Musik

Muss man gehört haben Radiohead: Feingeister am Werk

Radiohead schaffen es immer wieder, ihre Fans zu überraschen.

Radiohead schaffen es immer wieder, ihre Fans zu überraschen.

(Foto: imago stock&people)

Nicht so polterig wie Oasis oder verspielt wie Blur verzücken Radiohead 1995 mit ihrem zweiten Album "The Bends"  Kritiker und Fans. Und die Band schafft es, dass auch 20 Jahre später die Welt immer noch auf Überraschungen von ihr hofft - eine kleine Werkschau.

Als im März 1995 Radioheads "The Bends" erscheint, hat die Band schon kleinere Erfolge mit dem Debüt "Pablo Honey" und der Hit-Single "Creep", die so manchem Teenager aus dem Herzen spricht und den Ruf von Sänger Thom Yorke als Trauerkloß lange manifestiert.

Mit "The Bends" wollen die Briten weg von dem Image der düsteren Nabelschau. Das Album mit seinen leiseren Tönen bei "Fake Plastic Trees" und "High and Dry" wirkt erwachsener, aber es rockt immer noch, wie das fast AC/DC-hafte Intro des Titelsongs beweist. Johnny Greenwood spielt so aggressiv seine Gitarre, dass er eine Stützmanschette für seinen in Mitleidenschaft gezogenen Arm braucht.

Geschmacklose Spekulationen

Immer ernst: Thom Yorke, Sänger von Radiohead, bei "Rock am Ring" 2001.

Immer ernst: Thom Yorke, Sänger von Radiohead, bei "Rock am Ring" 2001.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

"The Bends" ist ein kommerzieller Achtungserfolg, der sich 1997 mit dem meisterlichen Nachfolger "OK Computer" vervielfacht: Das Album macht die Jungs, die 1985 in einem Oxforder Internat ihre Band gründeten, zu internationalen Stars. Das gewaltige "Paranoid Android" schlägt ein, ebenso das an Pink Floyd erinnernde "Lucky" sowie das tieftraurige "No Surprises", das einen Selbstmord beschreibt und die britische Presse mal wieder zu wilden Spekulationen animiert. Nach dem Tod von Kurt Cobain grübelt der "Melody Maker" wenig geschmackvoll darüber, ob Thom Yorke sich wohl als Nächster das Leben nimmt. "OK Computer" verkauft sich über acht Millionen mal und wird weithin als das Meisterwerk der Band bezeichnet. Am Anfang sieht es allerdings gar nicht meisterlich aus: Die Herren wollen die Platte selbst produzieren und verzetteln sich. Zum Glück steht ihnen Nigel Godrich hilfreich zur Seite. Man lernt daraus - fortan wird der Experte sämtliche Alben der Band produzieren.

Nach "OK Computer" fällt Yorke in ein mentales wie kreatives Loch und buddelt sich dank elektronischer Musik wieder heraus. Auch Gitarrist Jonny Greenwood wendet sich den Loops und Beats zu - er wird zu einem geschickten Programmierer, was sich in seinen Kompositionen niederschlägt. "Kid A", das 2000 herauskommt, verabschiedet sich vom Drei-Gitarren-Sound, lässt neue Instrumente wie das monophone Ondes Martenot und Keyboards zu und katapultiert Radiohead zur Avantgarde-Band. Die Texte werden kryptischer, das grandiose "Idioteque" thematisiert Klimawandel, ein Thema, das dem leidenschaftlichen Umweltschützer Yorke sehr am Herzen liegt.

Die Uhr tickt

Ein Jahr später wird "Amnesiac" veröffentlicht, das bei den Sessions zu "Kid A" entstanden sind. Der "Abfall" kann sich hören lassen, allen voran der hypnotische "Pyramid Song" mit seiner Anlehnung an klassischer Musik, "I Might Be Wrong" mit seinem verstörenden Gitarren-Riff und "Knives Out", das eine musikalische Verbeugung vor Johnny Marr und The Smiths sein soll. Wie immer ist "Amnesiac" das Ergebnis von langen Aufenthalten in Studios. Für ihr nächstes Album "Hail to the Thief" wollen die Engländer 2003 eine andere Herangehensweise und fliegen nach Los Angeles, um in einem begrenzten Zeitrahmen ihr Werk abzuliefern. Yorke hat dieses Mal keine Zeit, über seine Texte zu grübeln, Gitarrist O'Brian lässt seine geliebten Pedal-Effekte weg und sein Instrument einfach rein rocken. Und es klappt. Das Album wird innerhalb von zwei Wochen aufgenommen, aber dann geht laut Yorke das Theater beim Mischen los - alle wollen noch einmal ran und es gibt dicke Luft. Trotz all dieser Probleme gelingt ihnen wieder ein stimmiges Werk, das sich textlich mit der damaligen Weltpolitik auseinandersetzt.

2007 überraschen Radiohead ihre Fans: Die Band bringt "In Rainbows" einfach selbst heraus. Man kann es herunterladen und selbst entscheiden, wie viel einem das Produkt wert ist. Ein umstrittener Coup. So oder so erreicht das Werk die Massen und übernimmt die Spitze der britischen wie US-Charts. Wie immer experimentieren die Briten mit elektronischer Musik und durchsetzen sie mit mehr konventioneller Rockmusik und Elementen von klassischer Musik. "In Rainbows" wirkt abgeklärter, persönlicher, nicht allein durch die Texte, die eher Beziehungen statt der großen Politik im Blick haben.

Sensation: Thom Yorke tanzt

Jeder in der Band hat mittlerweile neben Radiohead andere Projekte - Yorke bringt Solo-Alben heraus und Jonny Greenwood liefert unter anderem für "There Will Be Blood" großartige Filmmusik ab. Aber alle paar Jahre setzt man sich wieder zusammen, um gemeinsam zu tüfteln: 2011 erscheint "King of Limbs", dieses Mal wieder mit der Betonung auf einen elektronischen Sound. Ein Video zum Song "Lotus Flower" taucht auf, das einen tanzenden Thom Yorke zeigt. Der Clip wird schnell zu einer Internet-Sensation, denn er zeigt, dass der Sänger auch Spaß haben kann - auf seine Weise.

Und nun sitzen die Jungs wieder im Studio, Drummer Phil Selway lässt verlauten, es wäre alles hübsch auf dem Weg. Die Welt hofft natürlich auf ein Meisterwerk - wie kann es auch anders sein? Ob es allerdings noch dieses Jahr herauskommt und wie es klingen könnte, weiß man nicht. Lassen wir uns überraschen, denn das können Radiohead gut.

Quelle: ntv.de

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