Politik

Fünf Lehren aus der Wahl Drei Sieger, keine Koalition drängt sich auf

Auf der Wahlparty der Grünen sind auf einem Bildschirm Baerbock, Lindner und Scholz zu sehen - zwei von ihnen vertreten "Parteien, die gegen den Status-Quo Wahlkampf gemacht haben", wie der FDP-Chef es formuliert.

Auf der Wahlparty der Grünen sind auf einem Bildschirm Baerbock, Lindner und Scholz zu sehen - zwei von ihnen vertreten "Parteien, die gegen den Status-Quo Wahlkampf gemacht haben", wie der FDP-Chef es formuliert.

(Foto: picture alliance/dpa)

SPD, Grüne und FDP haben bei der Bundestagswahl zugelegt. Aber bilden sie auch eine Regierung? Wahrscheinlich ist: Wer Kanzler wird, entscheiden zwei der drei Wahlsieger.

Schon früh nach den ersten Prognosen und Hochrechnungen waren sich die Parteien in einem Punkt einig: Das wird eine lange Nacht. Dabei stimmt das gar nicht: Die zentrale Botschaft des Abends war bereits relativ früh klar: Die künftige Regierung wird von Grünen und FDP zusammen mit einer der beiden großen Parteien gebildet. Wenn das nicht klappen sollte, bleibt als dritte Option nur die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition unter veränderten Vorzeichen.

Lang werden dürfte daher die Zeit bis zur Regierungsbildung. Für ein Aufhorchen sorgte FDP-Chef Christian Lindner in der Berliner Runde. "Das Wahlergebnis ist nicht ganz einfach zu lesen", sagte er. Allerdings habe keine der Volksparteien mehr als 26 Prozent erreicht. "Deshalb könnte es ratsam sein, dass die Parteien, die gegen den Status-Quo Wahlkampf gemacht haben, zuerst miteinander reden - also dass zum Beispiel Grüne und FDP zuerst miteinander sprechen."

Grünen-Chefin Annalena Baerbock schien dem nicht abgeneigt. Ihre Partei habe bereits in den letzten Tagen deutlich gemacht, "dass diese Logik, dass einer alle anderen anruft, dem Aufbruch, der dieses Land braucht, nicht guttut". Es sei daher "mehr als sinnvoll, dass unterschiedliche Parteien in unterschiedlichen Konstellationen miteinander sprechen".

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Erste Lehre: Grüne und FDP entscheiden, wer Kanzler ist

Die erste Lehre des Wahlabends ist daher: Grüne und FDP sind die Kanzlermacher. Sind sie sich einig, wird entweder CDU-Chef Armin Laschet Bundeskanzler - oder der amtierende Vizekanzler, SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Noch während Lindner sprach, verschickte die FDP eine Pressemitteilung, in der es heißt, diese Bundestagswahl lasse der FDP "eine besondere Verantwortung zuwachsen". Die FDP sei bereit, ihren Beitrag zu leisten. Wie der konkret aussieht, bleibt vorerst allerdings offen.

Die Grünen haben ihr Ziel, das Kanzleramt zu erobern, klar verfehlt. Sie haben zwar deutliche Zugewinne zu verzeichnen. Doch hinter den Umfragewerten aus der Zeit vor dem großen Comeback der SPD sind sie weit zurückgefallen. "Offensichtlich haben wir unser kühnes Wahlziel nicht erreicht, sondern sind drunter geblieben", sagte Baerbock. "Dass das kein Grund zur Freude ist, ist klar." Als Auftrag für ihre Partei nimmt sie aus der Wahl mit, dass die nächste Bundesregierung "die Weichen dafür stellen muss, dass dieses Land in den nächsten zwei Jahrzehnten klimaneutral wird".

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Zweite Lehre: Die SPD hat gewonnen

Scholz wiederum sieht für die SPD einen "sehr klaren Auftrag", die nächste Regierung zu bilden. Geht es nur um Gewinne und Verluste, ist seine Partei der Sieger des Abends. Dennoch trat er in der Berliner Runde zurückhaltender auf als Laschet. In einer Koalition gehe es darum, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. "Die SPD ist deutlich stärker als in den Umfragen. Einige Parteien haben Zuwächse erzielt, andere nicht, das ist auch eine Botschaft."

