Fußball

Die Lehren des 32. Spieltags BVB irritiert, RB baut den BER

BVB-Trainer Thomas Tuchel versteht die Dortmunder Fußballwelt nicht mehr.

BVB-Trainer Thomas Tuchel versteht die Dortmunder Fußballwelt nicht mehr.

(Foto: AP)

Die Dinge spitzen sich zu in der Fußball-Bundesliga, nur beim HSV hat das noch keiner begriffen. Selbst der erste Absteiger macht sich über ihn lustig. Beim BVB verdüstert sich die Stimmung, Leipzig erfüllt das Plansoll, Völler greift zum Schnaps.

1. Leipzig spielt ab nächste Saison um den Titel

Ein "Wunder" hat Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl den Einzug seines Teams in die Champions League nach dem 4:1 in Berlin genannt. Und ist es etwa kein Fußballwunder, wenn ein Verein, der noch nie zuvor in der Bundesliga gespielt hat, als Aufsteiger gleich in die Champions League stürmt? Wenn ein Verein, der vor ziemlich genau sieben Jahren noch gegen den VfB Pößneck in der NOFV-Oberliga Süd gekickt hat, in der nächsten Saison vielleicht im Camp Nou aufläuft? Wenn dieser Verein Borussia Dortmund aussticht, weit vor Schalke landet, vor Wolfsburg, Leverkusen?

Nein, es ist kein Fußballwunder. Nicht zu vergleichen mit Leicesters Sensationstitel in der Premier League oder Kaiserslauterns Märchensaison 1998. Auch wenn Ralf Rangnick in der Euphorie die Erinnerungen an die Ascheplätze der unteren Ligen beschwor: Mit Fußballromantik hat der Leipziger Höhenflug nichts zu tun. RB konnte quasi per Blankoscheck aus Salzburg investieren und hatte dementsprechend immer allerhöchste Ziele.

Bei der Einordnung des Sprints in die Königsklasse hilft vielleicht eher eine Analogie zur Wirtschaft: Es ist ein bisschen so, als wäre der Flughafen Berlin-Brandenburg tatsächlich im Oktober 2011 fertig geworden (Sie lesen richtig, das war der anvisierte Termin). Die Macher von RB Leipzig haben ein Großprojekt nach Plan fertiggestellt. Erdacht und mit Abermillionen gefüttert in der Zentrale von Auftraggeber Dietrich Mateschitz, umgesetzt in Leipzig von Projektleiter Ralf Rangnick. Und das im - schönen Gruß an dieser Stelle nach Hamburg, Wolfsburg, Gelsenkirchen, Leverkusen und in die Grünwalder Straße - doch eher unvorhersehbaren Geschäft Profifußball, wo selbst sehr viel Geld nur dann Tore schießt, wenn es sinnvoll eingesetzt wird. Dafür gebührt den Leipzigern sportlicher Respekt. Und übrigens: Sie haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie im nächsten Schritt Deutscher Meister werden wollen. Ab sofort werden sie nur noch daran gemessen.

2. Es ist kompliziert mit der echten Liebe

Preisfrage: Sie sind Geschäftsführer eines börsennotierten Vereins, der kurz vor einem entscheidenden Spiel um Platz 3 in der Bundesliga steht, der den direkten Einzug in die Königsklasse und summa summarum 30 Millionen Euro Einnahmen garantiert. Was tun Sie? A) Nervendragees besorgen. B) Gute Stimmung in der Geschäftsstelle verbreiten. C) Die Klappe halten. D) Öffentlich den Trainer anzählen.

