Pressestimmen

Versammlungsverbot in Heidenau "Das Gewaltmonopol gehört nicht Ronny"

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(Foto: picture alliance / dpa)

Rund eine Woche nach den rechten Krawallen im sächsischen Heidenau ist dort ein Willkommensfest für Flüchtlinge geplant. Die Polizei kapituliert, es wird ein viertägiges Versammlungsverbot verhängt. Die stark kritisierte Entscheidung kommt allerdings vor Gericht nur teilweise durch - das Fest darf stattfinden, die Demonstrationen am Wochenende nicht. Während Heidenau nun also doch feiert, hält die Presse jede Menge Kritik bereit.

Die Saarbrücker Zeitung kommentiert: "Sachsen bleibt ein Paradebeispiel dafür, wie man nicht mit dem Flüchtlingsthema umgehen sollte. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat unlängst völlig zu Recht betont, dass man nicht nach dem Aufstand der Anständigen rufen kann, wenn es keinen Anstand der Zuständigen gibt. Dass dieser Anstand an einigen Stellen fehlt, und zwar nicht nur in Sachsen, dieser Eindruck drängt sich immer mehr auf."

"Das sächsische Kuschen vor den Fremdenfeinden, dem ein Verwaltungsgericht gerade noch Einhalt gebot, kann nicht ohne politische Konsequenzen bleiben. Sonst macht das noch Schule", meint auch der Nordbayerische Kurier und appelliert an die Kanzlerin: "Angela Merkel muss Stärke zeigen. 'Dunkeldeutschland' hat der Bundespräsident jenen Teil des Landes genannt, in dem der Hass regiert. Für Sachsen muss man schwarz sehen. Stünde es auf einer Liste sicherer Drittstaaten, müsste man es von dort streichen."

Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung ist hingegen klar: "Über ein Versammlungsverbot in Heidenau gab es nur eine vernünftige Entscheidung: 'offensichtlich unbegründet', wie das Verwaltungsgericht Dresden feststellte. Selbst die Polizei hatte über das Landratsamt den Kopf geschüttelt, nachdem es ein 'Willkommensfest' für Flüchtlinge untersagt hatte (...). Ein Versammlungsverbot hätte den Bürgern von Heidenau außerdem die Möglichkeit genommen, mit einem Fest zu zeigen, was wirklich in ihnen steckt."

"Unzählige Hundertschaften der Polizei werden Samstag für Samstag durch die Republik kutschiert, um jeden noch so grottigen Zweitligakick zu schützen - aber wenn ein Ort, der europaweit unrühmlichst Schlagzeilen gemacht hat, ein Fest für Flüchtlinge geben will, sind angeblich nicht genug Kräfte verfügbar, um es vor Neonazis zu schützen. Wahnsinn", schreibt die Münchner Abendzeitung und wettert weiter: "Beschämend genug, dass so eine Veranstaltung Schutz braucht. Sie ausfallen zu lassen, wäre jedoch ein Kniefall vor dem Mob. Das Gewaltmonopol gehört dem Staat, nicht Ronny und Enrico."

Die Schwäbische Zeitung blickt unterdessen sorgenvoll in die Zukunft: "Völlig unabhängig davon, wie die Polizei dieses Wochenende in Sachsen bewältigen wird, stellt sich eine zunehmend drängende Frage: Sind die Organe der inneren Sicherheit in den nächsten Monaten - vielleicht sogar Jahren - personell und von der Ausbildung her in der Lage, für Ordnung in einem umfassenden Sinn zu sorgen? Notstand heißt Ausnahme, nicht Normalzustand."

Zusammengestellt von Annika Thöt

Quelle: ntv.de

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