Von Fliegenhosen, Kackhaufen und Idioten Sturzflug mit Oliver Kalkofe
30.08.2013, 14:55 Uhr
Multiple Persönlichkeit - nicht nur im Disney-Streifen "Planes": Oliver Kalkofe.
(Foto: Kurt Krieger / Disney)
Er ist der "Fernsehpolizist". Doch kann man Oliver Kalkofe nicht nur sehen, sondern auch hören. Zum Beispiel im neuen Animationsabenteuer "Planes". Grund genug für ein n-tv.de Gespräch mit ihm - über Flugzeuge, Disney und Pixar ebenso wie über schlechte Filme, das "Dschungelcamp" und den ganzen "Scripted-Reality-Pseudo-Doku-Dreck".
n-tv.de: Sie verleihen in "Planes" dem Franz Fliegenhosen Ihre Stimme. Ein Deutscher mit einer leicht gespaltenen Persönlichkeit - halb Auto, halb Flugzeug. Was erkennen Sie denn von Ihnen selbst in der Figur wieder?
Oliver Kalkofe: Oh, eine Menge. Ich glaube, jeder kennt diese zwei Seiten in sich. Und ich ohnehin - wobei es bei mir inzwischen schon eher in die Richtung von hunderten Persönlichkeiten tendiert. Bei 2000 Clips und Hunderten von Figuren und Charakteren, die ich verkörpert habe, weiß ich manchmal selber nicht mehr, wer ich bin. Und natürlich bin ich zu Hause anders als im Fernsehen. Zum Glück! (lacht)

Im Deutschen wie im Englischen sind Kalkofe und sein Charakter auf Du und Du.
(Foto: Kurt Krieger / Disney)
Tatsächlich sprechen Sie die Figur des Franz Fliegenhosen nicht nur in der deutschen Übersetzung, sondern auch in der englischen Originalfassung. Wie kam es dazu?
Das war unglaubliches Glück, über das ich mich wirklich riesig freue. In Amerika neben John Cleese und anderen auf der Leinwand zu hören zu sein, ist schon echt super. Das kam so: Als sie in den USA daran gingen, den Film zu machen, gab es zunächst einen amerikanischen Sprecher. Das Problem aber ist: Wenn Amerikaner Deutsch sprechen, klingt das immer ein bisschen wie ein Nazi. Sie kennen die deutsche Sprache nun mal fast nur aus den ganzen alten Kriegsfilmen oder Serien wie "Hogan's Heroes". Um diese Verbindung mit Militär oder Zweitem Weltkrieg zu vermeiden, entschied man sich, es mal mit deutschen Sprechern zu versuchen. Dann gab es ein Casting …
Sie haben an einem ganz normalen Casting teilgenommen?
Ja. Sie kannten mich in den USA natürlich nicht - und tun es noch immer nicht. (lacht) Aber wie ich das gemacht habe, hat ihnen gut gefallen. Anfangs sollte ich eigentlich nur eine der beiden Persönlichkeiten von Franz Fliegenhosen sprechen. Dann hieß es, ich solle beide machen. Und schließlich habe ich dann auch noch alle möglichen Geräusche und deutschen Zwischenrufe gemacht, die sie für den Teil brauchten, der in Deutschland spielt. Das heißt: Im Film bin ich "The Voice Of Germany".
In "Planes" liefern sich die Flugzeuge ein rasantes Rennen um die Welt. Haben Sie selbst einen Bezug zur Fliegerei?
Nein - außer dass ich beruflich viel fliege. Und dass ich Fliegen, wenn es nett und bequem ist, äußerst entspannend finde. Das ist für mich immer der Moment, auszuruhen. Ich schlafe sofort ein, wenn der Flieger hochgeht. Aber ich habe nie daran gedacht, womöglich einen Flugschein zu machen. Ich bin schon so ein schlechter Autofahrer.
Dabei haben Sie auch schon bei "Cars" eine Synchronrolle übernommen - so wie bei diversen anderen Filmen. Welchen Stellenwert haben für Sie die Synchron-Arbeiten?
