Heißer "Labor Day" für Kate Winslet Nimm mich! Als Geisel!
07.05.2014, 12:46 Uhr
Frank (Brolin) nimmt Adele (Winslet) und ihren Sohn als Geiseln.
(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Frank's Pie Company LLC.)
Ein Ausbrecher nimmt eine Mutter und ihren Sohn als Geiseln. Er verschanzt sich in ihrem Haus, fesselt sie und - die Liebe kommt ins Spiel. Kaum zu glauben? Ja! Selbst Kate Winslet und Josh Brolin können diesen Film nicht retten.
Nick Naylor ist ein so schmieriger wie fieser Lobbyist der Tabakindustrie, Juno ein so altkluger wie schwangerer Teenager. Ryan Bingham ist ein so redegewandter wie einsamer Vielflieger und Mavis Gary ein so orientierungsloser wie hämischer Single.

Frank hat Adele an einen Stuhl gefesselt - die Geiselnahme wird zum erotischen Spiel.
(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Frank's Pie Company LLC.)
Keine dieser Figuren ist ein Engel, aber unter der Regie von Jason Reitman werden alle zu sympathischen Menschen, denen man ihre Schwächen allzu gern verzeiht. Mit "Thank you for Smoking", "Juno", "Up in the Air" und "Young Adult" - aus denen jene Figuren stammen - hat Reitman kleine Kinoperlen vorgelegt, die vor Witz, Empathie und Starpower (Aaron Eckhart, Ellen Page, George Clooney, Charlize Theron) nur so strotzen.
Nun folgt mit "Labor Day" Reitmans neueste Regiearbeit, eine Verfilmung des Romans "Der Duft des Sommers" von Joyce Maynard. Wieder nimmt er sich gebrochener Figuren an, diesmal aber mit einem nostalgischen Touch, denn der Film spielt im Jahr 1987. Adele Wheeler (Kate Winslet) ist eine alleinerziehende Mutter. Depressiv und verängstigt verkriecht sie sich in dem Haus am Rande einer kleinen Stadt. Sie liest viel, für viel mehr reicht ihre Kraft nicht.

Frank holt Adele aus ihrer Lethargie heraus.
(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Frank's Pie Company LLC.)
Bei einer der seltenen Shopping-Touren mit ihrem Sohn Henry (Gattlin Griffith) werden sie jedoch wie zufällig von Frank Chambers (Josh Brolin) als Geiseln genommen. Unbemerkt von anderen Menschen zwingt er die beiden, mit ihm zu ihrem Haus zu fahren. Frank, der eine Blinddarm-Operation zur Flucht aus dem Gefängnis genutzt hat, sucht ein Versteck.
Gewalt und Zärtlichkeit
Diese Konstellation - die Geiselnahme einer Familie in ihren eigenen vier Wänden - ist nicht neu. "An einem Tag wie jeder andere", einer der letzten Filme mit Humphrey Bogart, spielt sie durch, genau wie das Remake "24 Stunden in seiner Gewalt" mit Anthony Hopkins und Mickey Rourke. Auch "Funny Games" von Michael Haneke (der auch eine US-Version drehte), "Trespass" und "Panic Room" warten mit ähnlichen Storys auf.

Gerade noch im Würgegriff, ...
(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Frank's Pie Company LLC.)
Immer zerbricht von einem Moment zum nächsten die heile Welt der Protagonisten, ihr Leben hängt plötzlich am seidenen Faden. Auch Adele und Henry sind zunächst geschockt. Auch wenn Frank nicht sehr brutal auftritt, erfahren sie doch bald, warum er im Knast saß: Er wurde wegen Totschlags an seiner Frau verurteilt. Wie Rückblenden offenbaren, starb zudem das einjährige Kind.
Frank jedenfalls gedenkt nicht, das Haus schnell wieder zu verlassen. Schließlich ist Labor Day - es gibt drei freie Tage am Stück und was ist sicherer als ein abgelegenes Haus? Doch so brutal, wie er tut, ist Frank nicht. Außerdem ist es Anfang September, es ist heiß und Adele und der Geiselnehmer kommen sich langsam näher - die Angst weicht Gefühlen füreinander. Schließlich planen sie, gemeinsam nach Kanada zu ziehen. Nur Henry ist hin- und hergerissen zwischen dem neuen Lebensmut seiner Mutter und der aufkeimenden Liebe zu einer Mitschülerin. Und die Polizei (u.a. James Van Der Beek) ist auch nicht untätig.

... schon backt man gemeinsam Pfirsichkuchen.
(Foto: MMXIV Paramount Pictures Corporation and Frank's Pie Company LLC.)
Romanze statt Thriller - das ist natürlich eine ganz andere Herangehensweise an eine Geiselnahme. Und sie misslingt. Zu schroff werden Gewalt und Zärtlichkeit nebeneinandergestellt, als dass die aufkeimende Liebe glaubwürdig sein würde. Sie wird vielmehr überzeichnet, der Film driftet in einen unfreiwilligen Humor ab. So entstehen eigenartige Assoziationen: Frank fesselt Adele an einen Stuhl, schon sprühen die Bondage-Funken. Und statt sich zu verstecken, bewegt er sich schließlich offen auf dem Grundstück.
Atmosphärische Bilder
Besonders deutlich wird diese Unausgewogenheit aber, als Frank Adele im Würgegriff hält, weil überraschend ein Nachbar vor der Tür steht und einen Eimer frisch geernteter Pfirsiche vorbeibringt. Schon im nächsten Moment backen Adele, Henry und Frank fröhlich einen Kuchen aus den Früchten. Wie da alle drei mit ihren Händen den feuchten Teig kneten - das erinnert an die berühmte Apfelkuchen-Szene aus "American Pie", nur das die sexuelle Anspielung hier nicht so satirisch gemeint war, wie sie wirkt.
Dass der Film nicht vollkommen im Kitsch versinkt, verdankt er einzig den Schauspielern. Winslet ist gut, Brolin noch besser und Griffith, aus dessen Perspektive der Film erzählt ist, überzeugt als schüchterner Jugendlicher, der bereits in jungen Jahren sehr viel Verantwortung für seine Mutter übernehmen muss. Und noch eine Trumpfkarte spielt Reitman aus: Wie schon in seinen früheren Filmen zeichnet er im Hintergrund ein liebevolles Zeitporträt, diesmal der 1980er-Jahre im ländlichen Amerika. Schade, dass die gelungenen, atmosphärischen Bilder durch eine unglaubwürdige Handlung an Wert verlieren. Wer sich trotzdem das Herz erweichen lassen will, sollte dann aber auch Taschentücher bereithalten.
"Labor Day" startet am 8. Mai in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de