Pressestimmen

Hetze gegen Asylsuchende "Merkels Schweigen ist eine Zumutung"

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(Foto: picture alliance / dpa)

In einer Suhler Flüchtlingsunterkunft prügeln sich Flüchtlinge. Prompt sehen sich Neonazis und Asylgegner in ihren Ressentiments bestätigt und machen Stimmung gegen alle Asylsuchenden. Die deutsche Presse kritisiert die Tatenlosigkeit der Bundesregierung, den den Rechten das Feld überlasse - und die Länder und Kommunen mit der Unterbringung der Menschen zu wenig unterstütze.

Die Frankenpost aus Hof schämt sich für die fremdenfeindlichen Angriffe auf Flüchtlingsheime und gesteht: "Es gibt Tage, da möchte man kein Ausländer sein in Deutschland. Und auch kein Deutscher. Wenn Brandsätze gegen Asylbewerberheime fliegen." Die Politik müsste eingreifen, doch der Wille für eine konkrete Lösung der Flüchtlingsproblematik fehle. "Merkels Innenpolitik ist eine Politik des Nichts-Sehens, Nichts-Hörens, Nichts-Sagens. Wo es Hilfe braucht, herrscht Sprachlosigkeit", so die Kritik des Blatts. Es sei richtig, den Griechen zu helfen. Dabei dürfe der Blick aber nicht von den Menschen abgewendet werden, die in Deutschland Zuflucht suchen. "Die Bürger wollen sich nicht länger schämen müssen für eine Regierung, die untätig den rechten Krakeelern das Feld überlässt."

Auch der Münchener Merkur sieht Angela Merkel in der Bringschuld. Asylbewerberheime brennen, Flüchtlinge prügeln sich in übervollen Unterkünften und Freiwillige stoßen an ihre Belastungsgrenzen. "Nur die Kanzlerin tut so, als ob das alles sie nichts anginge. Merkels Schweigen ist eine Zumutung." Lange wird das aber nicht gut gehen können. "Denn die Methode Merkel, die darin besteht, Probleme mit Geld zuzuschütten, versagt, wenn weltweit die Wirtschaft auf Talfahrt geht und die Steuerquellen aufhören zu sprudeln."

Die Politik müsse mehr tun, um "Konflikte zu verhindern und einen zivilen Umgang zu fördern", fordert die Süddeutsche Zeitung. Bei überfüllten Unterkünften und Mangel an Perspektiven funktioniere dies jedoch nicht. Ein Handeln sei zwingend notwendig. So sollten die politisch Verantwortlichen "mehr Helfer schicken und die Bürokratie so abbauen, dass bessere Unterkünfte schneller fertig werden können". Diejenigen, die handeln, seien aber nicht die Politiker, sondern Rechtsextreme, die gegen Asylanten hetzten. "Verhärtet und fanatisch sind nicht nur diese oder jene Flüchtlinge, sondern auch viel zu viele Deutsche", stellt die Zeitung fest.

Die Nürnberger Nachrichten sehen das Versagen nicht nur auf deutscher, sondern auch auf europäischer Ebene. "Die EU liefert bisher beim Thema Asyl ein Trauerspiel", so die Anklage. Die Aufnahme der Flüchtlinge klappe nicht, zu wenige Staaten kämen ihrer Pflicht bei der Aufnahme und Unterbringung dieser Menschen nach, denn zu viele setzten auf Abschottung. Es gäbe zwar Maastricht-Regeln für den Euro: "Nun bräuchten wir aber auch Menschlichkeits-Regeln beim Asyl: gemeinsame, hohe Standards, vergleichbare Verfahren, faire Verteilung", lautet die klare Ansage des Blatts.

Drastischere Worte wählt der Kölner Stadt-Anzeiger. Nicht die Flüchtlinge seien in dieser Situation die Zumutung, es sei genau umgekehrt. "Wir sind die Zumutung. Wir im reichen Norden sind die Schmarotzer - mit einem Lebensstil, erkauft mit dem Raubbau an natürlichen Ressourcen, mit Umweltzerstörung, Unterentwicklung und der Verelendung ganzer Weltregionen." Der Westen sei mitverantwortlich für den Bürgerkrieg in Syrien, der die Menschen reihenweise zur Flucht nach Europa zwingt. Zu sagen, man könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, sei die Lieblingsfloskel derer, "die am liebsten gar niemanden aufnähmen". Sie sei zwar nicht unwahr, aber "wir müssen mehr tun als bisher, und wir werden dafür auch mehr bezahlen müssen. Der Moment für eine Wohlstandsdividende ist günstig."

Zusammengestellt von Katja Belousova

Quelle: ntv.de

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