Alte Socken und Picasso Ich habe es getan!
09.06.2012, 08:46 Uhr
Hier sind eindeutig zu viel Tassen im Schrank.
(Foto: Giovanni Borea / pixelio)
Langsam reift ein Entschluss in mir heran, schon zu lange schwelt die Unruhe. Der Vorrat an Ausreden, es nicht zu tun, neigt sich dem Ende. Jetzt ist der Zeitpunkt da für einen harten Schnitt, auch wenn's weh tut. Wenn ich einmal frei wär', o je wi di wi di wi di wi di wi di wi di bum...
Ich habe nicht nur Rücken, ich habe auch Handwerker. Und davon jede Menge. Elektriker, Fußbodenleger, Maler beherrschen das Terrain; ich bin raus. Die Hälfte der Wohnung ist leer geräumt, das "Räumgut" wurde entweder von der Sperrmüllabfuhr abgeholt oder in den Rest der Wohnung gepresst. Wenn die neuen Möbel da sind, muss rückgeräumt werden - und ich stelle mir schon jetzt die Frage: Habe ich genügend Ballast abgeworfen?
Nur etwa 20 Prozent unserer Besitztümer benutzen wir oft und gern. Das heißt, dass die Wohnung zu 80 Prozent von Ballast blockiert wird. Studien besagen, dass wir täglich eine Stunde damit verschwenden, nach Dingen zu suchen. "Es gibt keine Tugend im Wegwerfen und keine im Behalten, aber es gibt einen sinnvollen Umgang mit den Dingen, die ich besitze", sagt der Psychoanalytiker Dr. Wolfgang Schmidbauer. "Wenn ich nicht mehr weiß, wo sie sind und ob ich sie noch habe oder nicht, ist es so, als ob ich sie nicht hätte." Ich hatte beim Entrümpeln jedenfalls etliche Überraschungsmomente.
Mehr Raum zum Atmen
Entrümpeln bedeutet inneres Loslassen; das ist ein schmerzhafter Prozess, der aber letzten Endes auch etwas Befreiendes hat. Zwar muss man sich erst an den neuen Zustand von Wohnung und Ego gewöhnen, doch später weiß man den Gewinn zu schätzen.
Wissenschaftler empfehlen, regelmäßig zu entrümpeln. Wer Platz im Kleiderschrank und im Kellerregal schafft, werde spüren, dass er "auch in anderen Bereichen wieder durchatmen kann", sagt Psychologe Dr. Werner Ehrhardt.
Entrümpeln heißt auch, die innere Unordnung zu überwinden. Trennt man sich endlich von den gehorteten leeren Marmeladengläsern und den ausgeleierten Socken, macht Schluss mit dem stetig wachsenden "Zwischenlager" von Zeitungsausschnitten, Zeitschriften und Büchern, Zetteln mit Notizen und Aufgabenlisten - dann hat man den Blick frei um zu erkennen, dass möglicherweise die Beziehung, die Freundschaften, der Job nicht mehr richtig funktionieren, und man kann die Richtung ändern.
Schmidbauer warnt vor derartigen Zwischenlagern, sie "wachsen wie Schimmelpilze an den Grenzen von Arbeit und Freizeit". Menschen des Zwischenlagers "sind ständig damit beschäftigt zu suchen, was sie eben nur schnell irgendwohin gelegt haben". Ich gestehe, auch ich bin nicht frei von Zwischenlagern: Was wollte ich nicht alles nachholen, recherchieren, gründlich lesen an langen Winterabenden, verregneten Wochenenden, im Urlaub, in der Rente womöglich … Schmidbauer hat Recht: Zwischenlager klauen uns Zeit, denn die Stunden, die man mit Sortieren und Umschichten im Zwischenlager verbringt, sind unwiderruflich dahin und fehlen im Endeffekt bei Wichtigerem.
Was darf bleiben?
Vor allem ungeliebte und ungenutzte Dinge zapfen Energie ab, verbannt man sie endlich aus dem Leben, steigert das die Lebensfreude. Natürlich hat nicht alles, was sich im Laufe der Jahre so angesammelt hat an Urlaubsmitbringseln und Erinnerungsstücken, es "verdient", entsorgt zu werden. Die Lieblingstasse und das Kuschelkissen sollten schon bleiben dürfen, sie geben nämlich Kraft durch ihre Vertrautheit.
Es gilt, die Balance zu finden zwischen Wegwerfen und Behalten. "Wer ideologisch nicht fixiert in sich horcht, wird die Scham über das zu lange bewahrte Nutzlose ebenso finden wie die Reue über das voreilig entsorgte Nützliche", gibt Schmidbauer zu bedenken. Von Pablo Picasso erzählt man sich, dass er selbst die kleinsten Restaurantrechnungen per Scheck bezahlte - in der Hoffnung, dass die Bedienung den Scheck nie einlösen, sondern ihn behalten wird - die Unterschrift des Genies ist mehr wert als jeglicher Betrag auf dem Stück Papier. Das dürften dann jene "Zettel" sein, die nie entsorgt werden. Aber da macht es ja auch Sinn.
Auf die eigene Schulter klopfen
Hat man alles gut bewerkstelligt, neigt der Mensch dazu, sich selbst zu belohnen. Bei den Dauer-Diätern ist es der neue Pullover eine Nummer kleiner (der möglicherweise in einem halben Jahr wieder nicht mehr passt), bei Leseratten ein neues Buch, das den mühsam freigeschaufelten Platz im Regal bereits wieder schmälert. Da muss man mächtig aufpassen, dass nicht schon wieder Ballast angehäuft wird!
Für einen Restaurantbesuch tun nach der ganzen Plackerei mit dem Ballast die Knochen zu weh, zum Selberkochen ist man viel zu schlapp, allerdings stellt sich am Abend dann doch der Hunger ein. Für solche Gelegenheiten habe ich ein Rezept, das man gut vorbereiten kann, das nicht zu schwer im Magen liegt, aber dennoch schön satt macht. Und während das Essen im Ofen backt, hat man genügend Zeit, sich unter der Dusche oder in der Badewanne zu restaurieren:
Bunte Kräuterkartoffeln
1 kg festkochende Kartoffeln
1 Zucchini
2 rote Paprikaschoten
2 violette Zwiebeln
2 Knoblauchzehen
2 EL gehackte Basilikumblätter
2 EL gehackte Rosmarinnadeln
2 EL gehackte Oreganoblättchen
2 EL gehackte Thymianblättchen
1 Chilischote
5 EL Olivenöl
Meersalz, frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
Zubereitung:
Kartoffeln schälen, Gemüse putzen und alles grob würfeln. Vermengen und in eine Schüssel geben.
Den Knoblauch pressen, mit den Kräutern, der entkernten und fein gehackten Chilischote und dem Öl vermengen und über die Kartoffelmischung geben. Alles vorsichtig vermengen, die Schüssel gut abdecken und über Nacht kühl stellen.
Erst am nächsten Tag die Kartoffelmischung salzen und pfeffern. Nochmals vorsichtig mischen und alles auf ein Backblech geben. Im vorgeheizten Herd bei 200 Grad eine knappe Stunde goldbraun backen.
Viel Erfolg - natürlich auch beim Entrümpeln - wünscht Ihnen Heidi Driesner.
Quelle: ntv.de