"Das Feld in der Fremde" Gestrandet, nicht gerettet
22.10.2016, 12:44 Uhr
In Tanger sammelten sich in den 1940er-Jahren die Flüchtlinge.
(Foto: imago/Leemage)
Eine zusammengewürfelte Flüchtlingsfamilie fristet am Rand von Tanger in der marokkanischen Hitze ein armseliges Leben. Sie hat die Nazis überlebt, aber den Kampf gegen Hunger und Armut längst nicht gewonnen. Denn auch Tanger ist kein ungefährlicher Ort.
Flüchtling sein, irgendwo angekommen, mit den Gegebenheiten unvertraut, den Menschen fremd, ohne Job oder Geld und mit einer ungewissen Zukunft. Das ist das Schicksal der Niederländer Aart und Lies, die mit ihrem gemeinsamen Kind Dolfje und einigen Kindern, die sie auf der Flucht aufgelesen haben, in Tanger gestrandet sind.
Bis hierher nach Nordafrika reicht der Arm der Nazis noch nicht. Das Leben ist trotzdem hart. Sie sind nach ihrer Odyssee nicht willkommen, wissen kaum, wovon sie leben sollen. Aart, ein romantischer Träumer, will seine "Familie" mit einem Feld durchbringen. Wenn hier erst einmal etwas wächst, sollen Luba, Marie, Hans, Rainer, Berthe, Pierre und natürlich auch er, Lies und Dolfje genug zu essen haben.
Doch unter der sengenden marokkanischen Sonne verdampfen die unzähligen Eimer Wasser, die die Kinder unermüdlich auf das Feld schleppen. Und auch sonst laufen die Dinge für die europäischen Gestrandeten nicht unbedingt gut. Wenn es nur der Hunger, die Läuse, die Armut und die kleinen Streitereien untereinander wären. Aber hier hat jeder noch seine eigene schmerzliche Geschichte. Die Leben, die sie in Berlin, Polen und den Niederlanden zurückgelassen haben, suchen sie immer wieder heim: idyllische Kindheiten in bürgerlichen Haushalten, plötzlich zerstört von der Brutalität der Nazis.
Die "Notgemeinschaft" ist fragil. Luba verschwindet, Hans ist immer weniger bereit, Aarts Autorität anzuerkennen, Pierre wird schwer krank und Marie soll im Haushalt des niederländischen Konsuls leben. Auf dem Feld vertrocknen die winzigen Pflänzchen, es gibt keine Hoffnung, nur Verachtung und den ständigen Kampf ums Überleben. Und die deutsche Bedrohung rückt immer näher.
Noch immer aktuell
Dola de Jongs Roman erschien bereits 1945 zunächst unter dem Titel "And the Field Is the World". Der jüdisch-niederländischen Autorin war es gelungen, über Tanger bis nach New York zu gelangen. So überlebte sie als einziges Mitglied ihrer Familie den Holocaust. Die Geschichte basiert auf ihren eigenen Erfahrungen als Emigrantin. Ihre Flucht sei ein "Sprung ins Ungewisse" gewesen, wird sie später schreiben. "Hitler und seine Kumpane haben mich auf ein Floß gesetzt und mich vom Ufer gestoßen. Ich treibe angenehm umher und wenn ich in einen Sturm gerate, muss ich mir selbst helfen."
Genauso machen es die Figuren in "Das Feld in der Fremde": Die frühreifen, desillusionierten Kinder, die kaum noch Vertrauen in die Erwachsenen haben und verzweifelt nach etwas Geborgenheit suchen. Die Erwachsenen, denen vor lauter Heimatlosigkeit und Entwurzelung ihr moralischer Kompass abhandengekommen ist. Auch nach mehr als 70 Jahren ist das gerade wegen seiner Unsentimentalität äußerst lesenwert.
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Quelle: ntv.de