Film und Serien

Oma Paulette bäckt Haschkekse Wenn die Rente mal wieder nicht reicht

Vito, Drogenboss der mittleren Führungsebene, lässt sich auf einen Deal mit Paulette ein - sie darf für ihn Haschisch verkaufen.

Vito, Drogenboss der mittleren Führungsebene, lässt sich auf einen Deal mit Paulette ein - sie darf für ihn Haschisch verkaufen.

(Foto: picture alliance / dpa)

An der Supermarktkasse: Na Oma, wollnse ne Tüte? Ach nee, danke, wenn ich kiffe, vergesse ich wieder alles ... Senioren und Drogen, das ist allemal Thema in Witzen. Oder in Komödien: Verarmte Seniorin im Sozialbau bessert ihre karge Rente mit dem Verkauf von Drogen auf. Ein Filmspaß mit ernstem Hintergrund.

Alterskriminalität? Kriminelle Jugendliche sind nichts Ungewöhnliches, aber Greise verbindet man eher mit Krückstöcken als mit Knarren. Zu langsam mit dem Rollator, um vor der Polizei zu fliehen. Zu zerbrechliche alte Knochen, um eine Schlägerei mit Komplizen auszuhalten. Genau das macht sich die 80-jährige Paulette zunutze - wer würde schon einer alten Dame zutrauen, dass sie in ihrer Handtasche neben dem Kohlkopf auch noch portionierte Haschischpäckchen mit sich herumträgt? Außer dem schnüffelnden Drogenhund kommt da niemand drauf ...

Der Polizist denkt sich nichts Böses, der Drogenhund geht nur nach Nase.

Der Polizist denkt sich nichts Böses, der Drogenhund geht nur nach Nase.

(Foto: picture alliance / dpa)

Und Paulette macht das nicht etwa schon seit ihrer Jugend, sie ist kein alt gewordener Junkie, der sich seinen Drogenkonsum mit Dealerei finanziert. Im Gegenteil - früher gehörten sie und ihr Mann zur gutsituierten Mittelklasse, mit einem schönen Haus und einer eigenen Konditorei. Bis ihr Mann erst ihr Hab und Gut versoff und sich selbst dann gleich noch mit. Nach seinem Tod (am 11. September 2001 - das historische Datum spielt durchaus eine Rolle im Film) folgt der totale soziale Abstieg, der Umzug in einen Pariser Vorort mit Sozialbau-Blöcken und schließlich sogar die Pfändung ihrer letzten noch einigermaßen wertvollen Habe wie Fernseher, Kommode, Stehlampe. Mietrückstände, Strom lange nicht bezahlt - da ist der Gerichtsvollzieher gnadenlos.

Fies und fremdenfeindlich

Hilfe tut not. Aber von wem? Mit ihrer Tochter will sie möglichst wenig zu tun haben, denn die ist mit einem Schwarzen verheiratet - und Paulette ist eine üble Rassistin. Dialog mit ihrem Enkel, der ihr zwangsweise zum Aufpassen übergeholfen wird: "Oma, warum kannst du mich nicht leiden?" "Weil du schwarz bist!" Und die "Schlitzaugen" mit dem Restaurant, wo einst ihre Konditorei war, bekommen erst ein bisschen Ungeziefer ins Essen gekippt und dann die Drohung mit einer Anzeige. Die Alte ist ein fieses Miststück, böse zu eigentlich allen. Beim Kampf um den Gemüseabfall hinterm Markt setzt sie schon mal Pfefferspray ein - und stolziert triumphierend mit dem welken Porreebündel davon.

Weiterbildung im Alter: Wie ist das eigentlich mit diesem Haschisch?

Weiterbildung im Alter: Wie ist das eigentlich mit diesem Haschisch?

(Foto: picture alliance / dpa)

Aber das reicht alles nicht für ein würdiges (Über-)Leben, es muss was passieren. Beim Wühlen im Müll kommt ihr der glückliche Zufall zu Hilfe: Ein kiloschweres Haschpaket, von Dealern auf der Flucht entsorgt, landet in ihrem Schoß. Und Paulette, nicht blöd, ergreift die Chance und das Päckchen, begibt sich zu dessen Besitzer, Unter-Drogenboss Vito, und schließt mit ihm einen Dealer-Deal: Sie verkauft für ihn das Zeug und bekommt 10 Prozent vom Erlös.

Paulette betritt Neuland

Die alte Dame ist zwar in solchen Dingen komplett unerfahren, aber geschäftstüchtig, bauernschlau und nicht auf den Mund gefallen. Und schließlich ist ihr Schwiegersohn ja Polizist - und da sie ihn nun braucht, kann sie auf einmal sogar darüber hinwegsehen, dass er schwarz ist … Und er freut sich über die plötzliche Annäherung mit der Schwiegermutter und ihr Interesse an seiner Arbeit.

