
Lindner, Scholz und Habeck hatten eine klare Botschaft: Die Ampel ist nicht zerstritten und die großen Herausforderungen der Zukunft sind schaffbar.
(Foto: IMAGO/Political-Moments)
Der Schnee von Meseberg bei Berlin verschluckt jeden Misston, der sich in die Kabinettsklausur und die Abschluss-Pressekonferenz von Scholz, Habeck und Lindner hätte schleichen können. Doch der wird schmelzen.
Man möchte ihnen ja glauben, den Herren Lindner, Scholz und Habeck, wie sie dort auf Schloss Meseberg eine Botschaft der Harmonie und Zuversicht verbreiten. Während draußen eine zarte Winterlandschaft lockt, demonstrieren sie an diesem Nachmittag im Innern herzerwärmende Harmonie und Zuversicht. Bundeskanzler Olaf Scholz spricht von einer "sehr guten Kabinettsklausur", die "sehr konstruktiv" und "informativ" gewesen sei. Wirtschaftsminister Robert Habeck sagt, die Abgeschiedenheit des Schlosses habe deutlich gemacht, "was für ein Privileg es ist, in einer Bundesregierung zu sein". Finanzminister Christian Lindner sagt, dass auch bei so einer Klausurtagung, "bei informellen Gesprächen", das eine oder andere geklärt werden könne. Das helfe, die "Perspektive zu erweitern".
Rund 24 Stunden hatten sich Kanzler und Minister auf dem Anwesen knapp 70 Kilometer nördlich des Berliner Regierungsviertels versammelt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen flog ebenfalls ein. Sie wollte eine der störrischsten Kühe vom Eis holen, nämlich den Streit um das Verbot von Verbrennungsmotoren in der EU ab 2035. Die FDP und allen voran ihr Verkehrsminister Volker Wissing will sicherstellen, dass auch danach noch Autos mit Verbrennungsmotor zugelassen werden, wenn sie nur mit klimaneutralen E-Fuels fahren.
Das ist genau einer der Brocken, der die Stimmung vor dieser Klausur heruntergezogen hatte. Die Grünen und weite Teile der EU hatten sich vergangene Woche an die Stirn geschlagen, als Wissing bekannt gab, dem geplanten Verbot nun doch nicht zuzustimmen. Eigentlich war das Thema auf EU-Ebene längst durch. Der letzte Beschluss am Dienstag war nach allem, was üblich ist in Brüssel, eine Formsache. Doch dann zog Wissing die Notbremse. Forderte, die EU-Kommission möge einen Vorschlag zu E-Fuels zu machen.
Habeck schweigt beim Verbrennerverbot
Auf der Pressekonferenz in Meseberg scheint bei allen drei Ampelköpfen das Lächeln einen Tick gequälter zu werden, als eine Frage dazu gestellt wird. Scholz antwortet als Erster. Die Bundesregierung sei sich einig, dass die EU-Kommission einen Vorschlag machen werde, "der darauf gerichtet ist", wie E-Fuels nach 2035 eingesetzt werden könnten, sagt er. Das sei schon vor einem Jahr "politisch wirksam" gemacht worden, es gehe um nichts Neues. Lindner greift das auf: Schon im Sondierungspapier von 2021 habe die FDP deutlich gemacht, wie wichtig ihr Technologieoffenheit sei. Sprich: Dass die Tür für Autos mit Verbrennungsmotoren zumindest einen Spalt weit offen bleiben muss. Gegenwärtig gebe es da keine Rechtssicherheit, und wenn die da sei, "geht das alles weiter seinen Gang". Und Habeck? Schweigt.
Auch bei anderen Streitthemen wie den Haushaltsplanungen, Kindergrundsicherung oder den Folgen des US-Subventionsprogramms Inflation Reduction Act gibt es nach Darstellung der Ampel nichts Neues. Man könnte auch sagen: Sie sind keinen Schritt weiter gekommen. In Meseberg wollten die drei Koalitionäre ohnehin das vermeiden, was nach Koalitionskrach aussehen könnte. Stattdessen spricht Scholz von einem "spürbaren Unterhaken". Gute Laune transportierte auch ein Videoschnipsel, der in sozialen Medien kursiert. Er zeigt den Kanzler dabei, wie er draußen einen Schneeball formt. Den habe er geworfen, aber wie es sich für einen Bundeskanzler gehöre, "auf niemanden", wie er mit halb verkniffenem Schmunzeln erzählt.
Der Dauerkrach in der Koalition wird einfach übergangen. Der Kanzler spricht lieber von "Tempo und Zuversicht", die es brauche, um die Wirtschaft klimaneutral zu machen. Im ersten Amtsjahr sei viel erreicht worden, um "unser Land durch die Krise zu steuern". Dadurch sei ein "Schwung für unser Land" entstanden. Nun müssten Windkraft und Solarenergie in ungeahntem Tempo ausgebaut werden - bei schon jetzt deutlichem Fachkräftemangel. Scholz dreht das ins Positive: Deutschland werde die Probleme der Arbeitslosigkeit hinter sich lassen. "Wir müssen und wir wollen mehr Fortschritt wagen", sagt Scholz. Das ist auch ein Bekenntnis zu dieser Ampel, denn genau das war die Überschrift des Koalitionsvertrages.
Schafft es der Geist nach Berlin?
"Tempo und Zuversicht", das könnte Scholz auch der eigenen Koalition empfehlen. 30 Gesetze stehen gerade gewissermaßen im Ampel-Stau, weil sich die Koalitionäre nicht einigen können. Gefühlt jede Woche kommt ein Thema hinzu, sei es ein mögliches Verbot von Werbung für Süßigkeiten oder das Verbot von neu eingebauten Gasheizungen. Und die nächste Debatte um Atomkraftwerke kommt bestimmt.
Ob dieser Geist von Meseberg, den Scholz, Habeck und Lindner beschwören, es zurück bis nach Berlin schafft? Auch bei der letzten Koalitionsklausur auf Schloss Meseberg, Ende August 2022, hatte es zuvor Berichte über Streit im Kabinett gegeben. Auch damals mühten sich Lindner, Habeck und Scholz um ein Bild der Geschlossenheit. Besser wurde es nicht.
In Berlin werden die Diskussionen weitergehen. Darüber, wie lange die Ampel noch zusammenhält. Darüber, dass sie in Umfragen keine Mehrheit mehr hat. Darüber, dass die FDP sich offenbar entschlossen hat, Opposition in der Koalition zu machen - vermutlich, weil eine Landtagswahl nach der anderen verloren gegangen ist. Darüber, dass Grüne und FDP über Kreuz liegen, weil die einen massiv in Klimaschutz und Energiewende investieren wollen und die anderen penibel darauf achten, dass die Schuldenbremse eingehalten wird.
Diesen Grundkonflikt überdeckt der Schnee von Meseberg nur. Doch der wird schon bald schmelzen.
Quelle: ntv.de