Politik

Auf einmal wird Politik gemacht Pegida traut sich ans Licht

Anders als an den Montagen konnte das offenbar unverzichtbare schwarz-rot-goldene Kreuz unbeleuchtet bleiben.

Anders als an den Montagen konnte das offenbar unverzichtbare schwarz-rot-goldene Kreuz unbeleuchtet bleiben.

(Foto: imago/Future Image)

Zum ersten Mal wollen die politikverdrossenen Pegida-Anführer selbst Politik machen: Sie kündigen ein Volksbegehren für mehr innere Sicherheit an. Und obwohl sie ihre Überparteilichkeit betonen, lassen sie das Grußwort eines Politikers verlesen.

Diese Pegida-Demo findet an einem frühen Nachmittag statt, zum ersten Mal braucht es keine Scheinwerfer, um sich gegenseitig zu erkennen, und zum ersten Mal stellt Kathrin Oertel eine Forderung auf, die so konkret ist, dass sie sich auch erfüllen ließe.

Daran haperte es bislang. Das Schweigen zu Beginn, das 19-Punkte-Papier im Dezember und die sechs Forderungen aus dem Januar gaben der Politik keinen konkreten Auftrag, sondern ein Rätsel auf. Was bitte, wollen diese Leute? Dass wirklich Tausende für "sexuelle Selbstbestimmung" auf die Straße gehen, wie es im Positionspapier heißt, haben die Beobachter nie geglaubt.

Doch nun gibt es ein klares Ziel und sogar einen Plan, wie es erreicht werden soll. Es geht um die "Polizeireform 2020", die der sächsische Landtag beschlossen hat und die unter anderem einen Stellenabbau vorsieht. Oertel will sie nun per Volksbegehren kippen, kündigt sie an. Inhaltlich ist das nicht überraschend. Die innere Sicherheit gehörte von Anfang an zu den Kernthemen von Pegida. Aber die Form ist neu: Bislang wollte Pegida lediglich "wachrütteln", die inhaltliche Arbeit sollten dann bitte Politiker erledigen. Wochenlang haben die Redner auf den Demos über Politiker geschimpft, ohne eine Alternative anzubieten. Jetzt kündigt Oertel zum ersten Mal an, selbst Politik zu machen – wie es in der Demokratie ja jedem freisteht. Weit gediehen scheinen die Gedanken für das Volksbegehren noch nicht zu sein, zu Details ist nichts zu erfahren. Aber immerhin.

"Charlie Hebdo": Selbst schuld

Von Montag auf Sonntag

Für Montag hat der Verein "Dresden - Place to be" zu einer Demonstration für Toleranz und Weltoffenheit aufgerufen. Mehrere Künstler, unter anderem Herbert Grönemeyer, werden dabei auftreten. Die Veranstaltung ist als Konkurrenz zu Pegida gedacht, die normalerweise auch montags demonstrieren. Nun verlegte der Pegida-Verein seine Demonstration allerdings auf den Sonntag und rief ebenfalls zur Demonstration von "Dresden - Place to be" auf. Die Pegida-Anhänger sollten sich das Konzert nicht entgehen lassen müssen, so die Pegida-Vorsitzende Kathrin Oertel.

Ein wenig offenbart der Plan auch die Widersprüche von Pegida: Die Gründer der Bewegung fordern direkte Demokratie, haben aber noch nie die bestehenden direktdemokratischen Möglichkeiten genutzt. Im Vergleich mit anderen Bundesländern sind diese Möglichkeiten in Sachsen gar nicht so schlecht. Lediglich 40.000 Unterschriften braucht Pegida, um den Prozess in Gang zu bringen. Und auch eine "Pflicht zur Integration", eine weitere Kernforderung, könnte man durchaus auf Landesebene regeln. Pegida müsste dazu ein bisschen mehr erarbeiten als ein paar knackige Sätze. Doch bislang ist das nicht geschehen. Und trotzdem beklagen die Vereinsmitglieder, die Politik würde ihre Forderungen ignorieren.

Nun will Pegida also damit beginnen, Politik zu machen. Eine alte Strategie bleibt dennoch erhalten. Demnach geben sich die offiziellen Pegida-Vertreter gelassen und wenig aggressiv, laden aber gleichzeitig Menschen auf ihre Bühne ein, die schärfere Worte finden. Ein Redner arbeitet sich an Wolfgang Thierse ab, der eine Woche zuvor bei Günther Jauch auf Kathrin Oertel getroffen war, ein anderer zitiert minutenlang Gewaltphantasien der Antifa. Ein Redner lobt die französische Zeitschrift "Charlie Hebdo" als Symbol für Mut und Freiheit. Ein anderer sagt, die islamkritischen Karikaturisten bräuchten sich nicht zu wundern, "wenn sich Muslime finden, die die Forderungen des Islams erfüllen". Immer wieder beginnen Sätze mit "ich habe nichts gegen Moslems, aber...". Und jedes Mal ruft jemand aus dem Publikum "doch!" dazwischen. Es ist nicht nur die Argumentation, mit der die Gastredner Schärfe in die Veranstaltungen bringen, vor allem ist es der Ton ihrer Reden: wütend, aufbrausend, aggressiv.

Ein spezieller Gruß aus den Niederlanden

Pegida braucht die Scharfmacher weiterhin, gerade jetzt. Die lauen Ansagen der Kathrin Oertel bringen die Demonstration einfach nicht so in Stimmung, wie es Lutz Bachmann vermochte. Die Sprechchöre sind schon an diesem Sonntag leiser als an den vergangenen Montagen. Erstmals sinkt die Teilnehmerzahl. Laut Polizei kommen 17.300, vor zwei Wochen waren es 25.000.

Ein bekannter Scharfmacher darf sich zumindest per Grußwort an die Demonstranten wenden. "Ihr seid nicht allein", wird da verlesen. Es sind Worte des niederländischen Rechtspopulisten und Europaskeptikers Geert Wilders, der die komplexen Zuwanderungsprobleme schon mal auf die Frage "Wollt ihr mehr oder weniger Marokkaner?" herunterbrach. Im Europawahlkampf verglich er den Islam mit dem Faschismus. Wilders ist der erste Parteipolitiker, von dem ein Grußwort auf der Pegida-Bühne verlesen wird. Eigentlich betont die Gruppe, auch an diesem Sonntag wieder, ihre Überparteilichkeit. Wilders ist nun der nächste, der die Leute für sich vereinnahmen möchte. "Ihr seid Teil von etwas ganz Großem", schreibt er.

Quelle: ntv.de

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