Wenn Sie D) gewählt haben, heißen Sie wahrscheinlich Hans-Joachim Watzke und sollten sich dringend Gedanken machen, ob Ihr Zeitungsinterview am Wochenende nicht streng genommen die Bezeichnung "geschäftsschädigendes Verhalten" verdient. Zumal Sie die Chance vergeben haben, sich unter höflichen Abschiedsfloskeln nach der Saison "in beiderseitigem Einvernehmen" von diesem Thomas Tuchel zu trennen, mit dem Sie einfach nie warm geworden sind. Jetzt, da dieser Trainer plötzlich so viel richtig macht, der Mannschaft hilft und mit ihr auch noch dieses wichtige Spiel gewonnen hat, stehen Sie als ein Egomane da, der den Erfolg des BVB gefährdet für eine lächerliche Retourkutsche. Sollte Tuchel wider Erwarten doch bleiben, gelten Sie als Verlierer im Machtkampf. Geht er, haben Sie einen Mann mit Perspektive weggemobbt. Ach so: A), B) und C) wären richtig gewesen. War aber auch schwer.

3. Dem HSV ist‘s noch nicht heikel genug

Eine Reaktion haben sie gezeigt, sagte HSV-Verteidiger Mergim Mavraj. Der Zusammenhalt stimmte, lobte Dennis Diekmeier sich und seine Kollegen. Der eine Punkt könnte sehr wichtig sein, sagte Trainer Markus Gisdol. Wohin man auch hörte, nach dem erbarmungswürdigen 0:0 der Hamburger gegen Mainz, nirgendwo war eine Spur Dringlichkeit zu vernehmen. Warum auch? Es war ja nur ein Heimspiel gegen das Team, das punktgleich vor den Hamburgern auf Rang 15 liegt. Sechs-Punkte-Spiel, Big Points? Braucht offenbar kein Mensch beim HSV, sie hoffen augenscheinlich darauf, in den letzten beiden Spielen noch irgendwie Punkte zu sammeln und von Rang 16 zu springen - oder die Sache halt wie gewohnt in der Relegation zu regeln. Nur boten die 90 Minuten gegen Mainz keinen einzigen Schimmer Hoffnung. Wenn Sie das Spiel verpasst haben sollten, und hoffentlich haben Sie das, hier die Kurzzusammenfassung: Der HSV bolzte hohe Bälle in Richtung des armen Bobby Wood (1,78 Meter), Stefan Bell (1,92 Meter) und Leon Balogun (1,90 Meter) köpften sie zurück. Der Zufall bescherte den Gästen ein paar halbgare Torchancen. Fehlpässe, noch mehr Fehlpässe. Abpfiff. Was auch immer die Hamburger drei Tage lang im Trainingslager in Rothenburg so gemacht haben, für ein auf die Mainzer zugeschnittenes Spielkonzept blieb wohl keine Zeit.

4. Absteigen will gekonnt sein

Ruhig Blut, liebe HSV-Fans, am Ende wird ja ohnehin wieder das gelten, was die "Welt" vor drei Jahren schrieb: "Nicht einmal absteigen können sie." Ganz im Gegensatz zum SV Darmstadt 98, der sich in den letzten Wochen würdevoll aus der Liga verabschiedet hat. In München gaben sie mal eben die meisten Torschüsse einer Gastmannschaft in dieser Saison ab und standen kurz vor dem Ausgleich, als Hamit Altintop zum Elfmeter antrat. Dass er vergab, wollte dem Routinier niemand übel nehmen, vor allem nicht Trainer Torsten Frings: "Wenn einer verschießen darf, dann Hamit nach seinen tollen Leistungen." Ohnehin hätte selbst ein Sieg bei den Bayern nicht gereicht, den Klassenerhalt hatten sie längst verspielt, drei mickrige Auswärtspunkte waren einfach zu wenig. Immerhin, so sagte Kapitän Aytac Sulu, haben sie unter Trainer Frings den Spaß am Fußball wiedergefunden. Und weil sie schon wieder lachen können, haben sie der Liga ein kleines Video hinterlassen, inklusive eines kleinen Seitenhiebs auf den HSV. Das haben sie sich verdient.

