Musik

Heino, die ewige Sonnenbrille Volksmusik ist nicht genug

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(Foto: obs)

Fast tausend produzierte Lieder, 50 Millionen verkaufte Tonträger, ein Bariton zum Niederknien und das "ganz große Ding". Ein Leben für die Volksmusik. Heinz Georg Kramm, besser bekannt unter dem Namen Heino, wird 75.

Es gibt drei Gestalten, die mir als Kind so sehr Angst machten, dass mir das Blut in den Adern gefror: Graf Zahl von der Sesamstraße, Gargamel von den Schlümpfen und Heino, der von Großeltern verehrte Volksmusik-Star. Diese Angst verlief sich erst mit einer Szene aus "Otto - Der Film", als Horden von Zombie-Heinos, in einer Parodie auf Michael Jacksons Musikvideo "Thriller", ihrer Gruft entstiegen und hölzern über einen nächtlichen Friedhof stolperten. Dazu schmetterten sie allesamt inbrünstig "Schwarzbraun ist die Haselnuss“ über den Totenacker. Nicht nur ich lag wegen der gruseligen Alter Egos eines Mannes, von dem ich nicht viel wusste, außer dass Omas Herz wild für ihn schlug, vor Lachen auf dem Boden. Wer war dieser Kerl hinter der großen schwarzen Brille eigentlich?

Heinos Karriere begann Mitte der 60er-Jahre. Wegen einer Krankheit, die seine Augen nach außen drückt, im Fachjargon Morbus Basedow genannt, trägt er seit den 70ern seine markante Sonnenbrille. Es ist schwer, Zugang zu einem Menschen zu finden, dessen Augen man nie sehen kann. Der große Volksmusikant aber machte aus diesem Manko - das er inzwischen längst überwunden hat, denn seine Krankheit ist geheilt - (s)ein unverwechselbares Markenzeichen. Heino ist die Brille. Diesem Umstand ist es vermutlich auch geschuldet, dass er der einzige Deutsche ist, der auf dem Konterfei im Personalausweis eine Sonnenbrille tragen darf. Der zuständige Beamte soll in diesem Zusammenhang nur gesagt haben: "Man würde ihn ohne Brille sowieso nicht erkennen".

Seit der aus Düsseldorf stammende Sänger mit seinem ersten Hit "Jenseits des Tales" die Muttis wuschig machte, ist sein Erfolg ungebrochen. "Die ersten 47 Jahre (meiner Karriere) waren ja genauso erfolgreich", antwortete Heino kürzlich auf die Frage nach seinem aktuellen Erfolg. So, als stünden jetzt die nächsten 47 Jahre an. "Nur, im volkstümlichen Bereich nimmt man das nicht so wahr".

Dessous, Höschen und BHs

Der "Marilyn Manson der Volksmusik" - ein Titel, den sich der Barde nach seinem Cover-Versionen-Album "Mit Freundlichen Grüßen" regelrecht verdient hat - war über die Jahrzehnte immer irgendwie präsent: gemocht, verehrt, gehasst oder einfach geschickt ignoriert. Die dunkle Brille, eingerahmt von einer blonden Mähne, ist ein Markenzeichen, das weit über die Grenzen der Volksmusik bekannt geworden ist.

Gängige Titel wie "Blau blüht der Enzian" oder "Die schwarze Barbara" haben sich kollektiv ins Bewusstsein einer ganzen Nation gebrannt. Die Musik des Schlagerstars hat Ohrwurm-Charakter und erreicht viele, auch diejenigen, die sie gar nicht hören wollen. Die Volksmusik-Ikone genießt im deutschsprachigen Raum einen Bekanntheitsgrad von über 90 Prozent. Das muss man erst mal hinkriegen!

Obwohl Heino alles erreicht hat, wollte er auf seine alten Tage noch mal ein "ganz großes Ding" machen. Und setzte Anfang dieses Jahres zum Graus einiger Musikfreunde dieses "Ding" auch in die Tat um. Als er im Februar 2013 mit Cover-Versionen von den Ärzten, Peter Fox, Rammstein und den Fantastischen Vier den Musikmarkt aufmischte, lief man im ersten Moment Gefahr, einer spontanen Schnappatmung zu erliegen. Zu verwirrt war der Hörer von Heinos Stimme, die im gemütlichen Sound vom "Haus am See" und über den "hellsten Stern von allen" sang. Rammstein und Heino? Geht gar nicht! Erneut wurde das Ende des Abendlandes eingeläutet.

Viele Monate und einen "Wacken Open Air"-Auftritt, gemeinsam mit Rammstein, später, muss auch der eingefleischteste Heino-Hasser einsehen: Geht doch. Heino legte mit seinem Cover-Album einen der größten Treffer überhaupt hin und hat der deutschen Musik einen kräftigen Haken verpasst. "Ich habe innerhalb von einem Dreivierteljahr mein Publikum um 40 Jahre verjüngt. Das ist das Sensationelle daran", zieht der Enzian-Sänger Bilanz. Für Heino waren die Songs seiner rockigen und rappenden Musikkollegen nichts anderes als "Volkslieder einer jüngeren Generation". Sein neues Rocker-Image ziert er mit den Worten: "Früher habe ich viel Schokolade bekommen, Pralinen, Blumen. Heute bekomme ich Dessous, Höschen und BHs".

Heino - der blonde Poster-Opa

Während sich der eine oder andere Musiker noch von dem akustischen Schock erholen muss, bläst Heino bereits zum nächsten Angriff aufs Trommelfell. Denn er hat nicht vor, seine neue Rock-Karriere - nach eigenen Worten hat er in diesem Jahr jedenfalls 80 "Rockkonzerte" absolviert - schon wieder an den Nagel zu hängen. Ein weiteres Projekt ist in Planung. "Es soll wieder rockig werden. Ich wäre ja dumm, wenn ich da nicht weitermachen würde", so der Meister aller Musikklassen.

Wenn Heino nun am 13. Dezember 75 Jahre alt wird, ist er musikalische Brücke zwischen den Generationen - und polarisiert zugleich heute mehr denn je. Während einige Kritiker ihn einfach nur peinlich finden, loben andere den Mut, sich in seinem Alter noch einmal musikalisch umzuorientieren. Aber Heino wäre nicht Heino, wenn er auf die Worte der Kritiker hören würde. Er lässt die Fans entscheiden. Und so lange seine Musik gekauft und auf Partys gegrölt wird, gibt es keinen Grund, sich vom neuen Kurs abbringen zu lassen. Die Kinder von heute haben keine Angst mehr vor Heino. Für sie ist er ein Rock-Opa, der als Totenschädel mit Sonnenbrille und blonder Mähne von Postern und Covern grinst. Da ist Gargamel schon gruseliger.

Quelle: ntv.de

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