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Obergrenze und Herkunftsländer Ampel zankt, Union schäumt - Migration nächstes Zoff-Thema

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Die überdeutlich präsentierte gute Laune in der Ampelkoalition auf Schloss Meseberg ist beim Thema Migration scheinbar schon wieder verflogen.

Die überdeutlich präsentierte gute Laune in der Ampelkoalition auf Schloss Meseberg ist beim Thema Migration scheinbar schon wieder verflogen.

(Foto: picture alliance / PIC ONE)

CSU-Chef Söder kapert Kanzler Scholz' "Deutschlandpakt" für die Migrationsdebatte. Den müsse es bei dem Thema geben. Obergrenzen und Grenzkontrollen sollen her, mehr sichere Herkunftsstaaten die Flüchtlingszahlen begrenzen. Letzteres begrüßt auch die FDP, zum Leidwesen der Grünen.

In der Migrationspolitik bahnt sich wegen der zugespitzten Lage auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa ein neuer Streit in der Ampel-Koalition an. Die FDP bekräftigte ihre Forderung, die Maghreb-Staaten Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer zu klassifizieren. Dagegen sprachen sich erneut die Grünen aus. Die Liberalen lehnten zugleich kategorisch ab, Flüchtlinge aus Lampedusa in Deutschland aufzunehmen. "Sollte es anders kommen, werden wir hier ein Problem in der Koalition bekommen", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai.

Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang sagte, nötig seien Fortschritte bei den Rückführungsabkommen. Die Maghreb-Staaten dürften allerdings nicht als sichere Herkunftsländer deklariert werden, fügte sie hinzu und nannte zur Begründung "systematische Menschenrechtsverletzungen" in Algerien, Marokko und Tunesien. "Das ist übrigens nicht nur unsere Position, sondern so ja auch innerhalb der Regierung beschlossen." Lang mahnte eine Wende in der EU-Asylpolitik an und forderte mehr Solidarität ein. "Wir wollen, dass andere Länder auch endlich ihrer Verantwortung gerecht werden." Italien müsse die Flüchtlinge zuverlässig registrieren, die Verteilung dann aber fair gestaltet werden.

Djir-Sarai mahnte indes, der Schritt einer Ausweitung der Liste der sicheren Herkunftsländer sei dringend erforderlich. Deshalb werde die FDP "diese intensive Auseinandersetzung innerhalb der Koalition auch so austragen". Menschen aus den Maghreb-Staaten hätten ohnehin nur eine geringe Chance darauf, in Deutschland als Asylsuchende anerkannt zu werden. Wenn allein Tunesien und Marokko auf die Liste der sicheren Herkunftsländer genommen würden, würden zehn Prozent weniger Migranten nach Deutschland kommen. In einem Beschluss des FDP-Präsidiums hieß es zu den sicheren Drittstaaten: "Damit würden wir die Verfahren so beschleunigen, dass sich Asylanträge, die nur auf Sozialleistungen ausgerichtet sind, nicht mehr lohnen."

Söder will nur 200.000 Asylbewerber jährlich

In der Debatte forderte CSU-Parteichef Markus Söder seinerseits einen "Deutschlandpakt" im Kampf gegen ungeregelte Migration. Experten rechneten in diesem Jahr mit bis zu 400.000 Asylanträgen, sagte Söder nach einer Sitzung seines Parteivorstandes in München. Er wiederholte seine Forderung nach einer Obergrenze in Höhe von rund 200.000 Asylbewerbern pro Jahr in der Bundesrepublik. "Es braucht eine Integrationsgrenze als Richtwert für unser Land", sagte Söder.

Das Modell der Integrationsgrenze ähnelt stark der Obergrenze, welche die CSU in der letzten großen Koalition durchgesetzt hatte. Damals führte das Konzept unter Söders Vorgänger Horst Seehofer zu einer Zerreißprobe mit der CDU von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der jetzige CDU-Chef Friedrich Merz unterstützt hingegen Söders Forderung.

Die Asylbewerberzahlen in Deutschland stiegen kontinuierlich an, während etwa im Nachbarland Österreich die Zahlen zurückgingen. Migration sei deshalb nicht nur eine europäische, sondern auch eine nationale Frage. Wenn die Flüchtlingszahlen zu hoch seien, sei Integration nicht mehr leistbar, sagte Söder mit Verweis etwa auf die Kapazitäten von Kindertagesstätten und Schulen. "Es braucht jetzt eine grundlegende Wende", betonte er.

Er wies Vorwürfe zurück, die Vorschläge seien dem bevorstehenden Termin der Landtagswahl in Bayern geschuldet. "Lampedusa kennt keine Landtagswahl in Bayern", sagte Söder mit Blick auf die italienische Mittelmeerinsel, auf der gerade eine große Zahl von Flüchtlingen aus Nordafrika ankommt.

Klingbeil warnt vor "Spaltung der Gesellschaft"

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SPD-Chef Lars Klingbeil kritisierte Söder für seine Forderungen massiv. Rund drei Wochen vor der Wahl in Bayern habe Söder "wieder zur großen Keule ausgeholt" und mache Politik auf dem Rücken von Migrantinnen und Migranten, sagte der SPD-Politiker. Es sei ein Politikmodell von Söder, dem Bund immer Ratschläge zu erteilen, "aber selbst anpacken wäre ja auch nicht falsch". "Deswegen können wir nur dringend davon abraten, jetzt Gesellschaft zu spalten und hier dann wirklich mit solchen Worten auch dafür zu sorgen, dass die Polarisierung weiter vorangetrieben wird", betonte Klingbeil. Die SPD wolle mit einem Politikstil, der die tatsächlichen Probleme anpacke und für Lösungen sorge, die "große Frage der Migration" anpacken. "Aber das erreichen wir nicht durch große Sprüche, sondern indem wir tatsächlich etwas verändern", sagte Klingbeil.

Ganz ähnlich wie Söder argumentierte auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann nach Sitzungen der CDU-Spitzengremien. "Die Zahlen müssen herunter", sagte er in Berlin. Dafür sollten nach dem Vorbild der deutsch-österreichischen Grenze auch an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz Grenzkontrollen eingeführt werden. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sei in der Verantwortung, dies umzusetzen. Außerdem sollten die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsstaaten im Asylrecht eingestuft werden.

Linnemann betonte, es gehe um Maßnahmen, die schnell binnen Wochen umzusetzen seien. Dies würde auch das Signal an die Kommunen geben, dass man sich um sie kümmere. Auf einen Migrationsgipfel im Frühjahr im Kanzleramt seien bisher keine Maßnahmen gefolgt.

Quelle: ntv.de, als/dpa/AFP/rts

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