Kino

"Das Märchen der Märchen" Jedes neue Leben fordert ein anderes

"Das Märchen der Märchen": Eine Frau erwacht aus einem Traum und nichts ist mehr, wie es war.

"Das Märchen der Märchen": Eine Frau erwacht aus einem Traum und nichts ist mehr, wie es war.

(Foto: 2015 Concorde Filmverleih GmbH)

Vor den Brüdern Grimm gab es "Die Märchen der Märchen" von Giambattista Basile. Drei seiner Geschichten kommen nun bildgewaltig ins Kino. Sie zeigen eine so magische wie verstörend brutale Welt.

Kunterbunte Märchen voller glücklicher Prinzessinnen und mit Happy End? Das gibt es nicht in "Das Märchen der Märchen". Der Film zeigt die gruselige und grausame Seite der Erzählungen. Er zeigt die Märchen so, wie sie ursprünglich erzählt wurden, bevor sie Disney in rosa Watte packte: gewalttätig und düster, aber immer wieder auch unglaublich magisch.

Die Königin von Longtrellis will ein Kind bekommen, deshalb verspeist sie das Herz eines Ungeheuers.

Die Königin von Longtrellis will ein Kind bekommen, deshalb verspeist sie das Herz eines Ungeheuers.

(Foto: 2015 Concorde Filmverleih GmbH)

Drei Erzählungen verknüpft Regisseur Matteo Garrone in "Das Märchen der Märchen". Sie alle entstammen dem gleichnamigen Buch des Italieners Giambattista Basile aus dem 17. Jahrhundert. Die einzelnen Teile, zwischen denen der Film hin und her springt, spielen in drei verschiedenen Königreichen und sind doch lose miteinander verknüpft.

Seeungeheuer und Floh

Die Königin von Longtrellis (Salma Hayek) wünscht sich ein Kind. Nach etlichen gescheiterten Ratschlägen der größten Ärzten vertraut sie dem Rat eines mysteriösen Fremden: Der König (John C. Reilly) soll ein Seeungeheuer erlegen, dessen Herz die Königin verspeisen soll. Doch die Tat beschwört Tod und Kummer herauf, denn nach den Worten des Fremden fordert jedes neue Leben ein anderes.

Der König von Strongcliff genießt das Leben, dann verfällt er einer geheimnisvollen Frau.

Der König von Strongcliff genießt das Leben, dann verfällt er einer geheimnisvollen Frau.

(Foto: 2015 Concorde Filmverleih GmbH)

Der König von Strongcliff (Vincent Cassel) denkt nicht an Kinder, während er sich mit den Frauen seines Reiches vergnügt. Doch eines Tages entdeckt er vom Turm seiner Burg aus eine Frau, die er noch nicht kennt. Sofort umwirbt er sie. Doch er weiß nicht, worauf er sich einlässt, denn die Frau und ihre Schwester sind nicht die, für die sie der König hält. Doch sie spielen sein Spiel auf ihre Art mit.

Schließlich gibt es noch den König von Highhills (Toby Jones), der ein karges, wüstes Land regiert. Abwechslung bietet ihm ein Floh, den er wie ein Haustier hält. Darüber vergisst er seine Tochter, die das Hofleben satt hat und von einem Prinzen träumt. Als der König bei einem Wettstreit die Hand seiner Tochter einsetzt, könnte sie es schlimmer nicht treffen.

Der König von Highhills gibt seine Tochter in die Hände eines grausamen Wesens.

Der König von Highhills gibt seine Tochter in die Hände eines grausamen Wesens.

(Foto: 2015 Concorde Filmverleih GmbH)

Regisseur Garrone setzt in seiner Verfilmung vor allem auf sorgsam choreografierte und ausdrucksstarke Bilder. Kameramann Peter Suschitzky ("Das Imperium schlägt zurück", "A History of Violence") fängt dazu epische Landschaften ein, leuchtend grüne Wälder, düstere Höhlen und mächtige Burgen, die wie aus der Zeit gefallen scheinen. Diese Bilderpracht erinnert an Filme wie Guillermo del Toros "Pans Labyrinth" oder an Tarsem Singhs "The Fall", kommt jedoch nur selten an deren verspielte Originalität heran.

Begierde und Wahnsinn

Stattdessen stellt Garrone altbekannte Märchen-Stereotype in einem neuen Licht dar. Denn natürlich denken viele mittlerweile bei Märchen an Traumprinzen und Happy End. Hier jedoch verzweifelt die Königin an ihrer Kinderlosigkeit, verliert sich ein König in seiner sexuellen Begierde und gerät ein anderer an den Rand des Wahnsinns. "Das Märchen der Märchen" findet für diese düsteren Themen eine oft verstörende Bildsprache, etwa wenn die Königin das Herz des Ungeheuers verspeist oder die beiden Frauen auf die Avancen des lüsternen Königs reagieren. Entziehen kann man sich dem dann aber doch nicht.

Denn Garrone nimmt den Märchen ihre Unschuld und entblößt sie bis zu ihrem Innersten: dem archaischen Überlebenskampf, dem Dualismus von Leben und Tod. Die Protagonisten, so mächtig sie auch sein mögen, sind magischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen, die wenig Gnade kennen. Keine Tat bleibt hier ohne Folgen. Diese unumstößliche Ordnung erinnert von Ferne an Garrones preisgekrönten Mafiafilm "Gomorrah", der ebenfalls von einer archaischen, brutalen Gesellschaft handelt. Dessen moralische Relevanz fehlt seinem neuen Film allerdings. "Das Märchen der Märchen" verleiht seinen Bildern leider zu wenig Tiefe, der schöne Schein überwiegt.

Die Schauspieler allerdings haben sichtbar Freude an ihrer Darstellung: Salma Hayek verzieht keine Miene als kühle, strenge Königin, die für ihren Sohn alles gibt. Vincent Cassel ist großartig als so galanter wie lüsterner König, der bald schon nicht mehr Herr seiner Sinne ist. Vor allem aber Toby Jones überzeugt als verspielter Herrscher, der sein Königreich für einen Floh hergibt. Sie alle verfallen jenen menschlichen Abgründen, die ursprünglich in vielen Märchen zu finden waren. Bevor Disney daraus kitschige Sorglosunterhaltung machte.

"Das Märchen der Märchen" startet am 27. August in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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