Ausstellung und neues Buch Die Simpsons, das "Flakgeschütz der Nerd-Kultur"


Lieblingsfamilie vieler Fernsehzuschauer: die Simpsons.
(Foto: TM + (c) 2024 20th Television)
Alle kennen sie, viele lieben sie: die Simpsons. Seit mehr als 35 Jahren flimmert Amerikas berühmteste Familie über die Fernsehbildschirme, ein Ende ist nicht in Sicht. Eine Ausstellung in Dortmund und ein Buch geben tiefe Einblicke in ihren Kosmos.
Sie sagten US-Präsident Donald Trump voraus, einen deutschen WM-Sieg und einen gemeinsamen Auftritt von Cypress Hill mit den Londoner Symphonikern. Sie sangen mit Michael Jackson und Paul McCartney, trafen Tony Blair, Rupert Murdoch und Mark Hamill. Sie stehen im Guinness-Buch der Rekorde. Sie haben gelbe Haut und vier Finger. Die Rede ist natürlich von den Simpsons.
Vor etwa 35 Jahren, im Dezember 1989, hatte die Fernsehserie Premiere, nachdem zuvor bereits kurze Clips mit den Simpsons in der "Tracey Ullmann Show" gelaufen waren. Seitdem gibt es jährlich eine neue Staffel, womit die Serie so einige Rekorde aufgestellt hat. Vor allem in den 90er-Jahren avancierten die Simpsons mit ihrem manchmal sarkastischen, manchmal anarchischen Humor zu Kultfiguren. Sie trafen damals den Nerv der Zeit.

Die Simpsons sind längst selbst Teil der Popkultur - Blick in den besprochenen Band.
(Foto: TM + (c) 20th Television / Rolling Stone / Alexander Braun)
"Die Simpsons sind nicht common sense des Mainstreams gewesen, als sie das Licht unserer Welt erblickten", schreibt der Kunsthistoriker Alexander Braun. Sie seien "Avantgarde und Extravaganz" gewesen, "eine lange Anklageschrift, was im westlichen Kapitalismus so alles falsch läuft, Umwälzanlage der Moderne und flammendes Flakgeschütz der Nerd-Kultur".
"Vollgestopft mit Metaphern und Doppeldeutigkeiten"

Alexander Braun hat schon etliche Bücher über Comics vorgelegt sowie Ausstellungen kuratiert. Nun sind die Simpsons dran.
(Foto: TM + (c) 20th Television / Comicraum Dortmund)
Diese Lobeshymne entstammt Brauns jüngstem Buch "Die Simpsons: Gelber wird's nicht". Dieses wiederum gehört zu einer gleichnamigen von Braun kuratierten Ausstellung im Dortmunder Schauraum, die kürzlich eröffnet wurde und - bei freiem Eintritt - bis zum 27. Oktober zu sehen ist. Ausgestellt sind originale Drehbücher, Storyboards, Entwurfsskizzen und Zeichnungen, zudem Folien aus der Trickfilmproduktion und Artwork aus den Comic-Heften. Das Material wurde exklusiv für diese Schau zusammengetragen.
Das Buch ist allerdings mehr als ein Ausstellungkatalog, sondern vielmehr ein tiefer Blick in die Materie. Es enthält neben viel Bildmaterial auch ausführliche Texte Brauns zu Simpsons-Schöpfer Matt Groening, der kürzlich 70 wurde, dem Handlungsort und anderen Aspekten des Serienuniversums. Angesichts dessen Größe hat der Band keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, er will auch kein Serienführer sein. Aber er streift doch einige Themen, in denen auch ausgewiesene Simpson-Fans Neues entdecken könnten.

Wie entsteht eigentlich eine Simpsons-Folge? Auch das zeigt der Band auf.
(Foto: TM + (c) 20th Television / Alexander Braun)
Die Simpsons seien "so reich und vollgestopft mit Aspekten, Hinweisen, Metaphern und Doppeldeutigkeiten, dabei immer wieder so schreiend komisch", schreibt Braun im Vorwort. Dankenswerterweise hat er für den Band etliche der Hinweise und Doppeldeutigkeiten, aber auch viele Inspirationsquellen aufgespürt und zeigt sie auch in Bildern. Vor allem dieses Material ist eher selten zu sehen, zum Beispiel Cartoons und Werbezeichnungen von Groenings Vater Homer (!).
Das Herzstück des Bandes ist sicher der Text über Matt Groening, der eher selten öffentlich auftritt. Minutiös verfolgt Braun dessen Leben und Karriere, reich illustriert mit Bildern und Zeichnungen auch aus dem frühen Werk. Der Beitrag endet allerdings Anfang der 90er-Jahre, als die Simpsons überraschend zum großen Erfolg wurden.
Punk-Attitüde und Luxus-Modelabel
Weitere Texte drehen sich etwa um die Stadt Springfield und ihre Sehenswürdigkeiten, um das Simpsons-Haus und dessen reale Version in Nevada und die Entstehung einer Folge der Serie - inklusive Storyboards und Trickfilm-Folien. Interessante Beiträge handeln vom Serienauftritt von Michael Jackson - über den lange spekuliert wurde, ob es nun seine Originalstimme ist oder nicht - und von Banksy, der einen legendären Vorspann zu der Serie beisteuerte. Hinzu kommen zahlreiche Abbildungen von obskurem Merchandise und ein Interview mit Comiczeichner Bill Morrison, der lange die Comics zur Serie verantwortete.
Ein eigenes Kapitel bekommt der zehnminütige Film, den das Luxus-Modelabel Balenciaga mit den Simpsons drehte. Er wurde 2021 auf der Paris Fashion Week präsentiert, anstelle des traditionellen Catwalks - denn (fast) alle in dem Kurzfilm gezeigten Kleidungsstücke wurden von dem Label entworfen.
Dass Groening, dessen Schöpfungen reichlich Punk-Attitüde enthalten, ausgerechnet mit einem Luxuslabel zusammenarbeitete, mag künstlerisch begründet sein. Aber es zeigt auch, dass sich die Simpsons längst von ihren Anfängen entfernt haben. Ihr bissiger Humor blitzt nur noch selten auf, ebenso die teils harte Gesellschaftskritik wie die subversiven Anklagen gegen die amerikanische Konsumgesellschaft. Die Serie ist das geworden, was sie anfangs laut Braun gerade nicht war: "common sense des Mainstreams".
Aber "Die Simpsons: Gelber wird's nicht" ist keine kulturkritische Analyse der Simpsons, will das auch nicht sein. Buch - und Ausstellung - beleuchten vielmehr etliche Aspekte einer der erfolgreichsten Serien der Fernsehgeschichte. Simpson-Nostalgiker kommen dabei auch auf ihre Kosten. Dafür sorgt Braun mit viel Liebe zum Detail, die er auch schon bei seinen früheren Werken über Comicgeschichte gezeigt hat.
Die Ausstellung "Die Simpsons: Gelber wird's nicht" ist bis zum 27. Oktober im Schauraum Dortmund - Max-von-der-Grün-Platz 7 - zu sehen. Der Eintritt ist frei. Die Schau wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm und Workshops begleitet.
Quelle: ntv.de