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"Männer sind ja nicht dumm" Vom Maulwurf zu Merida: Nora Tschirner

Vamp. Und Ulknudel. Und Rotzgöre. Und jetzt auch "Merida": Nora Tschirner.

Vamp. Und Ulknudel. Und Rotzgöre. Und jetzt auch "Merida": Nora Tschirner.

(Foto: Hanna Boussouar / Disney/Pixar)

Beim neuen Disney-Pixar-Film "Merida - Legende der Highlights" lohnt es sich, nicht nur die Augen, sondern auch die Ohren aufzuschließen. Schließlich verleiht keine andere als Nora Tschirner der Titelheldin die Stimme. Im Interview spricht Deutschlands liebste Rotzgöre über die Tücken der Synchronisation, das Leben mit Klischees, Poularde mit Eichhörnchen-Leber und darüber, was sie aber mal so richtig sauer macht.

n-tv.de: Du kommst gerade vom Essen. Was gab es denn Leckeres?

Nora Tschirner: Es gab sehr teures Essen aus dem Ritz-Carlton-Hotel - Poularde und … Eichhörnchen-Leber … nein, äh, hier: Kartoffelpüree und Spargel. War aber lecker. Ich weiß nur nicht, ob es ein 24-Euro-Essen war. Das muss das Ritz für sich entscheiden.

Animationsfilme wecken bei vielen Kindheitserinnerungen. Und bei dir? Hast du solche Filme früher auch geguckt?

(mit verstellter Stimme) Ich habe leider erst mit 17 Jahren zum ersten Mal vom Medium Film und Fernsehen von meinen Eltern gehört. Vorher habe ich nur Bücher gelesen … Nein, natürlich habe ich so etwas auch als Kind schon gesehen. Aber tatsächlich nicht so viel von Disney, weil … Osten, nicht wahr. Die amerikanischen Filme waren bei uns nicht am Start. Bei mir war das dann eher etwas wie "Der kleine Maulwurf". Und … "Der kleine Maulwurf". Und manchmal noch "Lolek und Bolek". Aber zu denen habe ich - anders als zum "kleinen Maulwurf" - keine besondere emotionale Verbindung.

Kennst du "Die rote Zora"?

Tschirner im Synchronstudio - zuvor hatte sie unter anderem auch schon mal bei "Asterix und die Wikinger" eine Sprechrolle.

Tschirner im Synchronstudio - zuvor hatte sie unter anderem auch schon mal bei "Asterix und die Wikinger" eine Sprechrolle.

(Foto: Hanna Boussouar / Disney/Pixar)

Nein. Aber war das nicht auch noch eher so 70er?

Ich würde auf Anfang der 80er tippen …

Da war ich noch mit meiner Entstehung beschäftigt! Also, nein, "Die Rote Zora" habe ich nicht verfolgt.

Ich frage das, weil es gewisse Parallelen zu "Merida" gibt …

Aha! Möchtest du hier etwa einen Plagiatsvorwurf loswerden?

Soweit würde ich nun auch wieder nicht gehen …

Gut, sonst würde ich das nämlich kurz an die Rechtsabteilung von Disney-Pixar weiterleiten. Gibt es da echt Parallelen? Das weiß ich natürlich nicht. Aber das kann sicher gut sein. Da lassen sich sicher auch noch andere Parallelen finden - zum Beispiel zu "Ronja Räubertochter". Diese Art von Wildfang ist ja schon immer wieder toll.

"Merida" ist der 13. Film aus der Pixar-Schmiede. Was ist denn dein bisheriger Pixar-Lieblingsfilm?

"Merida"! Ich bin natürlich sehr befangen. Aber von den Filmen davor, willst du wissen? Das kann ich nicht sagen. Ich habe übrigens auch noch immer nicht alle gesehen, wofür mich jetzt wahrscheinlich jemand von Pixar köpfen wird. Eigentlich bin ich von den Filmen schon begeistert. Mir fehlen nur noch ein paar, um dir diese Frage zu beantworten. Ich würde mich dann in vier Wochen bei dir zurückmelden.

Ein bisschen "Ronja Räubertochter", eine Prise "Rote Zora" - das ist "Merida".

Ein bisschen "Ronja Räubertochter", eine Prise "Rote Zora" - das ist "Merida".

(Foto: Disney/Pixar)

Pixar soll bei den Synchronisationen seiner Filme sehr penibel sein bei. Hast du das auch so empfunden?

