Musik

Ruhe nach dem Sturm Die schönen Lügen der Birdy

Vor Kurzem wurde sie 20: Birdy.

Vor Kurzem wurde sie 20: Birdy.

(Foto: Olivia Bee / Warner Music Group)

Zig Millionen verkaufte Tonträger, zig Hundert Millionen Views auf Youtube. Schon als Teenager wird Birdy zum Superstar. "Beautiful Lies" heißt ihr drittes Album. Mit n-tv.de spricht sie über eine Jugend auf Tour, Reue, Druck, Adele und den Schimmel in der Wohnung.

n-tv.de Du hast einmal gesagt: Du bist so viel unterwegs, dass du manchmal gar nicht mehr weißt, wo du gerade bist. Weißt du, wo wir heute sind?

Birdy: (lacht) Ja! In Berlin!

Hattest du je die Chance, dir von Berlin oder einer anderen deutschen Stadt etwas mehr anzusehen?

Ein bisschen schon. Normalerweise habe ich tatsächlich wenig Zeit. Aber gerade von Berlin habe ich mir während meiner ersten Abstecher hierher vor ein paar Jahren Einiges angesehen, zum Beispiel die Überreste der Berliner Mauer. Aber es ist schwer, einen richtigen Eindruck zu bekommen.

Dies ist vermutlich eines der letzten lnterviews mit dir als Teenager. Am 15. Mai wirst du 20 (das Interview wurde kurz vor Birdys 20. Geburtstag geführt). Wie fühlt sich Älterwerden für dich an? Genießt du es oder erschreckt dich das eher?

Beides irgendwie. Es ist schon erschreckend, weil man auf einmal ganz allein für sich die Verantwortung übernehmen und viele Entscheidungen treffen muss. Und ein Teil von mir sträubt sich dagegen. (lacht) Aber der andere Teil von mir braucht diesen Freiraum. Der Teil, der frei sein und seinen eigenen Weg gehen will.

Auch wenn du gerade erst 20 wirst, hast du schon eine fünfjährige Karriere hinter dir. Als dein erstes Album erschien, warst du gerade mal 15. Konntest du je mal zumindest für einen Moment ein "normales" Teenager-Leben führen?

Ja, doch. Als ich etwas jünger war, konnte ich das schon irgendwie ausbalancieren. Ich war ja immer noch in der Schule - so wurde es nie zu viel. Ich hatte ein tolles Team um mich, dass mir dabei geholfen hat, einigermaßen normal erwachsen zu werden. Ich vermisse schon einige Sachen, weil ich so viel von zu Hause weg bin. Aber das kann ich schwer ändern.

Bereust du etwas?

Nein, nichts. Es ist definitiv manchmal hart, so lange von meiner Familie getrennt zu sein, zu der ich ein sehr enges Verhältnis habe. Aber zugleich liebe ich ja das, was ich tue. Letztlich geht es immer darum, das richtige Gleichgewicht zu finden.

Du hast das mal mit Blick auf deine Freunde beschrieben: Während du in einem Tourbus mit Menschen jenseits der 30 oder 40 durch die Welt fährst, machen sie Party, trinken und fahren mit ihren Autos herum. Konntest du eigentlich schon den Führerschein machen?

Ihr erstes Album veröffentlichte die Britin bereits mit 15.

Ihr erstes Album veröffentlichte die Britin bereits mit 15.

(Foto: Warner Music Group)

Nein. Ich habe schon mal angefangen, dafür zu lernen. Aber dann war ich doch so sehr mit anderen Dingen beschäftigt, dass ich das nicht zu Ende gebracht habe. Aber ich hätte den Führerschein wirklich gern! Zumal ich aus einem wirklich kleinen Ort komme, in dem man ohne Auto ziemlich festsitzt.

Wie ist das bei dir mit der Schule?

