Interview mit Thüringens SPD-Chef "SED-Erben? Das ist mir zu einfach"
05.12.2014, 06:02 Uhr
Bodo Ramelow (2.v.l.) könnte heute Geschichte schreiben.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Koalitionsvertrag in Thüringen steht. Doch heute kommt es im Landtag zur Zitterpartie, wenn mit Bodo Ramelow Deutschlands erster Linker-Regierungschef gewählt werden soll. SPD-Landeschef Andreas Bausewein steht hinter Rot-Rot-Grün. Daran ändern auch zwei frühere Stasi-Leute nichts.
n-tv.de: Herr Bausewein, heute wollen SPD und Grüne den Linken Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten wählen. Wie überzeugt sind Sie von Rot-Rot-Grün?

Einen Ministerpräsidenten der Linken finde ich ....
Andreas Bausewein: Ich bin schon sehr überzeugt von Rot-Rot-Grün. In einer Demokratie gehört auch der Wechsel dazu. Thüringen tut eine reformorientierte Regierung gut. In den letzten fünf Jahren in der Großen Koalition hat die CDU viele große Projekte boykottiert, die verabredet waren. Zum Beispiel die Gebietsreform. Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit von 46 Stimmen im Landtag steht. Nicht nur bei der heutigen Wahl, sondern über die ganzen fünf Jahre.
Es gibt viele Proteste gegen eine rot-rot-grüne Regierung. Der frühere DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz sagte: "25 Jahre nach der Erstürmung der ersten Stasi-Zentrale in Erfurt würde die rechtliche Nachfolgepartei der SED wieder die führende Rolle übernehmen." Haben Sie Verständnis dafür?
Diese Sorgen muss man ernst nehmen. Dass die Leute demonstrieren, ist auch in Ordnung. Es muss mir nicht gefallen, was da inhaltlich gefordert wird, aber Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Dafür ist man auch vor 25 Jahren auf die Straße gegangen.
Was sagen Sie denn denjenigen in Ihrer Partei, die Rot-Rot-Grün ablehnen?
Auf unserem Parteitag hatten wir letzte Woche eine Zustimmung von 95 Prozent. Wir dürfen die Leute nicht rausdrängen, die eine andere Meinung haben, und müssen alles dafür tun, dass die Vorbehalte abgebaut werden.
Was sagen Sie denen, für die die Linken hauptsächlich die SED-Erben sind?
Das ist mir ein bisschen zu einfach. Bei allen Verletzungen, die es damals gab: Es ist 25 Jahre her und es sind vielfach nicht dieselben Leute in der ersten Reihe. Vor ein paar Tagen habe ich einen Artikel gelesen, in dem stand: Wenn Ramelow Regierungschef wird, ist das die endgültige Niederlage der DDR. Da ist was dran. Die Linke ist im Osten in weiten Teilen eine zutiefst pragmatische Partei. Seit Jahren übernimmt sie Verantwortung, stellt Bürgermeister und Landräte. Sie war auch schon mehrfach an Landesregierungen beteiligt.
Aber nie in führender Position.
Das stimmt, aber das gehört zur Demokratie dazu. Demokratietheoretisch muss mir mal einer erklären: Wie soll eine Partei nur als kleiner Koalitionspartner regierungsfähig sein und nicht, wenn sie die stärkere ist? Das ist doch absurd. Als Sozialdemokrat muss mir das nicht gefallen, aber so ist es jetzt nun mal.
Mit Frank Kuschel und Ina Leukefeld werden zwei Linke die neue Regierung wählen, die früher für die Stasi tätig waren. Ist das in Ihren Augen unproblematisch?
Beide bekleiden in dieser Regierung keine hervorgehobenen Positionen, das war ja auch eine Bedingung von uns.
Die Regierung wird aber nicht nur heute, sondern bei all ihren Anträgen in den kommenden Monaten und Jahren von diesen zwei Personen abhängig sein.
Ja, das kann sein. Aber auch die CDU hat ihre Leute im Landtag, die in der Ost-CDU waren oder wie im Fall einer ehemaligen Ministerin (n-tv: Marion Walsmann) in der DDR-Volkskammer jeden Mist mitgetragen haben.
Würden Sie nicht unterscheiden zwischen Menschen, die für die Stasi gearbeitet haben und denen, die in Blockparteien tätig waren?
Die führende politische Rolle in der DDR lag bei der SED, das ist klar. Aber in der Volkskammer wurden alle Beschlüsse einstimmig gefasst. Mir ist wichtig: Wenn, dann muss man die Vergangenheit generell aufarbeiten und nicht nur an einer Stelle. Wenn es nur danach ginge, wer die weiße Weste hat, dann hätten Grüne und Sozialdemokraten 80 Prozent der Stimmen holen müssen. Das haben wir aber nicht, es waren zusammen nicht einmal 18 Prozent.
Rot-Rot-Grün hat im Landtag nur eine Stimme Mehrheit. Warum sind Sie so sicher, dass die Mehrheit steht?
Man kann in keinen Kopf hineinschauen, das ist auch gut so. Das ist eine geheime Wahl. Die Abgeordneten gehen allein in die Kabine und machen ein Kreuz. Ich bin mir sicher, dass die 12 Sozialdemokraten stehen. Genauso sicher bin ich, dass alle 46 Stimmen stehen. Ich weiß, dass einige von uns angesprochen wurden, aber jeder weiß, worum es geht. Auch wer Schwarz-Rot präferiert, sollte wissen, dass das nicht trägt. Die Grünen und auch wir schließen seit Wochen eine Zusammenarbeit mit den Christdemokraten aus. Jetzt können wir nicht plötzlich umkippen und es doch noch machen. Schauen Sie sich den Zustand der CDU doch mal an und wie die übereinander herfallen.
Und was, wenn es nicht klappt mit Rot-Rot-Grün?
Dann muss es Neuwahlen geben. Aber ich hoffe, dass uns das erspart bleibt. Wir sagen ja nicht, dass wir jetzt für 30 Jahre Rot-Rot-Grün wollen. Aber bis 2019 gilt diese Aussage schon.
Mit Andreas Bausewein sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de