Wiener Liebe, Ostkreuz, Ehe-Aus Diese Bücher schmücken das Osternest
11.03.2018, 07:43 Uhr
Immer gut für mitreißende Geschichten: die österreichische Hauptstadt Wien.
(Foto: imago stock&people)
Der Frühling tastet sich vor, aber noch laden die kalten Abende zum Lesen auf der Couch ein. Drei heiße Tipps unserer Redakteure bieten für jeden Geschmack etwas: den historischen Roman, moderne Literatur und einen besonderen auf ein alltägliches Bauwerk.
Anatomie einer Ehe
Als die Schriftstellerin April in Angelika Klüssendorfs Roman "Jahre später" den Chirurgen Ludwig kennenlernt, scheint das Glück ganz nah. Sie werden ein Paar, lassen Wellensittiche in einer Zoohandlung frei, nerven Kollegen mit kindischen Telefonstreichen, gucken abends Horrorfilme, heiraten und bekommen einen Sohn. April, die in der DDR in einem Umfeld randvoll mit Gewalt aufgewachsen ist, träumt von einem harmonischen Familienleben. Doch ihr Wunsch geht nicht in Erfüllung.
Schon bald verzieht sich der sprunghafte und seine eigenen Wahrheiten konstruierende Ludwig nach der Arbeit in sein Zimmer und zockt Computerspiele. April verbringt ihre Tage mit Putzen und Kochen, ihre Gesprächspartner sind die Gestalten aus den Horrorfilmen, die sie an ihrem Küchentisch versammelt. Und während sich für die von Ängsten und Minderwertigkeitsgefühlen geplagten April die Beziehung zu Ludwig falsch anfühlt, betont der immer wieder, dass er ohne sie nicht leben könne.
Zwei Bücher lang hat Klüssendorf ihre Protagonistin bereits begleitet. "Das Mädchen" (2011) und "April" (2014) erzählen von Aprils Kindheit in verwahrlosten Verhältnissen und ihrem Versuch, als Heranwachsende ihr Leben mehr schlecht als recht in den Griff zu kriegen. In "Jahre später" seziert die Autorin nun den Zerfall von Aprils Ehe. Klüssendorf, die in dessen erster Ehe mit dem verstorbenen FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher verheiratet war, hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihre Romanreihe autobiografische Züge trägt.
Gestochen scharf, unerbittlich und mit distanziertem Blick beschreibt sie im letzten Band der Trilogie, wie die anfängliche Intensität der Beziehung von April und Ludwig den immer stärker wirkenden Fliehkräften nicht standhalten kann. Am Ende tritt an die Stelle der letzten Verbundenheit ein eiskalter Scheidungskrieg. Ein trauriges und packendes Buch - auch für Leser, die die Vorgängerromane nicht kennen. (kse)
Es wird Frühling in Wien
Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Marie Haidinger arbeitet als Kindermädchen in einem wohlhabenden Haushalt. Sie erzieht und begleitet in dem Haus in der Sternwartestraße 71 Lili und Heini, die Kinder des Schriftstellers Arthur Schnitzler. Für das arme Mädchen vom Land ein beachtlicher Aufstieg. Als Marie eines Tages in der Buchhandlung von Friedrich Stock Bücher für ihren Dienstherren abholen soll, trifft sie dort auf den Lehrling Oskar.
Aus dieser Ausgangslage hat Petra Hartlieb eine zauberhafte Liebesgeschichte mit viel Zeit- und Lokalkolorit entwickelt. Ein anderes Dienstmädchen stirbt fast nach einer heimlichen und natürlich illegalen Abtreibung. Marie und Oskar können einige beeindruckende touristische Sehenswürdigkeiten besuchen. Die "Titanic" sinkt, an Bord ist eine junge Frau, die um ein beruflich und sexuell selbstbestimmtes Leben kämpft und die Marie Konkurrenz machen könnte.
Hartlieb ist nicht nur Autorin, sondern vor allem Buchhändlerin. Als solche ist sie an gleicher Stelle die Nachfolgerin von Friedrich Stock und kämpft womöglich sogar mit den gleichen Problemen. Aber sie weiß auch, was sich die Leserinnen und Leser wünschen. Und schreibt das in "Wenn es Frühling wird in Wien" mit leichter Hand auf. (sba)
Der Mythos Ostkreuz lebt
Wie für die oben besprochenen Bücher sollte man auch für folgendes Werk besonders eines haben: Zeit. Die ist bei den meisten Gästen des Bahnhofs Ostkreuz allerdings knapp. Täglich passieren mehr als 200.000 Menschen den Umsteigebahnhof im Berliner Osten, um zur Arbeit, ins Zentrum oder zur nächsten Party zu eilen. Mit "Mythos Ostkreuz. Die Geschichte des legendären Berliner Eisenbahnknotens" haben die Autoren Sven Heinemann und Burkhard Wollny dem Bahnhof ein literarisches Denkmal gesetzt.
Seit seiner offiziellen Gründung im Jahr 1882, damals noch als Bahnhof Stralau-Rummelsburg, hat sich das Ostkreuz bis heute zum wichtigsten Nahverkehrsknoten der Hauptstadt entwickelt. Einst als "Rostkreuz" verunglimpft, ist die Drehscheibe nun ein moderner Bahnhof - der viel von seinem ursprünglichen Charme eingebüßt hat. Viele werden wehmütig wenn sie die Fotos des einstigen Bahnsteigs A sehen, die nur einen Bruchteil der rund 350 Abbildungen in dem wuchtigen Buch ausmachen.
Auf 272 Seiten dokumentieren Heinemann und Wollny mit vielen Bildern, Dokumenten, Postkarten, Stadtplänen und vielen Informationen die Entwicklung des einstigen Fachwerkbahnhofs vor den Toren der Stadt zur modernen Konstruktion aus Glas und Stahl am legendären Wasserturm. Darüber hinaus skizzieren sie die in einem Extra-Kapitel die Geschichte der Nachbarbahnhöfe, wie etwa den heutigen Ostbahnhof, sowie der ehemals umliegenden Industriestandorte. Herausgekommen ist ein Bildband, der auch Nicht-Eisenbahnromantiker fasziniert. (cri)
Quelle: ntv.de