Sie sind deswegen schön für mich, weil sie mich ein wenig daran erinnern, wie alles angefangen hat - beim Radio. Bei der Radio-Comedy hatte man eben auch nur die Stimme, um mit ihr schöne Sachen zu machen. Vor der Kamera zu spielen, ist zwar auch nett, aber zugleich anstrengend. Wenn die Optik nicht stimmt, kann man vieles nicht gut rüberbringen. Vor dem Synchronisieren hatte ich immer großen Respekt. Inzwischen habe ich aber ja so viel gemacht und auch für "Little Britain" und "OSS 117" die Synchronbücher geschrieben, dass ich mich darin sehr wohl und sicher fühle und wahnsinnigen Spaß daran habe.
Anders als "Cars" und auch "Cars 2" ist "Planes" kein Pixar-Film, sondern stammt aus den "Disney Toon Studios". Man hört schon die Kritiker aufjaulen, die das Fehlen der Pixar-Handschrift bemängeln …
Ehrlich gesagt, war mir das Ganze lange gar nicht bewusst. Man denkt ja zunächst, es sei ein Pixar-Film, eben weil die Geschichte aus deren Welt kommt. Die Verschmelzung mit Disney habe ich erst irgendwann ganz am Ende mitbekommen. Aber was soll's?! Ich finde diese Aufschrei-Nummern immer ein bisschen nervig. Die Leute meckern inzwischen auch so gerne: "Ey, das ist nicht Pixar, das kann ja nur scheiße sein." Oder: "Ah, das ist ja 3D. Ich kann kein 3D mehr sehen." Irgendetwas gibt es immer. "Ben Affleck, den Arsch, kann ich auch nicht mehr sehen. Und der wird jetzt 'Batman'." Auch da denke ich mir: Ja, er war in "Daredevil" scheiße, aber er hat sich ja nun auch verändert. Wartet doch mal ab!
Früher war ja für viele ohnehin alles besser. Wie ist das denn aus Ihrer Sicht beim Fernsehen? Hat sich das, seit Sie mit "Kalkofes Mattscheibe" in den 90ern angefangen haben, gebessert, verschlechtert oder ist es gleichgeblieben?
Da muss ich ganz klar sagen: Es ist wirklich viel, viel schlechter geworden - so traurig das auch ist. Aber über einen so großen Bogen von jetzt 20 Jahren kann man es wirklich deutlich sehen. Vor 10 oder 15 Jahren war der ganze Tag noch voll mit seltsamen Gameshows wie "Glücksrad" oder "Der Preis ist heiß". Die waren alle bekloppt! Aber heute reden wir über sie schon als Klassiker der Fernsehgeschichte und würden uns freuen, wenn der Mist wiederkäme, nur damit endlich dieser Scripted-Reality-Pseudo-Doku-Dreck verschwindet. Wie schlimm es inzwischen geworden ist, ist schon bedenklich.
Inwiefern?
Bis vor etwa zehn Jahren hatte das alles ja noch einen gewissen Charme. Aber inzwischen ist es zynisch, menschenverachtend, boshaft, herzlos und verantwortungslos geworden. Aus dem bisherigen Gefühl, dass sie uns für ein bisschen blöd halten und verarschen, ist der Wahnsinn geworden, dass sie uns wirklich nur noch für bescheuert halten und als Zuschauer auch wirklich verachten. Das ist wie Leuten vor die Füße kacken.
Das sind schon ziemlich harsche Worte …
Ja, aber ich kann an diesen scheiß Scripted-Reality-Sachen wirklich noch nicht mal ein Prozent Positives finden. Es ist wirklich grauenhaft und nichts, was mit Fernsehen zu tun hätte. Das sind keine Schauspieler. Es gibt keine Autoren, keine Regie, kein Kostüm, keine Maske, kein Set, gar nichts. Man fängt Leute von der Straße, die irgendwie schräg aussehen, und sagt zu ihnen: Du spielst jetzt einen richtigen Idioten. Damit es möglichst nichts kostet, dreht man dann auch noch gleich bei ihnen zu Hause, lässt sie laufen und löst den Rest lieblos zusammengeschustert im Schnitt. Und niemand, der das macht, möchte es sehen. Wenn man mit den Leuten aus den entsprechenden Redaktionen spricht, dann lachen die sich über die Zuschauer kaputt, die den Scheiß gucken - weil sie es müssen.
Weil sie es müssen? Sind wirklich die Macher schuld oder nicht doch das Publikum, das sich die Sachen nur allzu bereitwillig anschaut?