Ja - und ich finde das super. Dass sie genau gucken, merkt man schon beim Auswahlverfahren. Für mich ist das natürlich toll. Wenn man dann genommen wird, weiß man schließlich, dass sie auch dahinterstehen.

Und danach?

Als wir schon relativ weit waren, kamen noch einmal Nachbesserungswünsche - ganze sieben Änderungsvorschläge! Die waren sehr präzise herausgesucht - nach dem Motto: (mit verstellter Stimme) "In diesen zwei Sekunden klingt deine Stimme etwas zu alt …" Für so einen Film habe ich etwa 500 Takes zu sprechen. Das hat mir natürlich ein echt gutes Gefühl gegeben. Ich würde jetzt wirklich ungern einen Disney-Pixar-Film versauen. Und wenn ich merke, dass die, deren Arbeit ich sehr bewundere, zufrieden sind, ist das super.

Im Original wird Merida von Kelly Macdonald gesprochen. Musstest du dich an ihr orientieren?

Was heißt: Musste? Ich habe großen Respekt davor. Wir sitzen sieben Tage da und synchronisieren das nach, woran sie beim Original ewig gefrickelt haben. Dort gibt es für die Sprecher ja eine ganz normale Set-Arbeit, in die jemand wie Kelly schon während der Entstehung des Films immer wieder eingebunden ist. Von daher bin ich sogar ganz doll darauf bedacht, mich an ihr zu orientieren, weil ich weiß: Jede Entscheidung, die Pixar, der Regisseur oder sie als Schauspielerin getroffen hat, ist durch einen riesigen Findungsprozess gegangen. Ich glaube so an das Original, dass ich so nah wie möglich herankommen will - wie bei der guten Übersetzung von einem Buch zum Beispiel.

Bist du überhaupt eine Freundin von Synchronisationen?

Ich finde das Thema generell ganz schwierig. Ich bin ein großer Fan von Originalfassungen. Aber gerade bei Animationsfilmen finde ich es völlig legitim, eine deutsche Fassung zu machen.

Was Tschirner so richtig auf den Geist geht? Regel-Pupser-Typen.

Was Tschirner so richtig auf den Geist geht? Regel-Pupser-Typen.

(Foto: dapd)

Im Original spricht Merida mit einem starken schottischen Akzent. Den gibt es bei dir nicht zu hören. Gab es denn Überlegungen, ob und wie man den Akzent in die deutsche Fassung übertragen könnte?

Bestimmt gab es die am Anfang - aber nicht mehr, als ich dazukam. Ich finde, man hat die Wahl: Wenn man diesen Flair haben will, kann man sich den Film im Original angucken. Oder aber man akzeptiert einfach, dass die deutsche Fassung sowieso keine richtige Entsprechung finden kann. Das ist nun mal ein schottischer Film. Wie sollte man das im Deutschen machen? Eigentlich müsste man da dann Schwiizerdütsch nehmen - das wäre vom Hochdeutschen ungefähr genauso weit entfernt wie das Schottische vom Englischen. Aber das ist doch irgendwie albern.

Es gibt viele Menschen, die es nicht leiden können, ihre eigene Stimme zu hören. Manche Journalisten zum Beispiel würden sich ihre Interviewfragen am liebsten im Nachhinein gar nicht mehr anhören. Wie geht dir das, wenn du synchronisierst?

Ich glaube, das ist Gewöhnungssache. Und ich glaube, das geht nicht nur Journalisten so. Ich weiß noch, wie es war, als Anrufbeantworter eingeführt wurden. Die wollten alle erst einmal als technische Neuerung am liebsten ignorieren, weil sie sich beim Anhören fast übergeben mussten. Bei mir gibt es natürlich eine Abnutzungserscheinung in Sachen Stolz - dadurch, dass ich bei MTV so viel auf Sendung war und so oft immer wieder meine eigenen Takes gesehen habe. Ich kann das total abstrahieren und habe da überhaupt keine Befindlichkeiten. Ich höre mich dann auch in dem Film nicht selbst, sondern nur, ob es funktioniert. Das ist ja die gleiche Sache, wenn es bei Schauspielern darum geht, sich anzugucken. Ich bin immer skeptisch, wenn Kollegen sagen, dass sie sich nicht sehen könnten. Da denke ich mir: "Wie wollt ihr denn dann jemals besser werden?"

