Politik

Debatte zu Gewalt gegen Polizei Grüne und AfD ganz kurz einig - dann kracht es

00:00
Diese Audioversion wurde künstlich generiert. Mehr Infos
Gewalt gegen Polizisten und andere Einsatzkräfte, wie hier in Lützerath im Jahr 2023 - ein wachsendes Problem. Im Bundestag stellten sich alle Fraktionen hinter die Beamten, zumindest mehr oder weniger.

Gewalt gegen Polizisten und andere Einsatzkräfte, wie hier in Lützerath im Jahr 2023 - ein wachsendes Problem. Im Bundestag stellten sich alle Fraktionen hinter die Beamten, zumindest mehr oder weniger.

(Foto: IMAGO/Jochen Tack)

Im Bundestag diskutieren die Fraktionen über Gewalt gegen Polizisten, Rettungskräfte und Feuerwehrleute. Die lebhafte Debatte zeigt, wie viel Einigkeit es gibt - zumindest kurzzeitig. 

Wer in Deutschland eine Uniform trägt, ist eine Respektsperson - der Satz stimmt zwar noch weitgehend, aber sicher nicht mehr immer und überall. Etwas scheint ins Rutschen zu kommen: Zahlen des BKA zeigen eine wachsende Zahl von Übergriffen auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungskräfte. Rund 46.000 Mal wurden Gesetzeshüter angegriffen, wie die Behörde bereits im vergangenen Herbst mitteilte - das war ein Plus von acht Prozent und der größte Anstieg seit 2017. Auch bei anderen Einsatzkräften stiegen die Übergriffe.

Gerade erst legte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt neue Zahlen vor, die insgesamt einen Anstieg der politisch motivierten Gewaltkriminalität zeigen - den Großteil machen Rechtsextreme aus. Starkes Wachstum gibt es aber auch bei Gewalt, die mit dem Gaza-Krieg zu tun hat.

Darüber wollten Union und SPD reden und beriefen eine Aktuelle Stunde im Bundestag ein. Während einer Aktuellen Stunde wird nichts beschlossen - es ist eher so etwas wie die Talkshow des Parlaments. Auch ohne eine Maischberger oder Miosga zeigten sich die Abgeordneten in Debattierlaune.

Einig waren sich alle- von AfD über CDU, SPD, Grünen bis hin zu den Linken - darüber, dass Gewalt gegen Einsatzkräfte inakzeptabel ist und das Level besorgniserregende Höhen erreicht hat. Spannend wurde es bei der Frage, wie damit umzugehen ist. Union, AfD, SPD und Grüne stellten sich voll hinter die Polizei, wenn auch mit völlig unterschiedlichem Tonfall und Argumenten. Die Linke rang sich gerade noch so ein Bekenntnis gegen die Gewalt ab, kritisierte dann aber vor allem Gewalt vonseiten der Polizei.

Krings: Palästinenser-Demos alarmierender als Rechtsextreme

Der CDU-Abgeordnete Günter Krings stellte sich dagegen voll hinter die Beamten und schlug Law-and-Order-Töne an. Er rief einen Angriff auf einen Polizisten in Berlin-Kreuzberg in Erinnerung. Vergangene Woche sei der Mann während einer Pro-Palästina-Demo aus der Polizeikette herausgelöst und von einer aufgebrachten Menge angegriffen worden. Insgesamt seien elf Polizisten verletzt worden. "Eine Polizeiuniform reicht inzwischen aus, um das Ziel wütender Angriffe zu werden", konstatierte er.

Er nannte das Niveau der Gewalt alarmierend, was insbesondere für rechtsradikale Straftaten gelte. Für "noch alarmierender" hielt er aber das Wachstum bei den Straftaten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt. "Wenn auf unseren Straßen und Plätzen antisemitische Parolen gebrüllt werden, das Existenzrecht Israels abgelehnt wird oder unter dem Deckmantel einer Gaza-Solidarität Gewaltorgien stattfinden, dann werden wir das aufs Schärfste bekämpfen", sagte er. Der Hinweis auf "unbestreitbar große humanitäre Not in Gaza" könne und dürfe Gewalt und Rechtsbruch nicht entschuldigen.

Bei Gewalttätern ohne deutschen Pass müsse über aufenthaltsrechtliche Konsequenzen nachgedacht werden. Es gebe auch eine "Ausreisefreiheit", sagte er. Das Existenzrecht Israels sowie die Ablehnung von Antisemitismus seien im Rechtsstaat nicht verhandelbar, so Krings. Er versprach Gesetzesverbesserungen, um die Arbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten zu erleichtern - insbesondere durch bessere digitale Ermittlungsbefugnisse, die Speicherung von IP-Adressen und einen einfachen Datenaustausch zwischen allen Sicherheitsbehörden.

