Kein Verständnis für Gejammer Yogi Löw, weltmeisterlich gelassen
18.06.2016, 15:42 Uhr
Joachim Löw gibt sich betont entspannt.
(Foto: REUTERS)
Das zweite EM-Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Polen, es ist, nun ja, schwach, unansehnlich und bietet Grund zur Sorge. Das ist Quatsch, findet Bundestrainer Joachim Löw und hält einem viel kritisierten Trio die Treue.
Zwei Spiele. Ein Sieg, ein Unentschieden. Vier Punkte. Zwei erzielte Tore - keines kassiert. Könnte schlechter laufen bei dieser Europameisterschaft für Deutschlands beste Fußballer. Und weil im abschließenden Gruppenspiel gegen Nordirland am Dienstag im Pariser Prinzenpark (ab 18 Uhr im n-tv.de Liveticker) ja ohnehin gewonnen werde und sich die DFB-Elf dann als beste Mannschaft ihres Vorrundenrudels für das Achtelfinale qualifiziert, sei doch eigentlich alles ganz prima. So jedenfalls urteilt der augenscheinlich nach wie vor zen-entspannte Bundestrainer Joachim Löw in Gesamtbetrachtung der aktuellen Situation.
In der Einzelfallanalyse zerfasert sich das rundum positive Bild, das der 56-Jährige vermitteln will, dann allerdings ein wenig. Konkret abgearbeitet haben sich der Bundestrainer und die Journalisten am Samstagmorgen im DFB-Basecamp in Évian am Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Polen. Das endete 0:0. Ein wenig schmeichelhaft für den amtierenden Weltmeister, wie selbst einige Spieler, allen voran Jéròme Boateng und Mats Hummels zugeben mussten. Das große Problem: die eigene Torgefahr. Denn die war nur äußerst spärlich vorhanden. Zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen.
Gegen die Ukraine war die Lethargie der Offensiven noch vom Ergebnis (2:0) weggelächelt worden. Nun aber, nach der kreativen Nullrunde von Mesut Özil, Thomas Müller, Mario Götze und Co., gibt's wenig schönzureden. Es stockt vorne. Ausgerechnet in dem Mannschaftsbereich, den sie beim DFB vor dem Turnier zugetraut hatten, jeden, wirklich jeden Gegner durcheinander zu wirbeln. Aber weder die Ukrainer, noch die Polen gingen nach ihren Spielen so verwirbelt vom Platz, dass sich Europa in ehrfürchtige Schockstarre zurückzog. Dass sich hier nun aber ein gewaltiges Problem auftut, davon will der Bundestrainer nichts wissen. "Jetzt haben wir einmal 0:0 gespielt...", sagt er, atmet tief durch und vollendet "... fangen wieder diese Diskussionen an."
Bundestrainer vertraut Götze, Özil und Müller
Diese drehen sich, wie so häufig, ums Personal. Im Kern: die üblichen Verdächtigen Mario Götze und Mesut Özil. Während Götzes Leistungen ebenso regelmäßig zur Angelegenheit nationalen Ausmaßes werden, wie die Frage wann Özil endlich so herausragend spielt, wie von Löw vor jedem Turnier angekündigt, findet sich dieser Tage auch ein unerwarteter Gast im Debattierclub: Thomas Müller. Bei Weltmeisterschaften eine sichere Bank für Tore, hat der Bayern-Profi bei kontinentalen Turnieren noch gewaltig Nachholbedarf. Sieben Spiele, null Tore, so lautet seine Bilanz. Dass allerdings verdirbt ihm - und wohl auch den Fans - weniger die Laune als die Tatsache, dass sich der deutsche Raumdeuter nicht mal eine Chance erarbeiten kann.
Doch trotz der bislang fehlenden Durchschlagskraft sieht Löw keinen Grund, dem Trio das Vertrauen zu entziehen. "Ich glaube an ihre Fähigkeiten." Müller und Özil würden schon noch kommen im Turnier, beruhigt der Bundestrainer. Und Götze? Der besitze die Fähigkeit, mit einem Pass fünf, sechs Gegner zu überspielen. In einem System, dass ohne erstklassige Eins-gegen-Eins-Spieler auf den Außenbahnen auskommen müsse, sei diese Qualität des Bayern-Spielers nahezu unverzichtbar - wenn sich dem im Strafraum genügend Personal (unabhängig ob falsche oder richtige Neun) zur Abnahme tummeln würde. Komplett anders als gegen Polen also, wie Löw fleißig referierte. Ein Grundproblem mit der Offensive? Gebe es nicht. Demnach: Alles erkannt und für künftig verbannt?
Nun, am Sonntag, so versprach Löw, werde er das Thema im Training mit Blick auf Nordirland intensiv angehen - inklusive ein paar personeller Überlegungen (konkreter wurde er nicht). Heute aber, am Samstag, sei arbeitsfrei. Für die Spieler heißt das ausschließlich Zeit zum Abschalten, Regenerieren und zum Kopf-frei-Bekommen. Er selbst, so erklärte er, wolle nach der lustvollen Plauderrunde am Morgen nachmittags noch ein kleines bisschen Videostudium betreiben und abends dann ein wenig Sport machen. Stress? Den kennt der Bundestrainer dieser Tage nicht: ein echter Yogi, dieser Löw.
Quelle: ntv.de