
In München suchen Minister nach Lösungen für den Krieg in Syrien und nach einem Weg, die Flüchtlinge zu bremsen. Es geht um Kampfschiffe, Elektriker und verschlüsselte Chatnachrichten.
Gleich zwei Premieren hatte die Münchner Sicherheitskonferenz 2016 an ihrem ersten Tag zu bieten. Die erste war der Auftritt des saudischen Außenministers Adel al-Dschubair, der zumindest Unterhaltungswert hatte. Mit der Unterstützung der Anti-IS-Koalition hat sich Saudi-Arabien einen Platz auf der Sicherheitskonferenz erarbeitet. "Psychopathen" seien die Führer des Islamischen Staates, "und sie ziehen andere Psychopathen an", tat der Minister auf der Bühne kund. Diese Sekte sei ohne Religion und ohne Moral.
Soweit konnte jeder im Saal al-Dschubair folgen. Russen, Europäer, Türken, Iraner und Amerikaner mögen in vielen Fragen weit auseinanderliegen – auf den gemeinsamen Feind IS können sich doch alle einigen. Anders ist das bei der Frage, was an die Stelle des IS treten soll, wenn man ihn vertrieben hat. Die Verbündeten des einen sind die Feinde des anderen. Sie Situation ist so kompliziert, die Parteien so ratlos, dass die Sicherheitskonferenz an ihrem ersten Tag eher einem Brainstorming glich als einem Wettbewerb um die besten Pläne zur Lösung des syrischen Dilemmas und der Flüchtlingskrise.
"Was ist zu tun?", fragte die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen – und brachte dann die Bundeswehr ins Spiel. Nein, deutsche Soldaten sollen keine Schutzzone in Syrien einrichten. Sie sollen Flüchtlinge in zivilen Berufen ausbilden, damit diese eines Tages beim Wiederaufbau ihres Landes behilflich sein können. Vom Elektriker bis zum Feuerwehrmann gebe es in der Bundeswehr über 100 Ausbildungsberufe.
Flüchtlinge abschrecken jetzt, Umsiedelung später
Kämpfen sollen deutsche Soldaten nicht, auch nicht bei der Nato-Mission, die bald in der Ägäis zwischen Griechenland und der Türkei beginnen wird. Von der Leyen stellte klar, dass die Schiffe der Allianz, auch ein deutsches ist darunter, selbst keine Flüchtlingsboote aufbringen sollen – es sei denn, es handelt sich um eine Notlage. Ansonsten sollen die Nato-Kräfte die Küstenwache Griechenlands oder der Türkei oder die EU-Grenzschutzagentur Frontex benachrichtigen, wenn sie auf Flüchtlinge treffen.
Ziel ist es, die Menschen schon in türkischen Gewässern zu stoppen und an Land zurückzubringen. Macht man damit schon das Schleuser-Geschäft zunichte? Von der Leyen setzt auch auf die Signalwirkung. Die Botschaft an Flüchtlinge solle sein: "Macht das nicht. Gebt nicht so viel Geld für einen Schleuser aus." Später sollen dann Flüchtlinge auf legalen Wegen nach Europa kommen können.
Der Chef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Kenneth Roth, fragte später Kanzleramtschef Peter Altmaier, ob die Türkei damit de facto als sicherer Drittstaat anerkannt sei. Wo es doch Probleme gebe, etwa damit, minderjährige Flüchtlinge in die Schule zu schicken. Altmaier antwortete, dass seiner Meinung nach die Türkei durch die Aufnahme von mehreren Millionen Flüchtlingen eindrucksvoll bewiesen habe, dass sie ein solches sicheres Herkunftsland sei.
Geheimdienste fürchten private Verschlüsselungen
Ganz andere Sorgen machte sich James Clapper, nationaler Geheimdienstdirektor der USA. Er bestätigte das Gerücht, dass der IS industriell hergestellte Chemiewaffen verwendet. Zu mehreren Vorfällen gebe es ausreichende Beweise. Es sei klar, dass die Terroristen ihre Waffen auch gerne bei Anschlägen im Westen, auch gegen die USA einsetzen würden.
Auch aus den USA reisen Menschen nach Syrien, um den IS zu unterstützen. Um das so weit wie möglich zu verhindern, hätten die Geheimdienste "große Anstrengungen unternommen, die Informationsmenge noch zu erhöhen".
Robert Hannigan, der Chef des britischen Geheimdienstes GCHQ sprach über die Gefahr von Cyber-Angriffen durch den IS: "Er lernt sehr schnell aus Fehlern und verbessert konstant sein Fachwissen", sagte Hannigan.
Dass überhaupt hochrangige Geheimdienstler auf der Sicherheitskonferenz sprechen, war die zweite Premiere. Man müsse mit der Arbeit transparenter umgehen, so Hannigan, um Verständnis für die Arbeit zu wecken. Der Grund dafür ist wohl eine Spätwirkung aus den Snowden-Enthüllungen: Immer mehr Internetnutzer verschlüsseln ihre Kommunikation, was den Geheimdiensten ihre Arbeit erschwert oder diese sogar unmöglich macht. Verschlüsselung sei ein wichtiges Element privater Sicherheit, so Hannigan. Doch man müsse "Missbrauch" verhindern. Und damit meinte er offensichtlich auch die Verschlüsselung von Alltagskommunikation: "Wie können wir die Menschen davon abhalten, Verschlüsselung zu nutzen?", fragte er.
Quelle: ntv.de