Recht verständlich Chef als Biest im Roman – Kündigungsgrund?
15.12.2015, 10:05 UhrRomane, auch Trivialliteratur, sind grundsätzlich durch die Kunstfreiheit im Grundgesetz geschützt. Aber wie weit darf ein Arbeitnehmer gehen? Gibt es einen "Freibrief" für deftige Satireäußerungen?
Der künstlerischen Freiheit sind selten Grenzen gesetzt. Allerdings darf Kunst auch nicht Persönlichkeitsrechte verletzen und lebende Personen beleidigen. Bei Verwendung des realen Namens von Chef und Kollegen und strafrechtlich relevanter Beleidung dieser Personen wäre dies klar, aber auch bei fiktiven Romanfiguren, die möglicherweise "in Anlehnung" an reale Personen existieren und beschrieben werden, gilt kein Freibrief für die Kunst. Hier ist aber immer genau zu prüfen, ob wirklich reale Personen zu erkennen sind, und selbst wenn dies der Fall ist, liegt nicht in jedem Schicksal einer Romanfigur auch eine Beleidigung, die eine Kündigung des Arbeitsvertrages nach sich ziehen kann. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm legte mit Urteil vom 15.07.2011 – Az.: 13 Sa 436/11 – die Grundzüge der Abgrenzung hierzu fest und erklärte im Ergebnis die fristlose Kündigung für unwirksam.
Hintergrund war folgender Fall: Ein Arbeitnehmer und Betriebsratsmitglied veröffentlichte unter seinem eigenen Namen einen satirischen Roman mit dem Titel "Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht! Der Roman ist in der Ich-Perspektive erzählt, der Ich-Erzähler stammt wie der Mitarbeiter aus dem kaufmännischen Bereich eines Küchenmöbelherstellers. Trotz des Hinweises des Autors zu Beginn des Buches, dass alle auftauchenden Personen und Handlungen "natürlich" frei erfunden seien, entstand nach Veröffentlichung in dem Unternehmen eine große Diskussion.
Die Geschäftsführung und mit Ihnen auch einige Mitarbeiter fühlten sich selbst und andere Unternehmensangehörige eindeutig und erkennbar im Buch beschrieben und dann durch die zum Teil sehr deftige Sprache und falsche Behauptungen beleidigt. In dem Roman tauchten Bezeichnungen wie z.B. "alte Schachtel", "alte Schrappe", "dieses elendige Miststück! Diese faule Sau!" auf oder "Eure Heiligkeit, der Firmenchef" und Abteilungsleiter "allesamt Buckelprofis vom Feinsten,…". Es wird außerdem der Firmenchef nicht gerade schmeichelhaft beschrieben, sondern als kaltblütiger "Arsch, dem Papa das Feld geebnet hat…", der unter anderem die Geschäftspolitik betreibe, Mitarbeiter aus dem Unternehmen zu mobben, indem Kündigungsgründe wie durch fingierte Diebstähle mit "untergejubelten" Gegenständen gesucht werden.
Die Geschäftsführung verstand keinen Spaß und kündigte fristlos nach Zustimmung durch den Betriebsrat.
Das LAG erklärte diese Kündigung genauso wie auch schon das erstinstanzliche Arbeitsgericht Herford für unwirksam. Im Ergebnis konnte sich der Arbeitnehmer hier auf die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz geschützte Kunstfreiheit berufen. Romane, auch Trivialliteratur sind grundsätzlich als Kunst geschützt. Zwar gibt Kunst keinen Freibrief. Auch die Kunstfreiheit ist nicht grenzenlos und es dürfen nicht Verletzungen von gleichermaßen grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechten durch Beleidigung realer Personen erfolgen. Sind die realen Vorbilder für Romanfiguren für einen großen Bekanntenkreis erkennbar und drängt sich für einen vertrauten Leser die Identifizierung auf, dann können Persönlichkeitsrechtsverletzungen vorliegen. Hier erkannten die Gerichte – anders als von der Geschäftsführung behauptet – gerade nicht das Unternehmen des Arbeitgebers, den Geschäftsführer und andere Mitarbeiter als eindeutig und erkennbar im Roman beschrieben. Eine gravierende Persönlichkeitsrechtsverletzung von Unternehmensangehörigen konnte nicht nachgewiesen werden.
Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel MM, ist Partnerin der Kanzlei FPS.
Quelle: ntv.de