"Kernbotschaft: Wir sehen euch"

Damit ließ er wenig Raum für den AfD-Redner, der nach ihm ans Rednerpult trat. Steffen Janich zeichnete ein bedrohliches Bild von Deutschland, in dem alle fünf Minuten ein Polizeibeamter angegriffen werde. "Aufgabe der Politik ist es, für ein geordnetes Miteinander zu sorgen", sagte er. "In diesem Punkt hat die Politik auf ganzer Linie versagt". Dobrindt, der die Debatte von der Regierungsbank verfolgte, rief er zu: "Herr Minister, es brennt die Hütte".

Er forderte, die Polizei mit Elektroschock-Geräten, den sogenannten Tasern, auszustatten - was Dobrindt ebenfalls befürwortet. Außerdem sollten die Polizisten eher mit dem Einsatz der Schusswaffe drohen dürfen. Ein anderer AfD-Redner, Christoph Drößler aus Thüringen, sagte, das Problem gehe auf Linksextremismus und Migration zurück.

Für die SPD sprach Sebastian Fiedler, der selbst von Beruf Kriminalhauptkommissar ist. Als er in den 90ern Polizist in NRW geworden sei, seien ihm schon die Pflastersteine um die Ohren geflogen oder Beamten im Stadion die Nase blutig geschlagen worden, berichtete er. Im Gegensatz zu dem, was heute passiere, sei das aber "total harmlos" gewesen. Seine Kernbotschaft: "Wir sehen euch. Wir sehen jeden einzelnen Fall" Die Sichtweise der Sicherheitsbehörden sei immer präsent.

Auch der Grünen-Abgeordnete Marcel Emmerich stellte sich klipp und klar an die Seite der Polizei. Übergriffe gebe es nicht nur bei Großdemos, sondern im ganz normalen Alltag, beim Verkehrsunfall, beim Wohnungsbrand, beim Straßenfest. "Wenn diejenigen, die uns schützen, angegriffen werden, haben wir ein Maß an gesellschaftlicher Verrohung erreicht, das durch nichts zu rechtfertigen ist. Das darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben", sagte er. Da hätte selbst die AfD applaudieren können - doch damit endete die Einigkeit auch schon wieder.

Mehr Prävention, mehr Betreuung

Denn Emmerich zog aber andere Schlussfolgerungen als AfD und auch Union. Personal aufzustocken, Schutzwesten zu verteilen und Strafen zu verschärfen, reiche nicht, sagte er. Man müsse erforschen, woher der Zündstoff für Gewalt gegen Einsatzkräfte komme. Er forderte mehr Prävention und Nachsorge. Einsatzkräfte verdienten nicht nur Schutz, sondern auch praxisnahe Fortbildung, etwa darüber, wie man Konflikte deeskaliert. "Es kann nicht sein, dass Polizisten das Gefühl haben müssen, die Waffe immer griffbereit in der Hand haben zu müssen. Gute Arbeitsbedingungen müssten sich auch beim Gehalt widerspiegeln", so Emmerich.

Jan Köstering von der Linken sagte eingangs, Gewalt gegen Polizisten und Einsatzkräfte sei "grundsätzlich abzulehnen", lehnte aber die Forderungen der anderen Parteien ebenfalls ab. Höhere Strafen und mehr Befugnisse der Polizei seien nicht die Lösung, sagte er. Er forderte zwar ebenfalls Maßnahmen gegen Gewalt - aber nicht bezüglich der Gewalt gegen Polizisten, sondern bezüglich der Gewalt vonseiten der Polizei und forderte stärkere Kontrollen der Polizei.

Weiterführend war sein Versuch, die Gewalt auch mit den gesellschaftlichen Zusammenhängen in Verbindung zu bringen: Armut, Prekarisierung, Perspektivlosigkeit und mangelndes Vertrauen gegenüber der Polizei. Gerade deswegen müsse sie überwacht werden, forderte er. "Nicht alle Menschen erleben die Vertreterinnen der Polizei gleichermaßen hilfsbereit und neutral, wie es ihr Amt erfordert", sagte er und kritisierte damit das sogenannte Racial Profiling. Damit ist gemeint, wenn Polizisten Menschen letztlich nur wegen ihrer Haar- oder Hautfarbe kontrollieren.

CDU-Politiker Jürgen Hardt bemerkte anschließend, man könne nach Körtings Rede den Eindruck gewinnen, der Polizist, dem am vergangenen Freitag in Berlin in den Hals gestochen wurde, müsse sich obendrein noch dafür entschuldigen, seinen Beruf ausgeübt zu haben. Klar war nach der Debatte vor allem eines: Es besteht Handlungsbedarf.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen