Musik

"Ich habe Sorge um die USA" Höhenangst? Nicht mit Billy Talent!

Eigentlich sind Billy Talent ein Quartett, doch Jordan Hastings (2.v.l.) ersetzt derzeit den erkrankten Drummer Aaron Solowoniuk (l.).

Eigentlich sind Billy Talent ein Quartett, doch Jordan Hastings (2.v.l.) ersetzt derzeit den erkrankten Drummer Aaron Solowoniuk (l.).

(Foto: Dustin Rabin / Warner Music)

Die Deutschen und Billy Talent scheint eine besondere Liebe zu verbinden. Vor Kurzem beendeten die Kanadier ihre Tour hierzulande vor vollen Hallen. Doch im n-tv.de Interview mit Sänger Benjamin Kowalewicz und gitarrist Ian D'Sa geht es auch um Ängste - nicht zuletzt vor Donald Trump.

n-tv.de: Ihr habt eine sehr lange Tour hinter euch - in Australien, den USA und Europa. Ist man da froh, dass es nun zu Ende geht?

Benjamin Kowalewicz: Da hat man gemischte Gefühle. Ich war eine Zeit lang krank und fange gerade an, mich wieder besser zu fühlen. Das ist gut und ich könnte weitermachen. Aber ich glaube, um das Touren wirklich schätzen zu können, sollte man immer auch mal einen Gang zurückschalten. Wir waren ja echt sieben Monate unterwegs! Von daher ist es schon schön, jetzt an Weihnachten nach Hause zu kommen und unsere Akkus wieder aufzuladen. 

Ihr seid in keinem anderen Land so erfolgreich wie in Deutschland. Wie erklärt ihr euch das?

Ian D'Sa: Das werden wir oft gefragt. Aber ich weiß nicht wirklich eine Antwort darauf. Ich kann nur sagen: Vielleicht liegt es daran, dass die Menschen hier einen guten Musikgeschmack haben. (lacht) Und sie sind sehr loyal gegenüber Rockbands.

Kowalewicz: Es gibt dafür keinen wirklich logischen Grund. Es hat sich in den vergangen zehn Jahren plus X halt so entwickelt. Uns haben hier auch viele Menschen geholfen.

Wie gesagt: Bevor ihr nach Europa gekommen seid, seid ihr durch die USA getourt. Donald Trump war da noch nicht zum Präsidenten gewählt. Aber der Wahlkampf war im vollen Gang und das Land tief gespalten. Habt ihr das gespürt, als ihr dort wart?

Die Band steht konsequent zu ihrem kranken Schlagzeuger.

Die Band steht konsequent zu ihrem kranken Schlagzeuger.

(Foto: Dustin Rabin / Warner Music)

D'sa: Ich habe das definitiv gespürt. Man hat gemerkt, was für eine Denke sich dort Bahn gebrochen hat - und jetzt hat sich das wirklich durchgesetzt.

Ihr habt euch sehr dezidiert gegen Donald Trump ausgesprochen, sogar erklärt, ihr hättet Angst vor ihm. Warum?

D'Sa: Ich habe einfach Sorge um die Menschen, die dort leben. Die Leute, die er in sein Kabinett holt, sind die schlimmsten aus dem Lager der Rechtsaußen. Das sind unglaubliche Spalter. Dass die USA diese Richtung einschlagen könnten, bereitet mir wirklich Sorgen.

Also hättet ihr für Clinton gestimmt, wenn ihr Amerikaner wärt …

D'Sa: Ich wäre für Bernie Sanders gewesen. Aber ich hätte für Clinton gestimmt, nur, um nicht Donald Trump zu bekommen.

Kowalewicz: Trump hat einfach überhaupt keine politische Erfahrung. Und auch keine militärische. Jetzt aber hat er die Obergewalt über die größte Armee auf der Welt.

D'Sa: Sein einziger Hintergrund ist doch, dass er seine eigene Reality-TV-Show hatte … (lacht) So einer Person so viel Macht zu geben, ist das Erschreckendste daran. Und das Gefährlichste.

