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Nach dem Scheitern der Offensive Wenn die Ukraine verliert, liegt es an uns, nicht an ihr

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Ukrainische Flaggen mit den Namen von Gefallenen auf dem Kiewer Maidan, dem Platz der Unabhängigkeit.

Ukrainische Flaggen mit den Namen von Gefallenen auf dem Kiewer Maidan, dem Platz der Unabhängigkeit.

(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Die Unterstützung der Ukraine lässt nach, eine Niederlage gegen die russischen Invasionstruppen wird zum realen Szenario. Das wäre nicht nur für die Ukraine dramatisch. Dabei ist klar, was zu tun ist.

Für die Ukraine geht ein hartes Jahr zu Ende. Nach der Befreiung von Charkiw und Cherson im Herbst 2022 war die Hoffnung aufgekommen, dass die Gegenoffensive 2023 einen entscheidenden Durchbruch bringen würde. Stattdessen verzögerte sie sich erst, dann scheiterte sie.

Mittlerweile steht die ukrainische Armee vielerorts in der Defensive. Die Invasionsarmee des russischen Diktators überzieht das Land weiterhin mit Terror. Seit dem 24. Februar 2022 war für keine Sekunde auch nur zu erahnen, dass Putin von seinem Ziel abgerückt wäre, die Ukraine entweder zu erobern oder zu vernichten. Russland selbst ist weiterhin vollständig im Griff seiner imperialistischen Todesideologie.

Endziel dieser Mischung aus Gift und Dreck ist, Europa zu dominieren. Das ist der Grund, warum es immer heißt, dass die Ukrainer "auch für uns" kämpfen: Wenn Putins Soldateska in der Ukraine erfolgreich ist, wird sie dort nicht stehen bleiben. Schwer vorstellbar? Das galt auch für Russlands Überfall auf die Ukraine. "Wir können heilfroh sein, dass der Putin nicht so ist, wie er dargestellt wird, nämlich ein durchgeknallter russischer Nationalist, der sich daran berauscht, Grenzen zu verschieben", sagte die heute parteilose Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht vier Tage vor Beginn der Invasion bei Anne Will. "Und ich möchte mir nicht ausmalen, wie lange Europa dann noch bewohnbar wäre."

Wagenknecht zeigt, dass man einen Irrtum einräumen und zugleich daran festhalten kann. Der Westen insgesamt sollte klüger sein - ist es aber nicht. Noch immer liefert er zu wenig, zu spät, zu defensiv. Warum das so ist, darüber kann man nur spekulieren: Die beiden Hauptverantwortlichen für diese Form der Unterstützung, US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz, erklären ihr Vorgehen nicht öffentlich.

Ein Teil der Gründe dürfte in der Angst liegen, Anhänger zu verprellen, denen Waffenlieferungen selbst für einen Freiheitskampf zuwider sind. Zumal substanzielle Lieferungen auf Dauer nicht mehr aus dem Bestand zu machen sind - dafür ist es nötig, die Kapazitäten der Rüstungsindustrie aufzubauen. Gerade in Deutschland ist das offenbar immer noch ein Thema, das Politiker lieber nicht anfassen. Russland dagegen - ein Land mit vergleichsweise lächerlichem Bruttoinlandsprodukt - hat die Produktion von Rüstungsgütern massiv angekurbelt.

Vielleicht ist auch noch ein bisschen von der Furcht aus dem vergangenen Jahr übrig geblieben, als die russischen Atomraketen als Argument gegen die Lieferung von Kampfpanzern herhalten mussten. Allerdings hat diese Erklärung an Überzeugungskraft verloren: Die Kampfpanzer rollen ja nun schon eine Weile durch die Ukraine.

In einem Punkt haben Scholz' Strategen im Kanzleramt jedoch recht: Es gibt in diesem Krieg keine Wunderwaffen. Natürlich würden weder die Leopard 2 noch die zugesagten Kampfjets oder die von der Ukraine dringend gewünschten Taurus-Mittelstreckenraketen aus deutschen Beständen den Krieg schlagartig beenden. Einen Unterschied würden solche Waffen dennoch machen. Die Taurus beispielsweise könnten russischen Nachschub an die Front abschneiden. Die Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des CDU-Verteidigungsexperten Roderich Kiesewetter zeigt, dass die Gründe für das Verweigern der Raketen vorgeschoben sein dürften.

Die USA und Deutschland als wichtigste Unterstützer der Ukraine verweigern diesen Unterschied. Das ist der Grund, warum die Frühjahrsoffensive auf den Sommer verschoben werden musste und dann scheiterte. Das ist der Grund, warum Putin sich in der Offensive wähnt. Das ist der Grund, warum Europa weniger sicher ist als vor einem Jahr. Sollte die Ukraine verlieren, dann wird es nicht an ihr liegen, sondern an uns.

Quelle: ntv.de

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