800 Milliarden für die Rüstung So will von der Leyen das Geld zur "Wiederbewaffnung" auftreiben


Die Europäer müssen viel Geld auftreiben, um ihre Verteidigung unabhängiger von den USA zu machen.
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Die Europäer müssen sich beeilen. US-Präsident Trump droht damit, sie militärisch fallen zu lassen. Für ihre Verteidigung braucht die EU jetzt viel Geld. Deshalb legt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen einen Fünf-Punkte-Plan vor - dessen Umsetzung aber schwierig wird.
1. Was genau schlägt von der Leyen vor?
Die EU-Kommissionspräsidentin will die Verteidigungsausgaben in der EU deutlich erhöhen. 800 Milliarden Euro will sie insgesamt für Europas "Wiederbewaffnung" auftreiben. Davon sollen aber nur 150 Milliarden direkt von der EU kommen, den restlichen Betrag müssen die Staaten selbst auftreiben. Das entsprechende Maßnahmenpaket mit fünf Punkten liegt RTL/ntv vor:
- Damit die Mitgliedstaaten aufrüsten und der Ukraine mehr Waffen liefern können, will von der Leyen einen 150 Milliarden Euro schweren Fonds einrichten. Investieren sollen die Mitgliedstaaten laut ihrem Plan vor allem in "Luft- und Raketenabwehr, Artilleriesysteme, Flugkörper und Munition, Drohnen und Drohnenabwehrsysteme, strategische Grundlagen und Schutz kritischer Infrastrukturen, auch in Bezug auf den Weltraum, militärische Mobilität, Cyberspace, künstliche Intelligenz und elektronische Kriegsführung".
- Die EU-Schuldenregeln sollen ausgesetzt werden. Dies soll durch eine sogenannte Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts für den Bereich Verteidigung geschehen. Der Pakt begrenzt die Neuverschuldung eines jeden EU-Landes eigentlich auf 3 Prozent und den Schuldenstand auf 60 Prozent der Wirtschaftsleistung.
- Die Mitgliedstaaten sollen entscheiden, ob sie die ihnen zugeteilten Mittel aus dem EU-Haushalt umwidmen, etwa Gelder aus der Regionalförderung. Waffenkäufe dürfen zwar nicht direkt aus dem EU-Haushalt finanziert werden, dafür aber zum Beispiel die Infrastruktur für die Rüstungsindustrie.
- Die Europäische Investitionsbank soll mehr Kredite vergeben, von der die Rüstungsindustrie profitieren kann.
- Neben den staatlichen sollen auch private Investitionen in die Verteidigung angekurbelt werden.
2. Warum geht die EU diesen Schritt?
Die US-Regierung hat ihre Militärhilfe für die Ukraine vorerst eingestellt. Trump wolle so einen Friedensschluss erreichen, hieß es aus dem Weißen Haus. Zudem fordert der US-Präsident, die Europäer sollten selbst für ihre Sicherheit und die Verteidigung der Ukraine aufkommen. In ihrem Maßnahmenpaket schreibt von der Leyen, sie werde weiter auf die Zusammenarbeit mit den USA setzen, aber "der Kontext, in dem wir agieren, verändert sich drastisch und dramatisch". Zuletzt verlangte Trump von NATO-Verbündeten, fünf Prozent ihrer Wirtschaftskraft für ihren Wehretat auszugeben. Viele EU-Staaten erreichen aber nicht einmal die Zwei-Prozent-Marke, darunter Italien, Portugal und Belgien. Falls die Mitgliedsstaaten ihre Verteidigungsausgaben im Durchschnitt um 1,5 Prozent des BIP erhöhen würden, dann könnten sie den finanziellen Spielraum von nahezu 650 Milliarden Euro über vier Jahre schaffen, sagte von der Leyen auf einer Pressekonferenz. Deshalb wolle sie die EU-Schuldenregeln aussetzen.
3. Woher soll das Geld für den Verteidigungsfonds kommen?
Von der Leyen ließ offen, woher die 150 Milliarden für den neuen Fonds kommen sollen. Laut Politico könnten ungenutzte Kredite aus dem Corona-Wiederaufbaufonds umgeschichtet werden, insgesamt 93 Milliarden Euro. Nach Angaben des "Handelsblatts" handelt es sich bei den Mitteln für den Verteidigungsfonds um rückzahlbare Kredite, die Verschuldung der EU steige dadurch im Endeffekt nicht an. Das ist wichtig, damit Deutschland dem neuen Fonds zustimmt. Berlin lehnt die Aufnahme neuer EU-Schulden strikt ab. Um den neuen EU-Topf zu beschließen, reicht laut der Zeitung eine qualifizierte Mehrheit im Rat der Mitgliedstaaten aus. Wäre eine einstimmige Entscheidung nötig, könnten russlandfreundliche Staaten wie Ungarn oder die Slowakei ihr Veto einlegen.
4. Welche Probleme gibt es bei der Umsetzung?
Mittel aus dem neuen Verteidigungsfonds könnten besonders effizient ausgegeben werden, falls Rüstungsgüter gemeinsam eingekauft würden, heißt es im Fünf-Punkte-Plan. Allerdings stellt sich die Frage, ob die EU Gelder für Verteidigung wirklich effizienter verwalten kann als die einzelnen Mitgliedstaaten. Für eine reibungslose gemeinsame Beschaffung bräuchte die EU eigentlich einen Binnenmarkt für Rüstungsgüter. Bislang konkurrieren die Rüstungsindustrien der einzelnen Mitgliedstaaten jedoch miteinander. Verteidigungskommissar Andrius Kubilius wurde zwar beauftragt, einen Rüstungs-Binnenmarkt zu schaffen. Aber er hat seinen Posten, den es vorher so nicht gab, erst vor wenigen Monaten angetreten.
Zudem gibt es Befürchtungen, dass hoch verschuldete Mitgliedstaaten wie Frankreich oder Italien durch die Aussetzung der Schuldenregeln zu exzessiven Ausgaben verleitet werden. Dies würde die Gefahr einer weiteren Krise des Euro erhöhen. Von der Leyen ließ jedoch offen, ob und inwiefern sie den Ländern Bedingungen stellt, falls diese sich weiter verschulden.
Quelle: ntv.de