Panorama

China, Varianten, Maskenpflicht Wird die Endemie wieder zu einer Pandemie?

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Droht die Pandemie in China einen Einfluss auf den endemischen Zustand der Pandemie in Deutschland zu haben?

(Foto: picture alliance / ROPI)

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Die Pandemie ist vorbei. So sagt es zumindest der Virologe Christian Drosten. Aber Corona ist nicht aus der Welt verschwunden. China lässt die Pandemie laufen, in den USA sorgt eine neue Omikron-Variante bereits für einen rasanten Anstieg der Zahlen, und auch hierzulande könnten die Zahlen erneut steigen.

Es waren Worte, auf die ganz Deutschland seit drei Jahren gewartet hat: "Nach meiner Einschätzung ist die Pandemie vorbei", sagt einer der wichtigsten Virologen des Landes. Seit Jahren plädiert Christian Drosten für mehr Einschränkungen, Vorsicht und Schutzmaßnahmen - dass ausgerechnet er jetzt die Pandemie für beendet erklärt, macht es umso glaubwürdiger. Die Pandemie tritt damit in eine neue Phase ein: die endemische. Das heißt aber - leider - nicht, dass Corona vorbei ist. Einige Faktoren könnten den Verlauf der Pandemie noch beeinflussen.

Mit der abrupten Abkehr von der Null-Covid-Strategie hat die Führung in Peking die Welt überrascht. Weniger überraschend ist jedoch die Pandemieentwicklung, seitdem es in China praktisch keine Schutzmaßnahmen mehr gibt. Nach Einschätzung von Experten des Londoner Forschungsinstituts Airfinity könnte es in China bald mehr als vier Millionen Neuinfektionen pro Tag geben. Einige Experten gehen von mindestens einer Million Corona-Toten in den kommenden Monaten aus.

Die hohen Zahlen geben weltweit Anlass zur Sorge über neue Mutationen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sich eine gefährliche Immun-Escape-Variante entwickelt, die die Pandemie in Deutschland neu aufflammen lassen könnte. Aufgrund der geringen Immunität der Bevölkerung in China "ist die Entwicklung einer Immunflucht-Variante in China vor diesem Hintergrund nicht besonders wahrscheinlich", sagt Isabella Eckerle, Leiterin der Forschungsgruppe Emerging Viruses in der Abteilung für Infektionskrankheiten an der Universität Genf.

Dennoch ist die Testpflicht für Reisende aus China, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach heute eingeführt hat, auch in dieser Phase der Pandemie eine wichtige Schutzmaßnahme, vor allem wenn die Proben sequenziert werden. "Das wäre ein wertvoller Datensatz, auch um neue besorgniserregende Varianten frühzeitig zu erkennen", sagt Viola Priesemann, Leiterin der Forschungsgruppe Theorie neuronaler Systeme, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation.

Neue Omikron-Varianten

Eine neue Omikron-Variante, die in den USA bereits die Oberhand gewonnen hat, bereitet Experten, allen voran Gesundheitsminister Lauterbach, Sorgen. XBB.1.5 ist nach Angaben der amerikanischen Seuchenschutzbehörde Centers for Disease Control (CDC) inzwischen für mehr als 40 Prozent der Infektionen verantwortlich. Weltweit verdoppelten sich die XBB.1.5-Fälle seit November jede Woche, sagt Richard Neher, Leiter der Forschungsgruppe Evolution von Viren und Bakterien am Biozentrum der Universität Basel. Die neue Variante scheint zwar keine schwereren Krankheitsverläufe zu verursachen. Doch wie bei den ersten Omikron-Varianten könnte auch eine mildere Variante das Gesundheitssystem an seine Grenzen bringen, wenn die Zahl der Erkrankten auf einmal rasch zunimmt.

Außerdem deuten erste Hinweise darauf hin, dass XBB.1.5 die durch Infektion und Impfung gebildeten Antikörper umgehen kann. Studien über verwandte Varianten zeigen, dass der aktualisierte bivalente Auffrischungsimpfstoff einen gewissen Schutz gegen die neueren Omikron-Mutationen bietet. Aber nur etwa 15 Prozent der Amerikaner haben ihn erhalten. In Deutschland sind es noch weniger Menschen. Wenn also die XBB.1.5-Welle auch hierzulande ansteigt, müssten möglicherweise viele Millionen Einwohner schnell wieder geimpft und geboostert werden.

Masken- und Isolationspflicht

Im Gegensatz zum harten Lockdown, bei dem Geschäfte abgeriegelt und Schulen geschlossen wurden, gibt es in der Bundesrepublik derzeit überschaubare Einschränkungen. Drei Regeln bleiben jedoch teilweise bestehen: die Isolations- und die Maskenpflicht sowie eine Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen. Seit Christian Drosten die endemische Phase der Pandemie ausgerufen hat, werden die Rufe nach der Abschaffung der beiden Einschränkungen immer lauter. Die entscheidende Frage ist jedoch: Sichern uns diese Maßnahmen den endemischen Zustand oder würden die Infektionszahlen ohne Isolierung und Masken wieder steigen?

Forscher des Modellierungsnetzes für schwere Infektionskrankheiten (MONID) haben dazu verschiedene Szenarien untersucht. Wenn sich niemand mehr mit einer Corona-Infektion isolierte, "traten bis zu doppelt so viele (nachgewiesene) Infektionen und Hospitalisierungen durch Sars-CoV-2 auf", schreiben die Forscher und Forscherinnen in ihrer Stellungnahme von Mitte Dezember. Es ist aber zu beachten, dass nicht alle Menschen mit einer nachgewiesenen Corona-Infektion sofort frei herumlaufen würden. Manche würden auch zu Hause bleiben, weil sie krank sind, oder weil sie aus Selbst- oder Eigenverantwortung andere nicht in Gefahr bringen wollen.

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Wenn die Maskenpflicht komplett abgeschafft wird, hängt die Wirkung auch davon ab, wie groß der Anteil der Bevölkerung ist, der trotzdem weiterhin Masken trägt. Wenn in öffentlichen Verkehrsmitteln niemand mehr eine Maske trägt, "dann kommt es zu rund 10 Prozent mehr Infektionen in großen Städten. In Regionen mit wenig Bus und Bahn ist der Effekt geringer", schreibt Modelliererin Viola Priesemann auf der Social-Media-Plattform Mastodon. Die beiden Maßnahmen verstärken sich aber auch gegenseitig. Wenn eine infizierte Person sich nicht mehr isoliert und in öffentlichen Verkehrsmitteln keine Maske trägt, breitet sich das Virus wieder viel schneller aus.

Vor allem wegen der bereits überlasteten Kliniken sehen die Forscher noch nicht die Zeit, beide Maßnahmen aufzuheben. Auch Priesemann sagt, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sei: "Im Frühjahr ist sicher eine gute Zeit, diese Vorschriften auslaufen zu lassen", schreibt sie auf Mastodon.

Quelle: ntv.de

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