Die habe ich vor ein paar Jahren mit 16 abgeschlossen. Dann bin ich ein halbes Jahr aufs College gegangen. Aber als ich angefangen habe, mein zweites Album zu machen, wurde auch das zu viel. Da musste ich mich entscheiden und habe das College abgebrochen.

Nun ist vor Kurzem bereits dein drittes Album erschienen: "Beautiful Lies". Was hat es mit "Schönen Lügen" auf sich?

Der Song "Beautiful Lies" auf dem Album handelt von zwei Menschen, die wissen, dass ihre Beziehung zu Ende geht. Aber sie wollen sich das nicht eingestehen und machen sich stattdessen vor, dass sie das gemeinsam durchstehen können. Für das Album habe ich den Titel gewählt, weil es darauf insgesamt um Veränderungen und das Erwachsenwerden geht. Um das Album zu machen, war ich das erste Mal seit fünf Jahren mal wieder für eineinhalb Jahre zu Hause. Ich bin also in die Normalität zurückgekehrt, was schon ziemlich seltsam für mich war. Und ich glaube, ich habe mir da selbst schöne Lügen erzählt. Ich habe mir vorgemacht, dass ich für immer in dieser Blase zu Hause sein könnte.

Du hast gesagt, dein Lieblingslied auf dem Album sei wahrscheinlich "Unbroken". Warum?

Weil es friedlich ist. Auf meinem zweiten Album gab es für mich viel Frustration. Ich wusste nicht wirklich, was ich will, weil ich noch so jung war. Aber wenn ich zurückschaue, finde ich das ganz natürlich. Ich brauchte einfach Zeit, um mich selbst kennenzulernen. "Unbroken" stellt für mich die Ruhe nach dem Sturm dar. Es geht darum, festzustellen, dass alles in Ordnung ist. Es ist in Ordnung, Fehler zu machen. Nichts ist deshalb kaputtgegangen.

Über dem Album liegt Asien und speziell Japan als Thema. Das sieht man auch am Cover. Du wurdest dazu durch das Buch "Die Geisha" von Arthur Golden inspiriert. Was hat dich daran so fasziniert?

Aller Melancholie in ihrer Musik zum Trotz - Birdy beschreibt sich als fröhlichen Menschen.

Aller Melancholie in ihrer Musik zum Trotz - Birdy beschreibt sich als fröhlichen Menschen.

(Foto: Warner Music Group)

Ich war noch nie in Japan, aber das Buch hat mir das Gefühl gegeben, als wäre ich dort gewesen. Es war einfach so wundervoll anschaulich in der Beschreibung der Kultur und der Rolle der Geisha darin. Vor allem aber hat mich die Hauptfigur fasziniert - das Mädchen, das ganz jung der Familie entrissen und in die Stadt gebracht wird, um dort zu einer Geisha zu werden. Sie kommt in diese verrückte Welt, von der sie keine Ahnung hat, muss ganz allein erwachsen werden und lernen, für sich zu kämpfen. Der Teil der Geschichte hat mich besonders angesprochen.

Das Buch wurde auch verfilmt. Hast du den Film gesehen?

Ja, aber erst danach. Das Buch habe ich zuerst gelesen.

Du warst mit deinen beiden ersten Alben unglaublich erfolgreich. Du hast mehr als zehn Millionen Tonträger verkauft, von den mehr als 400 Millionen Videoabrufen bei Youtube mal ganz zu schweigen. Hat dir das für das dritte Album Druck gemacht?

Irgendwie schon, denn für mich fühlt es sich wie mein erstes Album an. Es ist das Album, auf das ich am meisten stolz bin und das sich am meisten nach mir anfühlt. In ihm steckt mehr von mir als je zuvor, alles war in gewisser Weise meine Entscheidung. Also trage auch ich dafür die Verantwortung. Insofern habe ich schon Druck verspürt. Zugleich jedoch war ich viel freier als früher. Das hat mich schon so glücklich gemacht, dass ich mir über die Reaktionen nicht so viele Gedanken gemacht habe.

