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"Kommissar mit Herz" Wenn der Polizist zum Vater wird

Carlos Benede (r.) und sein älterer Sohn Alex auf einem Ausflug.

Carlos Benede (r.) und sein älterer Sohn Alex auf einem Ausflug.

Wie kann ein Kind wieder Vertrauen fassen, das gerade seine Mutter tot in einer Blutlache gefunden hat? Der Polizist Carlos Benede fährt mit dem Jungen in den Eisladen. Wenig später wird er sein Vater. Heute hat er zwei Söhne und einen Hund.

Manchmal scheint es, als könne Kommissar Carlos Benede selbst kaum fassen, wie die Ereignisse seines Leben im Nachhinein wie Rädchen ineinandergreifen. In "Kommissar mit Herz" teilt Benede mit dem Leser behutsam sein eigenes und das Leben seiner Söhne. Es ist eine rührende Geschichte, in der Benede den Jungen, die er adoptiert, genau das gibt, was seine eigene Kindheit als Waise so bereichert hat.

Benede wächst in einem katholischen Heim im Allgäu auf. Er sticht unter den anderen Kindern hervor, weil er solch eine Lebensfreude ausstrahlt. Darüber, dass ihn seine spanische Mutter weggab, als er vier war, sagt er, sie habe sicher ihre Gründe gehabt. So sei das eben. Aber wenn er merkt, wie die Leute reagieren, wenn einer erzählt, er sei ein Heimkind, wird er zornig.

Wir denken in Schubladen

Kommissar Benede ist selbst im Kinderheim aufgewachsen.

Kommissar Benede ist selbst im Kinderheim aufgewachsen.

Die Gesellschaft sei von Schubladendenken geprägt. Nach dem Motto: Keine Eltern mehr? Was der alles durchgemacht haben muss. Üblicherweise schlage einem da eine Kombination aus Mitleid, Erschrecken und Unsicherheit entgegen. Ihm aber war die Gemeinschaft aus Kindern und Schwestern in dem Kinderheim in Kalzhofen genau das Zuhause, in dem er sich wohlfühlte. "Es mag seltsam klingen, dass mich das Thema Herkunft so lange kaum umgetrieben hat. Ich habe diese Leerstellen in meiner Biografie nie als Defizit empfunden, nie das Gefühl gehabt, mir würde etwas fehlen. Ich habe die Situation so angenommen, wie sie war. Ohne Wenn und Aber."

Schweren Herzens geht er nach der Schule nach München und absolviert eine Lehre, später macht er Abitur, es folgt ein Studium der Sozialpädagogik. Er ist 26, als er gefragt wird, ob er nicht Lust habe, als Späteinsteiger bei der Polizei anzufangen. Benede sieht nicht aus wie ein typischer Polizist - das macht ihn wertvoll. Er fängt als verdeckter Ermittler im Drogendezernat an.

Auch bei der Polizei ist ihm sein beinahe unerschöpflicher Optimismus eine große Hilfe: "Bei der Kripo erlebt man Dinge, denen andere Menschen nicht so ungefiltert und geballt ausgesetzt sind. Und immer, wenn man denkt, man hat schon alles gesehen, kommt irgendetwas, das noch heftiger ist. Es gibt selten etwas Positives." Nach 13 Jahren hat Benede genug von der Kripo – ein glücklicher Zufall, dass gerade zu dem Zeitpunkt die Einsatzstelle K314, die Stelle für Prävention und Opferschutz, gegründet wird. Dort ist er ein Mann der ersten Stunde. Dass die ehemaligen Kollegen den Job belächeln, ist ihm egal.

Er arbeitet keine To-do-Listen ab

Carlos Benedes Autobiografie erschien am 1. April 2015.

Carlos Benedes Autobiografie erschien am 1. April 2015.

Nun hat er täglich mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen zu tun. Kümmert sich, steht ihnen bei und begleitet sie bis zum Prozess. Normalerweise jedoch nimmt er sie danach nicht mit zu sich nach Haus. Anders bei Alex: Der Junge ist elf, als Benede ihn das erste Mal trifft, einer, der "übriggeblieben" ist. Eines Tages stolpert Alex in die Küche und findet seine Mutter tot in einer Blutlache - vom Vater erstochen.

"Wenn ein Kind vor einem sitzt, das über Monate und Jahre mitbekommen hat, wie ein Elternteil den anderen gequält und schließlich vielleicht sogar getötet hat, gibt es keine To-do-Listen, die man abarbeiten könnte." Benede versucht, das Richtige zu tun. Im Fall von Alex ist eine gemeinsame Blaulicht-Fahrt zum Eisladen der erste Schritt, dem traumatisierten Kind eine Stütze zu sein. Zunächst ist der Junge bei Verwandten untergebracht. Als es dort allerdings kriselt und bei der Pflegemutter Suizidgefahr besteht, nimmt Benede Alex auf dessen eigenen Vorschlag hin bei sich auf.

Das Vatersein ist etwas ganz Neues für den Kommissar. Er selbst ist von den Schwestern in Kalzhofen und später von einer einzigen Betreuerin erzogen worden. Dass er eines Tages Papa werden könnte, schien abwegig. "Ich habe meinen Vater nie vermisst, ich kannte ihn nicht einmal. Ich habe auch nie den Wunsch verspürt, eigene Kinder zu haben."

Ein kleines Bündel im Wohnzimmer

Bald hat Benede sogar zwei. Das jüngste Kind kommt auf ähnlichem Weg wie Alex in die Familie. Die Polizei in München weiß sich nicht zu helfen, als sie das Kleinkind nach dem Mord an seiner Mutter auffindet und ruft Benede an. Kurz darauf liegt ein schlafendes Bündel beim Kommissar auf der Couch. Aus angesengten Ärmelenden lugen zwei Händchen. Carlos und Alex bringen es nicht übers Herz, den Jungen dem Jugendamt zu übergeben. Sie nehmen ihn bei sich auf.

Carlos Benede erzählt auf gut 200 Seiten eine Geschichte, die so unglaublich wie ergreifend ist. Die Geschichte eines Waisenkindes, das auf ganz besondere Weise zum alleinerziehenden Vater wird. Er ist vielleicht kein begnadeter Schreiber, aber er hat etwas zu erzählen.

Es ist ein bisschen wie bei seinen Kindern: Der Kommissar schenkt den Jungen nicht nur Vertrauen und eine Familie, er teilt auch die eine oder andere Weisheit mit ihnen: "Lebt euer Leben so, wie ihr seid, traut euch. Manchmal ist es das Einfachste auf der Welt, zu sich und zu seinen Entscheidungen zu stehen, wenn man es erst einmal gewagt hat." Sein Leben scheint dafür das beste Beispiel zu sein.

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Quelle: ntv.de

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