Das ist die alte Henne-Ei-Frage. Man weiß es nie ganz genau. Aber ich würde schon so weit gehen, dass ich sage: Die Macher sind mehr schuld. Der Zuschauer kann nun einmal nur aus dem wählen, was es gibt. Und im laufenden Fernsehen kommt ja beinahe nur noch so etwas. Es gibt Menschen, die auf das laufende Fernsehen angewiesen sind oder sich nicht anderweitig kümmern können oder wollen. Und sie bekommen eben erst einmal das vorgesetzt - es ist ja nicht so, dass die ganzen Dreckssendungen später zu Hits in den Mediatheken oder auf DVD würden. Aber selbst wenn die Sachen im Fernsehen nur mittelmäßig laufen, rentieren sie sich für einen Sender schon, weil sie so billig sind, dass am Ende ein Plus steht. Die Sender haben damit einfach nur auf die Finanzkrise reagiert. Das hat nichts mit Inhalt zu tun.
Aber nehmen wir zum Beispiel mal ein Format wie "Berlin Tag und Nacht". Darum gibt es doch einen echten Hype und manche Jugendliche werden gar zu regelrechten Fans der Darsteller …
Das schockiert mich auch, wenngleich das die einzige derartige Sendung ist, die mit ihren Ablegern heraussticht. Ich muss zugeben, dass ich es nicht verstehe. Ich kenne ein paar Jugendliche um die 20, die das gucken. Sie sagen, sie fänden es so scheiße, dass sie daran schon wieder ihren Spaß hätten. Ich erinnere mich, dass das für mich früher bei der "Lindenstraße" oder "Dallas" eventuell zum Teil genauso war. Da wusste man auch, dass es irgendwie bescheuert ist - aber es machte trotzdem Spaß. Nur finde ich, "Berlin Tag und Nacht" macht keinen Spaß. Aber vielleicht ist es lustig, wenn man so abgestumpft und mit dieser Art von Fernsehen aufgewachsen ist, die scheiße aussieht, keine richtige Geschichte hat und von prolligen Idioten gespielt wird. Vielleicht ist das dann der Kackhaufen mit Sahne darauf.
Das typische Beispiel, an dem sich die Geister bei der Frage "Kunst oder Mist" scheiden, ist das "Dschungelcamp". Wie stehen Sie dazu?
Ich gestehe immer gerne, dass das "Dschungelcamp" mein "guilty pleasure" ist. Das gucke ich mir wirklich gerne an und bin auch live dabei. Dieses Jahr habe ich die Folgen komplett auf Facebook kommentiert und hatte dabei Riesenspaß. Ich sehe mich ja als Fernsehpolizei. Und für mich sind dort die Verhafteten, die in den offenen Vollzug geführt werden. (lacht) Hier ist es immer der Mix, der es macht - aus Leuten, die man gar nicht kennt, die man vergessen hat und einem Mittelfeld dazwischen. Sie alle wollen sich dort profilieren und zeigen, wie cool sie eigentlich sind. Nur in so einer Extremsituation funktioniert das eben nicht. Zudem ist das "Dschungelcamp" handwerklich wirklich gut gemacht - von den Moderationen bis zum Schnitt.
Es gibt aber doch inzwischen eine Reihe weiterer Sendungen, die nach ähnlichen Prinzipien funktionieren …
Ja, aber auch hier ragt mit dem "Dschungelcamp" nur eine Sendung heraus. All die nachgemachten Formate machen es schlechter. "High Heels", "Reality Queens", "Die Alm", "Die Burg" oder wie sie alle heißen, finde ich grauenhaft. Vielleicht ist das ja bei mir mit dem "Dschungelcamp" wie bei anderen mit "Berlin Tag und Nacht". Ich weiß, dass es Schrott ist und man es eigentlich nicht gucken sollte - aber ich habe trotzdem Spaß daran. (lacht)
Bei Tele 5 präsentieren Sie seit Juli "Die schlechtesten Filme aller Zeiten" ...
Ja, die Idee kam mir bei dem Gedanken: "Hey, Tele 5 zeigt so viele schlechte Filme - warum geht man damit nicht mal offensiv um?" (lacht) Man muss so etwas ja nicht immer verstecken. Man kann das auch mit Stolz machen. Mit dieser Sache bin ich gerade sehr happy, weil das so eine Spaßnummer war, von der keiner wusste, ob sie funktionieren würde.