Schließlich muss sie herausfinden: Was kostet Haschisch eigentlich? Wie verkauft man es, in welchen Formen, in welchen Mengen, zu welchen Gramm-Preisen? Mit dem neu erworbenen Insiderwissen stürzt sich die Seniorin unerschrocken in den Straßenhandel - und macht sich schnell Freunde unter den Käufern und Feinde unter den anderen Dealern. Denn die Leute kaufen gern bei ihr. Vor allem, als sie die geniale Idee hat, ihr neues Drogengeschäft mit ihrem alten Konditorwissen aufs Leckerste zu verbinden. Bald beglückt sie die halbe Stadt mit ihren Haschplätzchen und Spacecakes.

Die DVD zu "Paulette" ist bei Indigo/goodmovies erschienen.

Die DVD zu "Paulette" ist bei Indigo/goodmovies erschienen.

(Foto: Neue Visionen)

Und schwimmt im Geld. Der größte Fernseher wird gekauft, der Kleiderschrank neu gefüllt, Geschenke für den Enkel (den sie dann doch ganz gut leiden kann), sie hat die Haare schön … Friede, Freude, Haschischkuchen? Mitnichten. Denn die anderen Dealer werden richtig sauer, da ihnen die Kunden ausbleiben, und auch die Polizei kommt irgendwann auf ihren Drogen-Dreh. Außerdem macht der obere Drogenboss ihr ein unsittliches Angebot. "Paulette" wäre aber keine Komödie, wenn sie nach den kleinen und großen Katastrophen nicht doch noch ein glückliches Ende nähme.

Der Film versucht die Gratwanderung zwischen ernstem Hintergrund und spaßiger Umsetzung, wie man es aus anderen französischen Komödien wie beispielsweise "Ziemlich beste Freunde" und "Der Name der Leute" kennt. Auch hier geht es um Rassismus, um Menschen im sozialen Aus, am Rand der Gesellschaft. Und um die Überwindung dieser Schranken (zwischen Hautfarben, zwischen Arm und Reich) mit ungewöhnlichen Mitteln und Wegen.

Realer Hintergrund

Das Drehbuch zu "Paulette" beruht auf einer wahren Begebenheit: Im Jahr 2010 ging in Frankreich eine ältere Frau für zwei Jahre ins Gefängnis, weil sie zuvor mit Drogen gehandelt hatte. Sie hatte keine andere Möglichkeit mehr gesehen, ihre Schulden zu bezahlen. Das Paradoxe an der ganzen Geschichte: Erst das kriminelle Geschäft des Drogenhandels, von der Gesellschaft geächtet und vom Gesetz bestraft, gibt Paulette die Möglichkeit, wieder Teil ebenjener Gesellschaft zu sein: Sie kann ihre Miete bezahlen, Essen gehen, Geschenke kaufen, mit ihrem Enkel einen Ausflug unternehmen ...

Da es sich bei "Paulette" um eine Komödie handelt, sind fast alle Filmfiguren komödiantisch überzeichnet, klischeehaft und unrealistisch. Der dauernotgeile Nachbar macht ihr ein Angebot nach dem anderen, obwohl sie immer fies und gemein zu ihm ist - so wie generell zu allen anderen Menschen, inklusive ihrer Familie und ihren Freundinnen. Dass diese trotzdem immer wieder zu ihr kommen, wäre im "wahren Leben" wohl nicht so.

Die Drogendealer sind dumm oder brutal oder beides, der Mulatten-Enkel ist toootal niedlich und so weiter und so fort. In all den lustig-spaßigen Ver- und Entwicklungen des Films taucht dann aber doch die eine oder andere realistische, harte Szene auf - etwa wenn Paulette von den anderen Dealern beraubt und zusammengetreten wird, weil sie in deren Revier eingedrungen ist.

Klamauk mit Keksen

Das alles ist schon sehr komisch und auch originell gemacht und anzusehen, aber zum Teil mit etwas zu viel Klamauk. Die Briten können diese Art der sozialkritischen Komödie noch etwas besser, wenn man an "The Full Monty" oder "Angel's Share" denkt. Aber für einen amüsanten Nachmittag mit leckeren Keksen kann man mit "Paulette" nichts falsch machen.

Hauptdarstellerin in diesem Filmspaß aus Frankreich ist die Nouvelle-Vague-Ikone und César-Preisträgerin Bernadette Lafont - es ist ihre letzte Filmrolle, denn sie starb im Juli 2013, ein Dreivierteljahr nach der Premiere am 4. Oktober 2012.

Die DVD zu "Paulette" ist seit dem 22. November 2013 in Deutschland erhältlich. Bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

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