Der ultimative n-tv.de EM-Wegweiser Ronaldo kitzelt Österreich, Belgien brodelt
18.06.2016, 08:20 Uhr
Ronaldo: Polarisiert, aber seine direkten Freistöße treffen bei großen Fußballturnieren nie den Weg ins Tor.
(Foto: REUTERS)
Österreich steht schon heute mit dem Rücken gegen die Wand – ausgerechnet gegen Portugal und Superstar Cristiano Ronaldo, der eine unrühmliche Statistik mit sich rumschleppt. Belgien spielt gegen Irland und die Unruhe im Team.
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Was waren das für Serien, die da am ersten Spieltag der Gruppe F endeten: Portugal hatte seine letzten sieben Pflichtspiele gewonnen, bis Island sich erdreistete, ein Remis zu erkämpfen. Österreich feierte sogar in den letzten neun Pflichtspielen vor der EM Siege, wurde als Geheimfavorit gehandelt - und fiel über die robusten Ungarn. Im Duell der Enttäuschten um 21 Uhr (ARD) steht Österreich unter dem größeren Druck. Noch eine Niederlage, und das Vorrundenaus ist so gut wie besiegelt. Zu allem Überfluss fehlt der Bremer Zlatko Junuzovic, der beste Verteidiger Alex Dragovic muss wegen seiner gelb-roten Karte aussetzen. Angeblich soll Trainer Marcel Koller deswegen sogar in Betracht ziehen, David Alaba extra für die Bewachung von Cristiano Ronaldo vom Mittelfeld in die Abwehr zu versetzen. „Ich halte ihn für den Besten der Welt“, sagte Alaba vor dem Duell. "Er kann mit seiner Qualität Spiele allein entscheiden." Vielleicht, so hoffen sie im österreichischen Lager, sorgt der Superstar in den gegnerischen Reihen aber auch dafür, dass Österreich nicht wie gegen Ungarn mit der falschen Einstellung ins Spiel geht. "Portugal ist auch wegen Ronaldo als Gegner so attraktiv", sagt der Stuttgarter Florian Klein. "Natürlich ist das eine zusätzliche Motivation."
Der beste Zeitpunkt für ein EM-Päuschen
Das Schöne an klassischen Underdogs ist ja, dass sie dem neutralen Beobachter ein Fan-Dasein für 90 Minuten ermöglichen. Wenn es gegen Cristiano Ronaldos Portugiesen geht, werden aus Schland-Fans zügig und unkompliziert Ischland-Sympathisanten. Ein Mechanismus, der eher unspannende Ansetzungen in stimmbandgefährdende Thriller verwandelt. Heute 18 Uhr (ARD) treffen allerdings gleich zwei Underdogs aufeinander: Island und Ungarn. Die einen trieben Cristiano Ronaldo zur Weißglut, ja, aber mit einem brutalen Ansatz: Die meisten Pässe (35) spielte Torwart Hannes Halldórsson, der Ballbesitz lag bei 27,5 Prozent. Die anderen gewannen ihren Auftakt überraschend mit 2:0 - aber es war eben nur Österreich, und ganz nebenbei das wahrscheinlich schlechteste Spiel der bisherigen Endrunde. Ob sie ihre Auftritte gemeinsam unterbieten können? Wir trauen uns gar nicht, hinzuschauen.
Was verursacht EM-Herzrasen?
Und auf einmal brennt es lichterloh. Bis auf Weltranglistenplatz 1 hat Trainer Marc Wilmots seine Belgier geführt, aus dem Nichts. Das zählt überhaupt nichts mehr seit der Auftaktpleite der Roten Teufel gegen Italien. Die Journalisten mäkeln, die Spieler verweigern die Loyalität. Keeper Thibaut Courtois stimmte in Interviews ein in den Kanon derer, die Wilmots vorwarfen, er habe sich von seinem italienischen Kontrahenten Antonio Conte vorführen lassen. Radja Nainggolan wartete mit der öffentlichen Kritik an seinem Trainer nicht einmal, bis er duschen war. Folgen eines missglückten Auftakts oder schon sichtbare Risse in der Mannschaft? So oder so bleibt Belgien dank seiner individuellen Klasse gegen Irland (15 Uhr, ARD) klarer Favorit. Alles andere als ein Sieg wäre eine Überraschung - und wahrscheinlich der Anfang vom Ende Marc Wilmots‘. Die Iren wissen all das. Ein belgischer Journalist offensichtlich nicht, er fragte Co-Trainer Roy Keane, ob Irland nicht vielleicht die Favoriten in diesem Spiel seien. Die konsternierte Antwort: "Haben Sie was getrunken?"
