Ganz oder gar nicht! "111 Gründe, Eintracht Frankfurt zu lieben"
02.03.2014, 15:17 Uhr
Beeindruckende Choreografie der Eintracht-Ultras im Europa-Liga-Spiel gegen Nikosia
(Foto: picture alliance / dpa)
Böller, Bengalos, Choreografien: Das verbinden viele mit den Fans der Frankfurter Eintracht. Aber wie wird man SGE-Anhänger? Was ist der Unterschied zu Bayern-Sympathisanten und Retortenklub-Bejublern? Wie findet man die einzig wahre Fußballliebe? Ein Buch liefert Antworten satt.

Die Bundesliga kann man sich in dieser Saison einfach nicht anschauen, die Bayern sind zu dominant.
(Foto: REUTERS)
Nie war die Fußball-Bundesliga langweiliger. Die Großkopferten Bayern aus München dominieren die deutsche Eliteklasse nach Belieben. Und jede Woche fragen sich die richtigen Fußballfans landauf, landab: Wer kann die Übermacht aus dem Süden stoppen? Wer wird der Weltpokalsiegerbesieger? Die Frankfurter Eintracht wird es nicht mehr. Zweimal gegen Bayern München gespielt, zweimal klar verloren. Einmal ließ Trainer Armin Veh sogar nur eine B-Elf auflaufen, schonte einige Stammkräfte für die "wirklich wichtigen Spiele" gegen die direkten Mitabstiegskonkurrenten. Was bei anderen Vereinen Zeter und Mordio unter den eingefleischtesten Fans hervorgerufen hätte, wurde in Frankfurt anderweitig "kritisiert" - mit tausendfacher Unterstützung auf den Auswärtsfahrten in der Europa Liga.
Da wird das Stadion des französischen Traditionsvereins Girondins Bordeaux von 12.000 mitgereisten Fans in orange gehüllt und gleichzeitig ein Rekord aufgestellt: Nie haben mehr Fans einen Verein im Europapokal bei einem Auswärtsspiel begleitet. Das schaffen Retortenklubs wie Hoffenheim oder Wolfsburg nicht einmal, wenn man all ihre sie auf Aufwärtsfahrten begleitenden Fans über die gesamte Bundesligasaison zusammenzählen würde. Das ist hingebungsvolle Unterstützung. Das ist die wahre Liebe eines Fans zu seinem Verein. Das ist Eintracht Frankfurt!
Und das ist auch der Unterschied zum deutschen Rekordmeister. Denn während der in diesem Jahr wieder auf dem besten Weg dazu ist, Titel für Titel zu gewinnen, muss die Eintracht wieder einmal um den Klassenerhalt bangen. Ruhige Zeiten wie bei den Bayern gibt es bei der Eintracht nicht. Der letzte Titelgewinn liegt mehr als ein Vierteljahrhundert zurück und wurde noch im geteilten Berlin gefeiert: Pokalsieg 1988. Danke und liebe Grüße an den VfL Bochum!
Also, wie kann man einen solchen Verein lieben, der kaum Titel gewinnt, dessen beste Zeiten lange zurückliegen? Ganz einfach: entweder ganz oder gar nicht! Die Entscheidung fällt leicht, wenn man richtiger Fußballfan ist und kein Sympathisant. Denn Letzterer ist wie eine Fahne im Wind: Er wendet sich bei jedwedem kleinsten Problem vom Verein ab, hält ihm nur bei Erfolgen die Treue. Man kennt als wahrer Fußballfan schlechte und gute Zeiten seines Vereins, hat sie miter- und durchlebt. Als Sympathisant schwimmt man immer nur mit dem Strom, kennt nur die Jubelschreie. Dabei sind es die Niederlagen, die Fehler, die einen Verein so liebenswert machen.
Ein Fan schreibt für Fans!

"111 Gründe, Eintracht Frankfurt zu lieben" ist bei Schwarzkopf & Schwarzkopf erschienen und Teil der neuen Fußballbuchserie "Zwölfter Mann".
(Foto: Schwarzkopf & Schwarzkopf)
Der Abstieg in die Zweitklassigkeit, der Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit, das Zittern um den Fortbestand des Klubs - das formt den Charakter und lässt eine Liebe wachsen. In guten wie in schlechten Zeiten, heißt es ja bekanntlich auch vor dem Traualtar. Und die Ehe zwischen einem Fußballfan und seinem Verein kann nicht hier auf Erden geschieden werden. Das weiß auch Gunther Burghagen.
Der gebürtige Frankfurter ist von klein auf Fan der "Diva vom Main", der "Adler", der "Eintracht". Als freier Autor mittlerweile in Köln lebend, also in der Diaspora, hat er nie aufgehört, die SGE zu lieben, diesen so etwas anderen Verein. Noch immer fährt er so oft es geht zu Heimspielen, der guten ICE-Verbindung sei Dank. Und wenn die Eintracht erstklassig spielt, was eigentlich immer sein sollte, ist Burghagen in den Stadien an Rhein und Ruhr auswärts doch zu Hause. Und weil nur einmal in der Woche Samstag ist, wie Burghagen sagt, hat er ein Buch verfasst: "111 Gründe, Eintracht Frankfurt zu lieben - eine Liebeserklärung an den großartigsten Verein der Welt", erschienen bei Schwarzkopf & Schwarzkopf und Teil der Fußballbuchserie "Zwölfter Mann".
Liebe: ganz!