Kowalewicz: Es kommt mir immer noch so irreal vor. Ich hätte nicht gedacht, dass das passieren könnte. Vielleicht ist es auch der Anfang des absoluten Niedergangs der USA. Danach werden sich dann womöglich alle zusammensetzen und beraten, wie die USA wirklich wieder das große Land werden können, das sie sein sollten. Es gibt dort schließlich Abermillionen Menschen, die wirklich progressiv und nach vorne gerichtet denken. Aber anscheinend auch viele, die rückwärtsgewandt sind.

Nun ist ja dieses Phänomen aber nicht nur in den USA zu beobachten …

Kowalewicz: Ja, klar, man muss sich nur die Situation in Österreich oder den Brexit anschauen. Es ist beängstigend.

Was glaubt ihr denn, woran es liegt, dass es nahezu weltweit zu so einem Rollback kommt?

D'Sa: Ich glaube, es hat viel mit der Angst vor dem IS zu tun. Die Berichterstattung über den IS ist so außer Kontrolle geraten, dass viele Menschen jetzt glauben, die Gefahr lauere täglich und überall. Das stimmt aber doch gar nicht. Trotzdem hat sich daraus eine Art Panik entwickelt.

Die Überleitung ist etwas hart, aber auch der Titel eures im Sommer veröffentlichten Albums hat mit Furcht zu tun: "Afraid of Heights" (in etwa: Höhenangst). Habt ihr Höhenangst?

Kowalewicz: Nein, nicht speziell.

D'Sa: Nein.

Ihr stammt ja aus Mississauga nahe Toronto. Dort gibt es zwei wirklich hohe Sachen: den CN Tower in Toronto und die Niagara-Fälle. Habt ihr beides schon mal besucht oder machen das nur Touristen?

Sänger Benjamin Kowalewicz hat auf der Bühne noch immer die Energie eines 20-Jährigen.

Sänger Benjamin Kowalewicz hat auf der Bühne noch immer die Energie eines 20-Jährigen.

(Foto: imago/STAR-MEDIA)

Kowalewicz: Nein, das kennen wir beides schon. Der CN Tower ist tatsächlich ganz in der Nähe unseres Zuhauses, auch wenn ich da nicht jeden verdammten Tag hingehe. (lacht)

D'Sa: Wenn man dort aufwächst, geht man schon als Kind an diese Orte. Aber tatsächlich haben wir auf einer Tour mal einen freien Tag für einen Ausflug zu den Niagra-Fällen genutzt, weil nicht alle, die mit uns unterwegs waren, sie kannten.

Auf dem Album geht es in mehreren Songs auch um politische Fragen - es geht um Religion oder um die Waffenlobby. Glaubt ihr, mit der Musik Einfluss ausüben zu können?

D'Sa: Ich glaube, wenn man in einer Band ist und Texte schreibt, geht es mehr darum, eine Konversation in Gang zu bringen. Es geht nicht darum, sich auf eine bestimmte Seite zu schlagen, sondern Diskussionen anzuregen, sei es über Religion oder Rassismus. Wenn man das erreicht, ist es doch schon toll. Auf jeden Fall besser, als wenn die Leute nicht miteinander sprechen.

"Afraid of Heights" ist euer zweites Album, das du komplett allein produziert hast. Fällt es dir leichter, für dich allein zu arbeiten?

D'Sa: Ich glaube, ich habe über die Jahre wirklich verstanden, was unseren Fans gefällt. Und was die technische Seite angeht, habe ich sehr viel von anderen Produzenten gelernt. Inzwischen habe ich eine klare Vorstellung davon, wie etwas klingen soll - und setze das einfach um. Aber vor 15 Jahren hätte ich das nicht machen wollen. (lacht) Damals hätte ich nicht das Selbstvertrauen dazu gehabt.

Für mich ist das Album - im positiven Sinne - ein ziemlich typisches Billy-Talent-Album. Einverstanden damit?

Gitarrist Ian D'Sa arbeitet auch als Produzent für Billy Talent.

Gitarrist Ian D'Sa arbeitet auch als Produzent für Billy Talent.

(Foto: imago/The Photo Access)

D'Sa: Ja, damit bin ich einverstanden. Ich finde, es ist ein großes Kompliment, wenn jemand sagt, dass er uns sofort erkennt. Das ist wie ein Markenzeichen. Wenn man bedenkt, wie viele Bands es da draußen gibt, ist es gar nicht leicht, das zu erreichen.

