Archaisch, aber erlaubt Gericht macht Stehpinklern Hoffnung
01.10.2015, 18:18 UhrUrin mag ein guter Dünger sein, doch auf teurem Marmorboden wirkt er im wahrsten Sinne des Wortes ätzend. Müssen Vermieter in Kauf nehmen, dass ihnen urinierende Mieter den Boden ruinieren? In Düsseldorf wird über das Stehpinkeln und seine Folgen verhandelt.

Brüssel hat den Stehpinkler mit dem Manneken Pis sogar ein Denkmal gesetzt.
(Foto: imago stock&people)
Die Konstellation war für den Kläger durchaus heikel: Drei Frauen haben am Düsseldorfer Landgericht in seiner Abwesenheit seinen Fall verhandelt. Und obwohl der Finanzmanager einem zunehmend als archaisch empfundenen männlichen Verhalten frönt - er uriniert im Stehen - wird das Urteil wohl zu seinen Gunsten ausfallen. Stehpinkler können nach der vorläufigen Bewertung des Gerichts vorsichtig aufatmen: Wenn in ihrer Mietwohnung die Böden unter ihrem Verhalten leiden, müssen sie dafür allenfalls im Ausnahmefall aufkommen.
Das Gericht schloss sich damit im Wesentlichen der Vorinstanz an: Die Vermieterin habe mit ihrer Berufung keine Aussicht auf Erfolg, hieß es zwar vorläufig, aber dennoch deutlich. Was war geschehen? Nach dem Auszug des Mieters aus seiner Düsseldorfer Wohnung stellte die Vermieterin fest, dass im Gäste-WC und im Bad die edlen Marmorböden stumpf geworden waren - rund um die Toilettenbecken. Ein Fachmann erkannte mit geübtem Blick, dass dies die Folge regelmäßigen Urin-Niederschlags sein müsse, wie er von einem Stehpinkler verursacht werde. Der Urin habe die Oberflächen im Lauf der Jahre regelrecht verätzt.
Die Vermieterin ließ die Böden austauschen und wollte sich dafür an der Mietkaution schadlos halten, von der sie 2000 Euro abzog. Das brachte nun den standhaften Mieter in Rage: Er klagte auf Auszahlung seiner Mietkaution - und hatte schon in der ersten Instanz die Justiz auf seiner Seite.
Vermieterin hätte warnen müssen
Nicht schlechter lief es nun in der Berufung: Auch wenn in der vermieteten Wohnung die Marmorböden in Bad und Gäste-WC durch Urinspritzer stumpf geworden seien, was das Gericht als erwiesen ansieht, sei dies "keine schuldhafte Beschädigung der Mietsache". Die Sachlage wäre möglicherweise anders zu bewerten, wenn die Vermieterin auf die besondere Empfindlichkeit des Bodens hingewiesen und Vorgaben zu seiner Pflege gemacht hätte, sagte die Vorsitzende Richterin Sylvia Geisel. Dies sei aber nicht geschehen.
Dass Berufungen durchaus ein zweischneidiges Schwert sein können, musste die Vermieterin dann auch noch erfahren, denn das Gericht stellte Ungereimtheiten in der Nebenkostenabrechnung fest, über die der Amtsrichter noch nicht gestolpert war. 660 Euro Hausverwaltungskosten seien dem Mieter unzulässigerweise aufgebürdet worden. Die kann er nun auch noch zurückverlangen.
Der Fall hatte bereits vor einigen Monaten für internationales Aufsehen gesorgt, als Amtsrichter Stefan Hank sich in seiner Urteilsbegründung zugunsten der Stehpinkler äußerte. Wörtlich hieß es darin: "Trotz der in diesem Zusammenhang zunehmenden Domestizierung des Mannes ist das Urinieren im Stehen durchaus noch weit verbreitet. Jemand, der diesen früher herrschenden Brauch noch ausübt, muss zwar regelmäßig mit bisweilen erheblichen Auseinandersetzungen mit - insbesondere weiblichen - Mitbewohnern, nicht aber mit einer Verätzung des im Badezimmer oder Gäste-WC verlegten Marmorbodens rechnen." Das Urteil des Landgerichts soll am 12. November verkündet werden (Az.: 21 S 13/15).
Quelle: ntv.de, Frank Christiansen, dpa