Den Adler im Herzen: Die Fans bedanken sich bei Oka Nikolov für seine jahrelange Liebe zur Frankfurter Eintracht.
(Foto: picture alliance / dpa)
111 Gründe? Mir reicht einer: Die SGE ist wie sie ist - und doch noch viel mehr! Da wäre das "Trauma von Rostock" mit der verpatzten Meisterschaft unter Kulttrainer Dragoslav Stepanovic etwa. Da wäre das Traumtor von Jay-Jay Okocha gegen den Karlsruher SC mitsamt dem späteren Torwart-Titanen Oliver Kahn. Da wäre das ewige Rätsel um das wahre Alter von Sturmtank Anthony Yeboah, dem einzigen Stürmer, der Gerd Müllers Torjäger-Rekord geknackt hätte, wenn er nicht verletzt gewesen wäre.
Da wäre aber auch das genial-kaltschnäuzige Übersteiger-Tor Jan Age Fjörtofts, das einst gegen Kaiserslautern den Klassenerhalt bedeutet hat. Die Katastrophen-Rückrunde unter Michael Skibbe und den letztlichen Abstieg unter Christoph Daum wird so schnell auch kein Fußballfan vergessen, ebenso wie die Namen Grabowski, Hölzenbein, Körbel und Nikolov. Der "treue Charly" spielte nie für einen anderen Verein als die Eintracht - in heutiger Zeit nicht mehr vorstellbar. Der "treue Oka" trug 20 Jahre die SGE-Torwarthandschuhe, sah Generationen von Torhütern kommen und gehen - nur er blieb und stand letzten Endes doch immer irgendwann wieder im Eintracht-Tor.
Anekdoten, Spaß und ein letztes Wort
Es sind diese kleinen Geschichten, die Randnotizen, mal amüsant, mal zu Tode betrübt, die die Eintracht zu dem Traditionsklub gemacht haben, der er heute ist. Burghagens "111 Gründe …" sind nur wenige Puzzlesteine, denen jeder Eintracht-Fan weitere hinzufügen kann. Wie die Siege Anfang der 1990er Jahre gegen die heutigen Bundesligaprimusse Bayern und BVB im Waldstadion. Wie der versuchte Schalklau nach der Uefa-Cup-Partie Eintracht gegen Neapel 1995. Die Liste ließe sich fortsetzen und fände doch kein Ende. Und genau das ist es, was ein wahres Fanherz höher schlagen lässt. Erfolg kann man letztlich immer kaufen, wahre Liebe nie! Allen, die in der heutigen Zeit noch daran glauben, sei Burghagens Buch ans Herz gelegt - und das Nachwort insbesondere.
Es entführt in die Saison 2001/2002, Alexander Schurs Treffer zum 6:3 in der Nachspielzeit gegen Reutlingen und der damit verbundene Erstliga-Aufstieg 2003 liegt noch über ein Jahr in der Zukunft. Im Herbst 2001 dreht sich alles vielmehr um ein Spiel, bei dem die Frankfurter beim heutigen Köpenicker Kultverein 1. FC Union Berlin antreten müssen. Die "Eisernen" waren damals chronisch klamm und kämpften ums nackte Überleben. Mit Ideenreichtum schon damals ausgestattet, versteigerten sie einen Platz auf der Reservebank - neben Cheftrainer Mirko Votava. Die Frankfurter Fans ersteigerten ihn für mehr als 2000 Euro für ihr Unikum "de Addi". Wie immer fand das der DFB nicht lustig und verbot das Ganze gleich zweimal. Am Ende durfte Addi mit dem Stadionsprecher aufs Feld und die Aufstellung verlesen, die dann auch mit so mancher Eintracht-Legende gespickt war. Am Ende zog Addi noch blank - und Union spendete die 2000 Euro an eine Schule für geistig Behinderte in Köpenick sowie einen Verein zur Hilfe krebskranker Kinder in Frankfurt. Man sieht, geile Fans gibt es nicht nur am Main, sondern auch an der Wuhle - aber das ist eine andere Geschichte …
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Quelle: ntv.de