Die Zahl des Tages: 34
Vier Schritte rückwärts, Beine breit, Hände an den imaginären Pistolenhalfter: Cristiano Ronaldo steht zum Freistoß bereit. Das ist sein Haka, sein Kriegstanz, seine unmissverständliche Botschaft, dass hier ein gnadenloser Vollstrecker zur Tat schreitet. Zwischen Schauspiel und Wirklichkeit klafft allerdings eine Lücke, die so groß ist, dass einzig und allein Cristiano Ronaldos Ego groß genug ist, sie zu füllen. Diese Lücke, in Zahlen ausgedrückt: Satte 34 mal hat Cristiano Ronaldo bei seinen 28 Einsätzen für Portugal bei Welt- und Europameisterschaften einen direkten Freistoß getreten. Anzahl der Tore: null. Rein statistisch gesehen verwandelt CR7 bei einer WM oder EM also null Prozent seiner direkten Freistöße. Zu seiner Ehrenrettung sei allerdings seine gute Gesellschaft erwähnt. Der große Gheorghe Hagi versuchte es 27 mal erfolglos, Ronald Koeman 22 mal, Wesley Sneijder und Francesco Totti 18 mal. Der effizienteste aller Freisoßschützen: Thomas Häßler, der bei zwei seiner zehn Versuche ins Tor traf.
Angeberwissen für das Public Viewing
Europameisterschaften, das muss man klipp und klar konstatieren, sind zumindest bislang nicht die Sache der Österreicher. Sie sind eigentlich nie dabei und wenn, dann läuft es nicht besonders gut. Von den vier EM-Spielen ihrer Verbandsgeschichte haben sie keines gewonnen und nur ein einziges Törchen erzielt. Aber immerhin: Das späte 1:1 durch einen Elfmeter gegen Polen bedeutete gleich einen Rekord - Schütze Ivica Vastic ist mit seinen damals 38 Jahren und 257 Tagen der älteste Spieler, der je bei einer Europameisterschaft getroffen hat.
Das EM-Histörchen des Tages: 18. Juni 1980
Italiens Trainer Enzo Bearzot tobte: Eine "Menschenjagd" sei das gewesen, was die Belgier da gerade auf dem Platz veranstaltet hätten. Tatsächlich erkämpften sich die Roten Teufel das 0:0 im letzten Vorrundenspiel und damit den Gruppensieg mit allen Mitteln - mit italienischen Mitteln, wie sein Gegenüber Guy Thys genüsslich erläuterte: "Zeit schinden, Spielrhythmus zerstören, mit Händen und Füßen kloppen und auch das Spucken nicht vergessen." Und noch eine Waffe hatten die Belgier in ihrem Arsenal, eine, die im internationalen Fußball noch nie so gezielt eingesetzt wurde wie von Guy Thys‘ Team bei der EM 1980: die Abseitsfalle. Bearzot verspottete sie vor dem Duell mit Belgien als ein "Relikt des Fußballs, angewandt nur von Stümpern, das eine modern stürmende Mannschaft wie Italien nicht aufhalten kann“. Der Coach, der zwei Jahre später mit Italien die WM gewinnen sollte, irrte. Die Abseitsfalle war fortan fester Bestandteil des modernen Fußballs.
Das Bonmot zum Spieltag
"Wir würden Ronaldo ja empfehlen, sich einmal selbst den Spiegel vorzuhalten, wenn wir nicht wüssten, dass er genau damit schon einige Stunden am Tag verbringt."Der englische "Guardian" spottet über das Mimimi, ähm, über die Kritik von Cristiano Ronaldo an der Spielweise der Isländer.
Quelle: ntv.de