
Mercedes braucht jemanden, der 2025 das Cockpit von Lewis Hamilton übernimmt. So viel steht fest. Mick Schumacher würde den Job gerne übernehmen, um wieder Stammfahrer in der Formel 1 zu sein. Doch die Liste der Kandidaten ist lang.
An Mick Schumacher soll es nicht scheitern. "Es ist natürlich eine Position, die sehr viel Druck mit sich bringt", sagt der 24-Jährige im exklusiven Interview mit RTL/ntv über die Option, bei Mercedes vom Ersatz- und Testfahrer wieder zum Formel-1-Stammpiloten aufzusteigen: "Aber vom Gefühl her bin ich ihr gewachsen." Es ist immerhin nicht irgendeine Position, sondern die Nachfolge des erfolgreichsten Fahrers in der Geschichte der Rennserie. Weil Lewis Hamilton zur Saison 2025 zu Ferrari wechselt, ist der Platz im Silberpfeil plötzlich unbesetzt. Und Schumacher als derzeitiger Mercedes-Testfahrer eine logische Option, diese Lücke zu füllen.
"Das hätte ich nicht gedacht", sagt Schumacher über die Nachricht, die die Königsklasse in der vergangenen Woche in Aufruhr versetzt hat - der britische "Independent" schrieb gar vom "gigantischsten aller Schocks", zumal die Mercedes-Führung um Teamchef Toto Wolff offenbar kalt erwischt wurde. Hamilton, das Gesicht der Mercedes-Dominanz, der sechs seiner sieben WM-Titel und 82-Grand-Prix-Siege mit dem deutschen Team gewonnen hat, geht zu Ferrari. Und hinterlässt Wolff die schwierige Aufgabe, jemanden zu finden, der in kaum auszufüllende Fußstapfen tritt.
Schumacher, der 2021 (im chancenlosen Haas) und 2022 (im konkurrenzfähigeren Haas) in 43 Rennen nur zweimal die Punkteränge erreichte, fühlt sich bereit dafür. "Es ist aber nicht meine Entscheidung." Nach einem Jahr 2023 an der Boxenmauer ist er in dieser Saison zumindest wieder regelmäßig im Einsatz, allerdings abseits der Formel 1 und nicht für Mercedes, sondern für Alpine in der Langstrecken-WM WEC und mit den 24 Stunden von Le Mans als Höhepunkt. Ein Engagement auch in der Hoffnung, sich damit für eine Rückkehr aufs F1-Grid zu empfehlen.
Mercedes-Chef Wolff sagte zur Nachfolger-Suche bislang nur, er wolle "niemandem zu keinem Zeitpunkt ausschließen", zu viel schon habe er in der Formel 1 erlebt. Das eröffnet zugleich viel Raum für Spekulationen. Schließlich gehört Mercedes trotz der Red-Bull-Dominanz der vergangenen Saisons unzweifelhaft zu den Titelanwärtern, zumindest dem eigenen Anspruch nach. Entsprechend lang ist die Liste der Kandidaten und entsprechend umfangreich die möglichen Wechselwirkungen. "Auf jeden Fall wird sich viel tun", sagt Schumacher im Gespräch mit RTL/ntv. Verbunden sicherlich mit der Hoffnung, dass der Idealfall eintritt und Mercedes ihm ein Angebot unterbreitet.
43-jähriger Alonso oder 18-jähriger Antonelli?
Eine naheliegende Lösung für das Mercedes-Dilemma wäre es, den Ex-Weltmeister mit einem anderen Ex-Weltmeister zu ersetzen: Fernando Alonso. Sein Vertrag bei Aston Martin läuft bis Ende 2024 und der dann 43-Jährige macht keine Anstalten, seine 2001 bei Minardi begonnene F1-Karriere damit beschließen zu wollen. Alonso ist neben Hamilton der wohl kompletteste Fahrer im Feld - dürfte allerdings vor der Abwägung stehen, ob er dem auch seinetwegen aufstrebenden Aston-Martin-Team zutraut, an Mercedes vorbeizuziehen.
Mercedes könnte allerdings auch ins Risiko gehen und erstmals einen Formel-1-Neuling ins Auto setzen: Andrea Kimi Antonelli, 2006 geboren. Der Italiener ist Meister diverser Kart- und Formel-Klassen, seit 2019 Mercedes-Junior. Die Formel 3 überspringt er und darf sich in diesem Jahr in der Formel 2 beweisen. Darauf solle er sich auch fokussieren, sagte Mercedes-Chef Wolff: "Wenn wir ihm den Kopf verdrehen oder Gerüchte in die Welt setzen, hilft ihm das überhaupt nicht. Er ist gerade erst dem Kartsport entwachsen, noch nicht mal 18 Jahre alt. Ich würde eher nicht spekulieren, dass er zu diesem Zeitpunkt in die Formel 1 kommt."