Was ist denn Ihrer Ansicht nach nun wirklich der allerschlechteste Film?
Das ist echt schwer. Bei Filmen ist das ja immer eine sehr persönliche Sache. Ich habe gerade erst bei Facebook gefragt, welche Filme die Leute im Falle einer zweiten Staffel gerne sehen würden. Da kamen dann Vorschläge wie "Twilight". Klar, viele Menschen hassen diese Filme. Aber andere wiederum lieben sie und drehen dabei durch. Sofort einfallen würde einem natürlich jemand wie Ed Wood, quasi die Ikone des schlechten Films. (lacht) Man weiß, dass er ein Filmemacher von ganzem Herzen war, aber halt leider nichts konnte. Ich finde, einen richtig schönen schlechten Film macht aus, dass er noch ein bisschen Spaß macht. So wie "Supershark", in dem ein Riesenhai gegen einen laufenden Panzer kämpft, der ihm in die Fresse tritt. Oder der letzte Film, den wir in der Reihe haben werden: "Mega Piranha". Da werden Riesen-Piranhas immer größer. Am Ende springen sie aus dem Fluss in Häuser. Und einer von ihnen holt einen Hubschrauber vom Himmel. Das ist so kacke. Großartig!
Andersherum gefragt: Welche Filme finden Sie wirklich gut?
Das ist genauso schwer, jeder findet andere Filme gut. Warum einen ein Film berührt, kann man nie so richtig erklären. Das ist wie bei einem Song. Es gibt ja auch Filme, von denen man weiß, dass sie eigentlich schlecht sind, die man aber trotzdem toll findet und immer wieder gerne anschaut. Und dann gibt es Filme, bei denen ich mir, wenn ich sie öfter angucke, nur noch "Wow" denke. Filme, bei denen andere vielleicht sogar sagen, dass sie scheiße sind, aber bei denen man erkennt, wie und was da alles stimmt.
Zum Beispiel?
Eben zum Beispiel bei den animierten Filmen. Wenn man etwa sieht, wie viel Mühe man sich da gibt, allein so eine kleine Sprechrolle wie den Franz Fliegenhosen zu besetzen, erkennt man, dass sich da Leute richtig Gedanken machen. Oder nehmen wir Quentin Tarantino mit "Django Unchained". Tarantino macht so irrsinnige Sachen, über die man sicher auch viel und lange diskutieren kann. Aber er macht das.
Haben Sie einen Lieblingsfilm?
Für mich persönlich ist und bleibt das "Die üblichen Verdächtigen". Der Film hat mich vor knapp 20 Jahren im Kino total gepackt. Die Atmosphäre, die Stimmung, die Schauspieler, die Musik, der Schnitt - da fügt sich einfach alles zusammen. Und das war der erste Film mit einem richtigen Twist. Ich wusste nicht, was auf mich zukommt. Das war für mich: Wow, Wahnsinn!
Wahninnig freuen würden sich manche sicher auch über einen dritten Teil der "Wixxer"-Reihe. Sie haben einmal gesagt, es sei nicht sicher, was eher fertig sein würde - "Triple WixXx" oder der neue Berliner Flughafen. Gibt es denn mittlerweile schon eine Entscheidung in diesem Rennen?
Also, nach den neuesten Meldungen vom Flughafen haben wir wieder eine Chance. (lacht) Wir sind wirklich dabei und ich werde gerade in den nächsten Wochen ganz intensiv daran arbeiten. Der momentan letzte feststehende Plan ist, dass wir Anfang nächsten Jahres drehen. Entweder das oder es wird gar nichts - eine Teileröffnung wird es bei uns nicht geben.
Möglicherweise fliegt Ihnen allen aber auch die Fortsetzung von "Planes" davon. Die soll es ebenfalls bereits 2014 geben. Wären Sie wieder mit an Bord?
Ja, natürlich. Ich wäre zudem für ein Franz-Fliegenhosen-Spin-Off, weil ich das den spannendsten Charakter finde. Auch da wäre ich sofort dabei.
Mit Oliver Kalkofe sprach Volker Probst
"Planes" läuft ab 29. August in den deutschen Kinos.
Quelle: ntv.de