Wie gehst du eigentlich mit Attributen um, die dir von Journalisten und Kritikern gern zugeschrieben werden? Der "Vamp" zum Beispiel …

Vamp ist geil! Da geh ich geil mit um.

Manchmal muss frau die Dinge eben einfach selbst in die Hand nehmen.

Manchmal muss frau die Dinge eben einfach selbst in die Hand nehmen.

(Foto: Disney/Pixar)

Oder die "Ulknudel" …

Und die "Rotzgöre" nicht zu vergessen.

Oder das "Girl next door". Interessiert dich, was über dich geschrieben wird?

Ich versuche natürlich, diesen Sachen gerecht zu werden - und mich wie ein Vamp zu verhalten … Nein, also, wenn man es liest, interessiert es einen schon. Mit der Zeit wird man im Umgang damit auch besser. Wenn ich zum Beispiel in Foren schaue und dort hämische Kommentare lese, fällt es mir mittlerweile relativ leicht, mir die Leute nackt auf dem Klo vorzustellen und mir zu denken: "Oh, na, hast du zu viel Zeit, musst du ein bisschen im Internet schreiben …"

Man härtet also ab …

Ja, man gewöhnt sich daran. Und ich erkenne das inzwischen auch sehr viel mehr als das, was es ist: ein soziales Spiel zwischen anderen Leuten, die sich austauschen wollen - über irgendwas. Das könnte Fußball sein - oder eben auch ich. Da denke ich mir: "Gut, wenn das jetzt so der kleinste gemeinsame Nenner ist, auf den man sich bei acht Bierchen einigen kann, bitte." Da stehe ich natürlich auch zur Verfügung. Und so ist das mit diesen Attributen auch. Als Geschäftsfrau - um es jetzt mal mit Paris Hilton und Kim Kardashian zu sagen - habe ich ab und zu so Marktforschungsmomente, in denen ich mich etwas einarbeite und gucke, wie gerade die Außenwahrnehmung ist. Aber ich würde jetzt nicht total hinterherrennen, das zu ändern.

Womit kann man dich denn so richtig sauer machen?

(überlegt) Weißt du, was mich neulich wirklich sauer gemacht hat: Ich komme mit einer Freundin aus meiner Tür. Wir wollen nach Schottland fahren - zu Disney. Da steht auf meinem 500-Meter-Bordstein der Taxi-Fahrer, der dort geparkt hat, weil er sonst den ganzen Verkehr blockiert hätte. Dabei hat er sich so halb auf den Bürgersteig gestellt und blockiert ein bisschen den Fahrradweg. Und jetzt steht da ein 60-jähriger Mann mit Fahrradhelm und fotografiert das Nummernschild! Der arme russische Taxifahrer, der total nett war, wusste überhaupt nicht, wie ihm geschieht … So Regel-Pupser-Typen, dieses Einmischen und oberschlaue Getue - das geht mir auf den Keks.

Zurück zu "Merida": In den USA hat man sich vor Filmstart etwas Sorgen gemacht, ob man auch die Männer davon überzeugen kann, sich den Film anzusehen. Warum sollten Männer das tun?

Na, weil es ein geiler Film ist. Und Männer sind ja nicht dumm. Verstehste?! Warum sollten die denn so doof sein, sich einen coolen Film entgehen zu lassen? Hat er dir denn gefallen?

Ja.

So. Und bist du ein Mann?

Ich glaube schon.

Und? Guckst du sonst immer nur "Sex and the City" und solche Sachen?

Du liebe Güte, nein ...

Dann haben wir dich doch jetzt schon mal als totales Fallbeispiel und können sagen: Daraus machen wir jetzt eine ganze Statistik. Aber im Ernst: Ich glaube so etwas nicht. Was ich glaube, ist, dass eine Geschichte gut ist oder nicht. Wenn früher im Neandertal alle am Lagerfeuer saßen und jemand eine gute Geschichte erzählt hat, dann haben alle zugehört - egal, ob Männer oder Frauen. So ist das mit dem Film auch. "Merida" ist einfach eine gute Geschichte mit sehr lustigen Charakteren. Es ist Humor im Spiel, meine Damen und Herren.

Mit Nora Tschirner sprach im Rahmen eines Gruppeninterviews Volker Probst

Der Disney-Pixar-Film "Merida - Legende der Highlands" läuft ab 2. August 2012 in den deutschen Kinos.

Quelle: ntv.de

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