Du arbeitest auf "Beautiful Lies", wie auch schon auf deinen ersten beiden Alben, unter anderem mit Jim Abiss zusammen. Er hat auch schon mit Adele kooperiert. Zwischen dir und Adele gibt es einige interessante Parallelen. Sie ist zwar etwas älter als du, aber auch Britin mit drei Alben und einer gewissen Melancholie in ihrer Musik. Adele ist inzwischen ein globaler Superstar. Vergleichst du dich manchmal mit ihr?

Ich liebe Adeles Musik. Und ich bewundere, wie schüchtern und gleichzeitig selbstbewusst sie ist. Das inspiriert mich, weil ich auch wirklich schüchtern bin. Adele kriegt es irgendwie hin, mit Leuten zu sprechen, ohne zu viel von sich preiszugeben und dabei trotzdem sie selbst zu bleiben. Aber musikalisch vergleiche ich uns nicht. Ich denke, da sind wir ziemlich unterschiedlich. Aber keine Frage: Sie ist toll.

Du behauptest von dir, im Wesentlichen ein Optimist zu sein. Trotzdem sind die meisten deiner Lieder eher melancholisch, traurig oder nachdenklich. Wie geht das zusammen?

Das Album "Beautiful Lies" ist seit März im Handel.

Das Album "Beautiful Lies" ist seit März im Handel.

(Foto: Warner Music Group)

Wenn ich schreibe, beziehe ich mich definitiv eher auf Zeiten, in denen ich traurig bin. Aber normalerweise bin ich ein sehr fröhlicher Mensch. Und ich denke, gerade das neue Album ist im Kern positiv. Die Songs wirken vielleicht melancholisch, aber in ihnen steckt eine hoffnungsvolle Botschaft. Alles dreht sich darum, stark zu sein, die eigenen Fehler wegzustecken und sich mit ihnen zu arrangieren.

2012 bist du in der Castingshow "The Voice of Germany" aufgetreten. Anders als die Kandidaten dort bist du das perfekte Beispiel für eine Selfmade-Künstlerin, die schon als Kind Songs geschrieben und Piano gespielt hat. Was denkst du über Castingshows?

Ich denke, für manche Menschen, die es nicht geschafft haben, gehört zu werden, sind sie eine großartige Chance. So können sie sich endlich mal vor vielen Zuhörern präsentieren. Das ist toll. Ich glaube aber, wenn ich an so einer Show teilgenommen hätte, wäre das ein Desaster geworden. Ich bin einfach zu introvertiert und nicht gut darin, mit Menschen zu sprechen.

Du hast schon über dein Zuhause, die kleine Stadt Lymington in England, gesprochen. Vor Kurzem bist du aber in deine eigene Wohnung nach London gezogen. Trotzdem warst du jetzt schon wieder die ganze Zeit auf Tour in Europa. Und im Juni geht es in die USA. Vermisst du deine Wohnung schon?

Vor allem vermisse ich meine Familie. Und vielleicht vermisse ich Lymington gerade sogar noch mehr als meine Wohnung, weil das für mich noch immer in erster Linie mein Zuhause ist. Aber stimmt, ein bisschen vermisse ich schon auch meine Wohnung.

Eine eigene Wohnung zu haben, hat Vor- und Nachteile. Einerseits kann man da tun und lassen, was man will. Andererseits muss man auch alles selbst erledigen: Putzen, Kochen, Waschen, Geschirr spülen … Was davon hasst du am meisten?

Ich glaube, alles davon. (lacht) Aber vor allem hasse ich Putzen. Und das Schlimmste, woran ich bei meiner Rückkehr in die Wohnung denke, ist es, den Kühlschrank zu öffnen - mit dem ganzen Schimmel darin.

Das perfekte Geburtstagsgeschenk für dich wäre also ein Gutschein für eine Putzhilfe ...

Ja! Das wäre fantastisch!

Mit Birdy sprach Volker Probst

Das Album "Beautiful Lies" von Birdy bei Amazon bestellen

Quelle: ntv.de

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