Euch steht also nicht der Sinn danach, euch mal komplett neu zu erfinden …

D'Sa: Vielleicht kommt das irgendwann mal. Aber zugleich möchten wir auch das fortsetzen, was die Leute an uns schätzen.

Mittlerweile seid ihr alle in euren 40ern. Verändert das was für euch als Band?

Kowalewicz: Nein. Wir sind ja auch noch nicht so alt, sondern gerade erst 40 oder 41 geworden. (lacht) Okay, es hat Einfluss darauf, wie man sich erholt. Da tun einem vielleicht mal die Knie oder der Rücken mehr weh als früher. Aber sobald das Licht ausgeht und man die Bühne betritt, fühlt man sich sofort wieder wie 20. Und wenn man runtergeht, wie 60. (lacht)

Ich bewundere die Energie, die du nach wie vor auf der Bühne hast …

Kowalewicz: Danke. Was ich halt wirklich merke, ist, dass ich mehr Erholung als früher brauche. Ich muss mehr schlafen. Und ich muss etwas besser auf mich aufpassen. Ich kann nicht dauernd trinken gehen, sondern muss in die Koje. Wie gesagt: Ich war gerade erst krank. Und für mich ist das auf der Bühne echt ein scheiß Gefühl, wenn ich singen muss, aber mich schlecht fühle.

Wir müssen noch über ein Thema sprechen: Aaron Solowoniuk, euren Drummer. Er leidet an Multipler Sklerose und konnte daher weder bei den Aufnahmen zum Album noch bei der Tour dabei sein. Wie geht es ihm?

Das aktuelle Album von Billy Talent heißt "Afraid of Heights".

Das aktuelle Album von Billy Talent heißt "Afraid of Heights".

(Foto: Warner Music)

Kowalewicz: Er ist hier! Er hat uns gestern überrascht, indem er einfach für die letzten vier Konzerte hergekommen ist. Wir hatten davon echt keinen Schimmer. Das ist wirklich fantastisch! Was seinen Zustand angeht: Der hat sich verbessert, aber nicht so sehr, dass Aaron wieder spielen könnte. Trotzdem tut er alles, was im Bereich seiner Möglichkeiten liegt, dafür, wieder dahin zu kommen.

Er hat die Hoffnung geäußert, vielleicht bei der Tour im Februar in eurer kanadischen Heimat wieder mit von der Partie zu sein. Ist das realistisch?

Kowalewicz: Zum jetzigen Zeitpunkt fällt es mir schwer, daran zu glauben. Aber hey, wer weiß.

Ihr steht als Band sehr zu ihm …

Kowalewicz: Natürlich!

Hat seine Krankheit auch eure Sicht auf die Dinge verändert?

D'Sa: Auf jeden Fall. Ich vermisse Aaron jeden Tag.

Kowalewicz: Wenn man so lange zusammenarbeitet wie wir vier, ist das, als wenn man seit zwanzig Jahren eine Beziehung führen würde. Wir sind beste Freunde. Und Aaron fehlt. Mit ihm gehen 25 Prozent der Energie verloren. Und natürlich ändert das auch den Blick aufs Leben. Man tritt einen Schritt zurück und realisiert, wie schnell es gehen kann. In einem Moment scheint noch alles in Ordnung zu sein und einen Augenblick später hat sich alles für dich komplett geändert.

Das Jahresende verbringt ihr in Kanada. Was macht ihr an Weihnachten?

D'Sa: Ich werde meine Leute treffen und wahrscheinlich mit meinen Eltern, meiner Nichte und meinem Neffen bei meinem Bruder feiern.

Kowalewicz: Ich habe soeben erst erfahren, dass ich den Heiligabend bei uns ausrichten werde. Das heißt: Die Familien von mir und meiner Frau werden zu uns kommen ... Nicht mein Jahr. (lacht) Sorry, Familie!

Mit Benjamin Kowalewicz und Ian D'Sa sprach Volker Probst

Das Album "Afraid of Heights" von Billy Talent bei Amazon bestellen oder bei iTunes downloaden

Quelle: ntv.de

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