von Debra Granik nach einem Roman von Daniel Woodrell. Obwohl ein Independentfilm. konnte er bereits mehrere Preise und Nominierungen einheimsen. Bei den Oscars hat er in vier Kategorien Chancen, darunter für die Hauptdarstellerin, den Nebendarsteller John Hawkes und das adaptierte Drehbuch. Die Auszeichnung für den besten Film allerdings dürfte ein anderer Film bekommen, "Winter's Bone" ist hier deutlicher Außenseiter. Der deutsche Startermin ist voraussichtlich der 31. März. Der Film wurde allerdings bereits bei der Berlinale 2010 gezeigt und gewann im Forum den C.I.C.A.E.-Award.
Quelle: ntv.de