5. Die Bundesliga hat doch ein Wunder

Nur heißt es nicht RB Leipzig, sondern SC Freiburg. Das Team von Trainer Christian Streich gewann gegen Schalke 04 das sage und schreibe zehnte Heimspiel in dieser Saison. Noch ein Erfolg am nächsten Wochenende gegen Ingolstadt, und die Freiburger hätten einen Vereinsrekord aufgestellt – und so nebenbei 50 Punkte und damit Platz sieben so gut wie sicher, der bei einem DFB-Pokalsieg von Borussia Dortmund für die Europa League reichen könnte. Viel zu viel "hätte, wäre, wenn" für einen beinharten Realisten wie Christian Streich, der für den Moment noch den Spielverderber gibt: "Wir müssen die Kirche im Dorf lassen."

Eh klar, und der FC lässt den Dom in Kölle, aber am liebsten würden sie ihn mitnehmen auf Europa-Tournee in der nächsten Saison. Der Jubel nach dem erlösenden Schlusspfiff unter das turbulente 4:3 gegen Werder im Flutlichtspiel am Freitagabend war ohrenbetäubend, abgekämpft, aber glücklich schleppten sich die Spieler zur Ehrenrunde. Der FC hat nach 25 Jahren wieder die Chance auf einen internationalen Startplatz, und auch das grenzt an ein Wunder: Auf den Tag genau fünf Jahre vor dem Fußballfest gegen Werder waren die Kölner zum fünften Mal aus der Bundesliga abgestiegen, nach der 1:4-Niederlage gegen Bayern München hüllten die Fans das Stadion in eine schwarze Rauchwolke, exorbitante Schulden drückten den Verein. Alles vergessen, die Fans denken wieder groß, wenn auch nicht wie früher an die Champions League: Auf Twitter werden die Europapokalhoffnungen mit dem Hashtag #roadtobaku versehen. Die erste Runde in der Euroleague gegen Baku tut's also auch.

6. Europa bekommt neue Gesichter

So schlecht der HSV gegen Mainz gespielt hat, es gibt doch Anlass zur Hoffnung: Der nächste Gegner heißt Schalke 04. Der hat seine wohl letzte Chance, noch die internationalen Plätze ins Visier zu nehmen, in Freiburg fulminant vergeigt. Nur zwei eigene Siege und einige andere unwahrscheinliche Ergebnisse können verhindern, dass Schalke zum ersten Mal seit der Saison 2009/10 den Europapokal vor dem Fernseher verfolgt. Ähnlich die Lage bei der Borussia aus Mönchengladbach, die zuletzt dreimal in Folge international spielte: Das 1:1 zuhause gegen Augsburg frustrierte die Anhänger derart, dass sie die eigenen Spieler auspfiffen - was Weltmeister Christoph Kramer zu einigen Verhaltenstipps animierte: "Dann sei einfach ruhig, hol dir eine Bratwurst, mach irgendwas, aber pfeife halt nicht."

Oder mach es wie Rudi Völler: Flieh' in der 8. Minute von deinem Sitzplatz und verzieh dich in eine ruhige Ecke. Der Sportdirektor von Bayer Leverkusen war schon vor dem Spiel gegen Ingolstadt mächtig geladen, Sky-Reporterin Christina Rann versuchte es dennoch in ihrem Interview mit hartnäckigen Fragen zur Zukunft von Trainer Tayfun Korkut. Das Ergebnis: Völler brach das Interview mit einem abrupten "Dankeschön" ab, drückte der verdutzten Rann das Mikrofon in die Hand und verschwand auf die Tribüne - wo er es nur bis zu einem eklatanten Fehlpass von Julian Baumgartlinger aushielt. "Ich habe gemerkt, ich fluche zu extrem. Es ist nicht so gut, wenn das alle Spieler hören." Danach verfolgte er das krampfige 1:1 in den Katakomben und genehmigte sich nach Schlusspfiff auf Einladung von Ingolstadts Präsident Peter Jackwerth einen Schluck Williams-Birne – angeblich nicht wegen der Nerven. "Ich habe es einfach versprochen", sagte Völler. Immerhin bedeutet der Punkt für Leverkusen wohl das Ende der Abstiegssorgen. Und so gestresst, wie Völler oft wirkt, kommt die erste Saison ohne Europapokal seit sieben Jahren vielleicht ganz gelegen.

Quelle: ntv.de

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