Dritte Lehre: Laschet könnte trotzdem Kanzler werden

Laschet räumte ein, dass die Union einen Stimmenverlust erlebt habe, "der nicht schön ist". Für das schlechteste Unionsergebnis seit Gründung der Bundesrepublik war das eine ziemlich beschönigende Formel. Aus seiner Sicht lautet der Wahlauftrag, "aus der Mitte des Bundestages so viele Gemeinsamkeiten wie möglich zu finden". Auch auf Platz zwei halte er an dem Anspruch fest, eine Regierung zu bilden. Wie Scholz wirbt er mit einer Botschaft der Augenhöhe um Grüne und FDP: "Ich wünsche mir eine Regierung, wo auch jeder Partner vorkommt, wo auch jeder Partner sichtbar ist."

CSU-Chef Markus Söder erinnerte noch an den Wahlkampfschlager, mit dem die Union versuchte, auf den letzten Metern wenigstens ihre Stammwähler zu mobilisieren: "Die Deutschen möchten nicht Rot-Rot-Grün", sagte er, und dies sei auch eine Absage an Scholz, weil dieser Rot-Rot-Grün favorisiert habe. Ob Scholz das stimmt, darf bezweifelt werden: Scholz hatte ein Linksbündnis im Wahlkampf zwar nicht ausgeschlossen, aber - wie auch Baerbock - deutlich gemacht, dass es nicht seine erste Option wäre.

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Dass Laschet überhaupt noch in der Position ist, eventuell Kanzler zu werden, verdankt er allein der Tatsache, dass die Union nicht abgeschlagen hinter der SPD liegt. In einem solchen Fall, so viel darf als sicher gelten, wäre er noch am Wahlabend von seinen eigenen Leuten zum Rückzug gedrängt worden. Söder jedenfalls stützt Laschet - noch. Auf die Frage, ob das Ergebnis mit ihm besser gewesen wäre, sagte der CSU-Chef, das sei "wirklich Schnee von gestern". Laschet habe seinen Respekt und seine Unterstützung.

Vierte Lehre: Die Linke spielt keine Rolle

Für die Linken ist sicher: Für die Regierungsbildung werden sie nicht gebraucht. Sie mussten zwischenzeitlich sogar um den Wiedereinzug in den Bundestag zittern. All die Signale, dass sie eine Regierung Scholz mittragen würden, haben nichts gebracht. "Dieses Unentschiedensein, diese Zerstrittenheit in der Linken, die wir hatten, die hat auf jeden Fall geschadet", sagte Linken-Spitzenkandidat Dietmar Bartsch an diesem Abend.

Fünfte Lehrer: Zehn Prozent für die AfD

AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel wies in der Berliner Runde den Gedanken zurück, ihre Partei gehöre zu den Wahlverlierern. "Bereinigt" liege die AfD über dem Ergebnis von 2017, sie sei zweistellig und auch wieder in den Bundestag eingezogen. Dass sie bei der Regierungsbildung keine Rolle spielen, liegt in ihrem Fall nicht nur am Wahlergebnis, sondern daran, dass keine der anderen Parteien auch nur mit ihr reden will.

Auffällig ist, dass die eigene Zerstrittenheit der AfD nicht geschadet hat. Bereits vor der Bundestagswahl hatte Forsa-Chef Manfred Güllner gesagt, die AfD spreche die rund 10 Prozent der Wahlberechtigten an, "die anfällig sind für ein rechtsradikales, fremdenfeindliches und völkisches Weltbild". Darüber hinaus finde die AfD keine Zustimmung. Ob die Partei zerstritten oder einig ist, ob die Völkischen den Ton angeben oder die Moderaten, spielt bei der Wahlentscheidung ihrer Anhänger ganz offensichtlich keine Rolle.

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Quelle: ntv.de

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