Pressestimmen

Maut-Gesetz im Bundestag "Akzeptanz der Demokratie gefährdet"

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Erfolg für die CSU: Der Bundestag beschließt die umstrittene Pkw-Maut. Ab 2016 ist die Abgabe fällig, bei der faktisch nur Ausländer zahlen. Die EU-Kommission hält das für eine europarechtswidrige Diskriminierung. Auch die deutsche Presse ist nicht überzeugt.

Die CSU hat es geschafft: Der Bundestag beschließt mit großer Mehrheit die umstrittene Pkw-Maut. Ab 2016 wird für inländische und ausländische Nutzer von Autobahnen und Bundesstraßen eine Abgabe fällig. Dabei sollen deutsche Autofahrer über die Kfz-Steuer wieder entlastet werden. Im Ergebnis zahlen also nur ausländische Fahrzeughalter. Die EU-Kommission hält das für eine europarechtswidrige Diskriminierung von EU-Ausländern. Auf n-tv.de schreibt Christoph Herwartz: "Das ist alles so kompliziert, so undurchschaubar, so sinnlos, so schräg, dass es als populistische Forderung nicht einmal für einen Landtagswahlkampf taugen würde." Auch die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen sind von der Maut nicht überzeugt.

"Was heißt es nun, wenn eine Koalition ein solches Gesetz wider besseren Wissens durchpeitscht?", fragt die Heilbronner Stimme. Denn: "Guten Gewissens kann ob der zahlreichen Mängel und Risiken kein Abgeordneter zugestimmt haben. Hoffen sie darauf, dass Brüssel das Gesetz kippt? Das wäre eine Feigheit, die kaum zu überbieten wäre. Auf jeden Fall ist die Pkw-Maut schon jetzt ein Paradebeispiel dafür, dass Macht, Machterhalt und Hybris in der Politik oft mehr zählen als ein ordentliches Gesetz."

Die Berliner Zeitung urteilt: "Das Maut-Gesetz, das der Bundestag am Freitag beschlossen hat, ist nun aber ein echtes Ärgernis geworden. Nicht nur überträgt es die unnötige Verwaltungsarbeit an Privatfirmen, natürlich auf Staatskosten. Trotz aller Warnungen koppelt Schwarz-Rot die Maut zudem direkt an die Kfz-Steuerentlastung der Deutschen. Sollte die EU wie angedroht diese Kopplung streichen - oder einst eine spätere Bundesregierung -, zahlen Deutsche künftig sogar für Bundesstraßen Maut. Die Infrastruktur dafür hat Dobrindt nämlich eingeführt - noch dazu ohne Sinn für die Umwelt: Spritschlucker und Vielfahrer zahlen so viel wie Sparsame."

"Die bisherigen Maut-Pläne sind zwar blanke Flickschusterei, eine finanzielle Beteiligung aller Verkehrsteilnehmer an Sanierung und Ausbau der Infrastruktur hätte aber durchaus ihren Sinn.", findet der Mannheimer Morgen und fordert eine Entlastung der ganz anderen Art: "Dann allerdings müssten die Autofahrer tatsächlich an anderer Stelle entlastet werden - und zwar nicht nur bei der Kraftfahrzeugsteuer, sondern auch beim Spritpreis. Wenn schon ein Systemwechsel, dann bitte auch ein kompletter."

"Die Pkw-Maut steht als Beispiel dafür, dass Politik sich gern um sich selbst dreht und nicht so sehr um die Menschen.", findet die Landeszeitung aus Lüneburg. "Bis auf die CSU hält der große Rest im Parlament herzlich wenig von dem aufziehenden Nullsummenspiel - und doch wird das Lieblingsprojekt der Bayern vom Bundestag beschlossen. Aus Koalitionsräson, wie sich die SPD zu erklären beeilt. Oder auch nach dem Motto: Gibst du mir meinen Mindestlohn, gebe ich dir deine Straßengebühr". Könnte man Politiker beim gesprochenen Wort nehmen, wären Rücktritte eigentlich unvermeidlich, so die Zeitung. "Etwa der der Kanzlerin, die im Wahlkampf 2013 versichert hat: 'Mit mir wird es eine Pkw-Maut nicht geben.' Oder von dem Nord-Granden der SPD, Ralf Stegner, der bemerkte, es müssten schon Weihnachten und Ostern zusammenfallen, bis so eine Maut komme. Die Zitateliste ließe sich fortsetzen, aber was brächte das?"

Die Thüringer Allgemeine vermutet hinter der Zustimmung der Bundeskanzlerin politisches Kalkül: "Natürlich weiß auch eine Angela Merkel sehr gut, dass die Maut noch vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern kann. Für sie wäre diese vermeintliche Niederlage letztlich sogar ein Erfolg. Denn dann hätte sie auf der einen Seite zu Seehofers Mautplänen gestanden - und auf der anderen Seite wäre doch alles so gekommen, wie sie es versprochen hatte: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben."

Auch der Bonner General-Anzeiger findet das Handeln der deutschen Politiker verantwortungslos: "Pkw-Maut, Hotelsteuer, Rente mit 63 und Mütterrente - das sind vier Beispiele, bei denen vier Parteien rücksichtslos Sonderinteressen von Wählergruppen durchgesetzt haben, die diesen Parteien besonders nahestehen. Und zwar zum Nachteil der Allgemeinheit. Wer so handelt, der gefährdet die Akzeptanz der Demokratie."

Zusammengestellt von Louisa Uzuner

Quelle: ntv.de

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