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Kann zu Depressionen führen Warum so viele Jugendliche einsam sind

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Jeder Fünfte der 16- bis 20-Jährigen fühlt sich "sehr einsam".

Jeder Fünfte der 16- bis 20-Jährigen fühlt sich "sehr einsam".

(Foto: picture alliance / Zoonar)

Immer mehr Kinder und Jugendliche sind einsam. Besonders diejenigen, die in armen Familien aufwachsen. Das kann drastische Folgen haben, denn Einsamkeit macht krank: Schon junge Leute leiden deshalb an Schlafstörungen, Depressionen oder Phobien.

Einsamkeit wird mittlerweile immer häufiger als neue Volkskrankheit bezeichnet. Denn immer mehr Menschen fühlen sich einsam. Auch unter Kindern und Jugendlichen ist das Problem weitverbreitet - besonders seit der Corona-Pandemie.

Das zeigt auch eine neue Studie aus Nordrhein-Westfalen. Dabei ist herausgekommen: Fast jeder Fünfte der 16- bis 20-Jährigen fühlt sich "sehr einsam". Bei 13- bis 15-Jährigen ist es bis zu jeder zehnte Jugendliche. Rechnet man noch diejenigen dazu, die sich als "moderat einsam" oder "manchmal einsam" bezeichnen, steigen die Zahlen noch erheblich an. Betroffen sind etwas mehr Mädchen als Jungs.

"Wenn man an Einsamkeit denkt, dann denkt man eher an den betagten Herren oder die betagte Dame, die alleine zu Hause sitzen und keine Freunde mehr haben, weil alle gestorben und die Verwandten weggezogen sind. Als man angefangen hat, Jugendliche zu befragen, hat man festgestellt, dass nicht gerade wenige Kinder und Jugendliche von Einsamkeit betroffen sind", sagt Ricarda Steinmayr, Professorin für Pädagogische Psychologie an der TU Dortmund, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Gerade in der Übergangszeit zwischen Kindheit und Erwachsenenalter, etwa zwischen dem 11. und dem 21. Lebensjahr, seien die Einsamkeitswerte bei den jungen Leuten relativ hoch.

Deutschlandweite Vergleichsdaten gibt es nur wenige. Aber der Trend ist klar: In den vergangenen 40 Jahren hätten die Einsamkeits-Raten bei jungen Leuten zugenommen, sagt die Expertin.

Identitätsfindung und neue Freundeskreise

Einsamkeit wird oft mit Alleinsein verwechselt. Das ist aber nicht dasselbe. Wer einsam ist, hat nicht so viele oder so gute soziale Beziehungen, wie er oder sie gern hätte. Man fühlt sich zum Beispiel keiner Gruppe zugehörig. Oder es fehlen einem Menschen, denen man sich nahe fühlt, denen man vertrauen kann. Die Studie zeigt: Ein wichtiger Einflussfaktor, ob man sich einsam fühlt, ist die Qualität der Freundschaften.

Warum insbesondere Jugendliche oft einsam sind, dafür gibt es mehrere Erklärungen. Die Jugend ist eine turbulente Zeit, in der in kurzer Zeit viel mehr passiert als im Erwachsenenleben. Junge Leute müssten in dieser Zeit viele Entwicklungsaufgaben bewältigen, erklärt Steinmayr. Dazu gehöre, eine eigene Identität zu finden, sich in die Welt einzuordnen. "Jugendliche, die hier in ihrer Entwicklung nicht ganz abgeschlossen haben, haben ein erhöhtes Einsamkeitsrisiko."

Das Jugendalter sei zudem von sehr vielen Umbrüchen geprägt, weiß die Professorin. Als Beispiele nennt sie den Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schule oder den Start der Ausbildung nach der zehnten Klasse. Dadurch lernen die jungen Leute neue Freunde kennen, müssen sich in neuen Gruppen und einem neuen Umfeld zurechtfinden.

Finanzieller Druck erzeugt Einsamkeit

Einsamkeit kann aber auch mit den Lebensumständen zusammenhängen. Zum Beispiel, wenn sich in der Familienwohnung mehrere Geschwister ein Zimmer teilen müssen, sagt Steinmayr. Einige Kinder würden sich für ihre Wohnverhältnisse schämen und seltener Freunde zu sich nach Hause einladen. In der Folge kann es sein, dass umgekehrt auch sie seltener zu anderen Jugendlichen eingeladen würden.

Ein weiterer Einflussfaktor kann das Einkommen sein. Jugendliche aus ärmeren Familien sind am häufigsten einsam. "In einer Studie berichteten 55 Prozent der einsamen Jugendlichen über finanziellen Druck, von den nicht einsamen Jugendlichen berichteten das nur 37 Prozent. Das heißt, es gibt durchaus nicht einsame Jugendliche, die auch finanziellen Druck erleben. Aber bei den einsamen Jugendlichen war der Anteil eben sehr viel höher", so Steinmayr im "Wieder was gelernt"-Podcast.

Wer arm ist, kann weniger teilhaben, erklärt die Expertin, "weggehen, ins Kino gehen, sich mit Freunden in der Stadt treffen, das kostet Geld. Meistens holt man sich etwas zu trinken oder zu essen. Wenn man nicht mitmachen kann, dann bleibt man vielleicht lieber zu Hause."

Einsamkeitsstrategie der Bundesregierung

Einsam kann jeder irgendwann mal sein. Einsamkeit muss nicht unbedingt immer negativ sein. Aber vor allem, wenn sie chronisch wird, also längere Zeit andauert, kann sie unglücklich und sogar krank machen.

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Zur Einsamkeit bei Jugendlichen gebe es weniger Studien als bei Erwachsenen, macht Steinmayr deutlich. Belegt sei aber, dass einsame junge Leute Ängste, soziale Phobien oder Depressionen entwickeln könnten. Eine höhere Einsamkeit könne mit einer erhöhten Stressbelastung, einer geringeren Schlafqualität, einem ungesunden Essverhalten und einer schlechteren körperlichen Gesundheit einhergehen. Dazu kommt: Wem es nicht gut geht, wer körperlich oder psychisch krank ist, der fühlt sich häufiger einsam.

Experten befinden es für wichtig, rechtzeitig etwas gegen Einsamkeit zu tun. Expertin Steinmayr empfiehlt mehr Beratungsangebote an den Schulen: Sozialarbeiter oder Schulpsychologen, an die sich die Jugendlichen wenden könnten. Auch mehr Begegnungsorte für die jungen Leute seien nötig. Gerade in sozial schwachen Gegenden könne das helfen.

Die Bundesregierung will mit einer neuen Strategie gegen Einsamkeit gegensteuern. Betroffene sollen besser unterstützt werden, sie sollen beispielsweise nicht mehr so lange auf einen Therapieplatz warten müssen.

"Wieder was gelernt"-Podcast

Dieser Text ist eigentlich ein Podcast: Welche Region schickt nur Verlierer in den Bundestag? Warum stirbt Ostdeutschland aus? Wieso geht dem Iran das Wasser aus? Welche Ansprüche haben Donald Trump und die USA auf Grönland?

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Quelle: ntv.de

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