Allerdings könnte Mercedes auf Zeit spielen, um seine Entwicklung in der Formel 2 abzuwarten. Sollte er dort gleich in seinem ersten Jahr den Titel gewinnen, dürfte er keine zweite Saison im F1-Unterbau absolvieren und würde sich zugleich für eine schnelle Beförderung empfehlen.
Fast schon zu offensichtlich erscheint die Option, Carlos Sainz zu verpflichten, der sein Ferrari-Cockpit am Saisonende an Hamilton verliert. Allerdings wird der Spanier bereits mit Audi in Verbindung gebracht, das 2026 das Sauber-Team übernimmt. Der 29-Jährige konnte außerdem in seiner Ferrari-Zeit an der Seite von Charles Leclerc nicht vollends überzeugen. Mercedes böte ihm die Chance, trotz der Demission wieder vorne mitzufahren. Ein Wechsel zu Audi böte wohl größeres Risiko.
McLaren-Duo würde wohl teuer werden
Mercedes könnte auf den überraschenden Abgang eines (Ex-)Weltmeisters jedoch auch reagieren wie 2016, als Nico Rosberg plötzlich abtrat: mit der Verpflichtung eines Williams-Fahrers. Damals kauften die Silbernen Valtteri Bottas aus seinem Vertrag, diesmal könnte Alexander Albon in den Fokus rücken. Williams-Teamchef James Vowles arbeitete bis Anfang 2023 für Mercedes, der Draht zu Wolff also ist kurz. Der Brite deutete bereits an, im Falle der Fälle nicht im Weg stehen zu wollen. Jedoch wird beim 27 Jahre alten Albon auch über eine Rückkehr zu Red Bull spekuliert, um die Nachfolge von Sergio Perez anzutreten - der dort 2021 sein Cockpit übernommen hatte.
Eine Ablöse wäre auch fällig, sollte sich Mercedes mit dem McLaren-Duo beschäftigen: Dem 24-jährigen Lando Norris und dem 22-jährige Oscar Piastri wird eine große Zukunft prophezeit, schon allein deshalb wird Wolff auch diese beiden Namen auf dem Zettel haben. Allerdings besitzen beide langfristige Verträge bei McLaren, eine Ablöse dürfte entsprechend hoch ausfallen. Eng mit Wolff verbunden ist Esteban Ocon, wie Schumacher derzeit bei Alpine aktiv, allerdings als F1-Stammpilot. Der einstige Mercedes-Junior sagte einmal, dass er ohne Wolff nie so weit gekommen wäre. Ob die Silbernen ihm allerdings WM-Titel zutrauen, ist fraglich.
Als Außenseiter-Kandidat ist auch Daniel Ricciardo zu sehen. Der Australier ist mit 34 Jahren nach überschaubar erfolgreichen Jahren bei Renault und McLaren zurück im Red-Bull-Kosmos, ersetzte 2023 zur Saisonhalbzeit Nyck de Vries bei Alpha Tauri. Ricciardo indes soll in erster Linie darauf aus sein, künftig wieder an der Seite von Max Verstappen um Siege zu kämpfen.
Die absolute Sensation wäre eine Verpflichtung von Sebastian Vettel. Schon bei Ferrari folgte der vierfache Weltmeister seinem Idol Michael Schumacher, der dann auf den Rücktritt bei der Scuderia das Überraschungscomeback bei Mercedes folgen ließ. Wolff und er sind befreundet und offenbar auch regelmäßig in Kontakt, über die Ebene des Gedankenspiels dürften diese Überlegungen jedoch kaum hinausgehen. "Ich möchte keinen romantischen Gedanken verfolgen", moderierte Wolff derartige Spekulationen auch gleich charmant ab, als sie ihm in einer Presserunde präsentiert wurden.
Auch zu Mick Schumacher hatte sich Wolff bereits geäußert, wenn auch eher ausweichend. In der Vergangenheit sprach der Österreicher auch schon klarer, hatte stets von den Qualitäten des ehemaligen Formel-3- und Formel-2-Meisters geschwärmt. Jetzt bietet sich erstmals die Gelegenheit, den wohlgesinnten Worten Taten folgen zu lassen. Schumacher betont bei RTL/ntv, dass er "alles sehr genau verfolge", was sich auf dem Fahrermarkt tue. "Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, werde ich mit Sicherheit darauf vorbereitet sein." Die Frage ist nur, ob und in welcher Form sich diese Gelegenheit überhaupt ergibt. "Meine Chance ist da. Wie groß sie ist, weiß ich noch nicht."
Quelle: ntv.de