Lehren der Bundesliga-Hinrunde FC Bayern dominiert die Mettbrötchen-Liga
18.12.2017, 12:53 Uhr
Champagnerfußball? Nun ja. Thomas Müller, James Rodriguez und Javier Martínez freuen sich dennoch über den Sieg in Stuttgart.
(Foto: imago/Ulmer)
Ob das nun Champagner-Fußball ist, was der FC Bayern bietet, sei dahingestellt. Für die Bundesliga reicht es - wie seit Jahren - allemal. Der BVB ist derweil ein einziges Missverständnis, auch RB Leipzig hat ein Niveau-Problem.
1. Die Party läuft - nur auf welchem Niveau?
Gute Freunde, eine Kiste Bier, Mettbrötchen, Musik - mehr braucht es nicht für einen richtig schönen Abend. Sollen andere Champagner schlürfen und an ihren Kaviar-Kanapees knabbern, eine gute Party ist es allemal. Womit wir bei der Fußball-Bundesliga sind. Die hat just an diesem Wochenende ihre Hinrunde beendet. Und die Stimmung könnte nicht besser sein. Hannover und Leverkusen veranstalten ein 4:4-Spektakel - Wahnsinn. Den Schalkern gelingt in letzter Sekunde der Ausgleich in Frankfurt - unglaublich.
Und überhaupt, so viele Tore. Insgesamt 36 waren es am 17. Spieltag, das sind exakt vier im Schnitt und Rekord für diese Saison. Fünf Treffer fielen zwischen der 89. und 95. Minute, zudem parierte Sven Ulreich, der Torhüter des FC Bayern, kurz vor dem Abpfiff einen Elfmeter des Stuttgarters Chadrac Akolo. Kurzum: Die Liga bietet den Zuschauern beste Unterhaltung. Nur: Auf welchem Niveau findet das Ganze statt? Schließlich muss spannender Fußball nicht unbedingt guter Fußball sein. Wenn eine Mannschaft wie Bayer Leverkusen, nach der Hälfte der Spielzeit immerhin Tabellenvierter, beim Aufsteiger in Hannover vier Tore kassiert, dann ist das kein Zeichen von Qualität. Wenn die Dortmunder Borussia, die zwischendurch acht Spiele hintereinander nicht gewonnen hat, nun als Tabellendritter in die Winterpause geht, spricht das nicht für die Güte der Liga; sondern dafür, dass viele Mannschaften eher gleich mittelmäßig als gleich gut aufgestellt sind. Die Ergebnisse der deutschen Klubs im Europapokal deuten darauf hin, dass diese These einigermaßen solide ist. Es muss nicht immer Kaviar, natürlich nicht. Blöd nur, wenn dann Gäste von außerhalb kommen, die anderes gewöhnt sind, unverständlicherweise keine Lust auf Mettbrötchen haben - und die Party einfach sprengen.
2. Der FC Bayern - und nur der FC Bayern
Das mit dem Niveau mag ja alles stimmen. Aber was ist mit dem FC Bayern? Sind die Münchner nach zuletzt fünf gewonnenen Meisterschaften hintereinander etwa wieder ohne echte Konkurrenz? Sagen wir es so: Für die Mettbrötchen-Liga reicht es allemal. Ob sie das Jupp Heynckes zu verdanken haben? Der Altmeister unter den deutschen Trainern hatte Carlo Ancelotti abgelöst, der nach sechs Spieltagen und einer 0:3-Pleite in der Champions League bei Paris Saint-Germain entlassen worden war. Oder liegt es daran, dass sich bei den Bayern einfach die besten Spieler versammelt haben, weil es dort am meisten Geld zu verdienen gibt?
Die Antwort ist ein entschiedenes Sowohl-als-auch. "Es ist ein Traum, mit ihm zusammenzuarbeiten", sagte Sportchef Hasan Salihamidzic, "er hat die Kabine voll im Griff". Und das scheint in diesem Fall entscheidend zu sein. Auch wenn die Münchner dem Publikum eher selten Champagner-Fußball bieten - sie gewinnen ihre Spiele, zuletzt dreimal mit 1:0, und dominieren die Liga auf ihrem Weg zum fünften Titelgewinn in Serie. Elf Punkte Vorsprung sind es auf den FC Schalke 04, 13 auf den Rest der Bande, die sich freuen kann, in der Tabelle so weit oben zu stehen, nicht aber den Status als Verfolger für sich reklamieren kann. Die "Süddeutsche Zeitung" bezeichnet Heynckes als "Gott der kleinen Dinge". Er krempelt nicht alles um, greift aber anscheinend dort ein, wo es nötig ist, behutsam, aber konsequent. "Er achtet auf die Statik im Spiel und auf korrekt ausgeführtes Positionsspiel, und er findet Worte, die seine Spieler in Herz und Hirn treffen." Der Mann hat Niveau.
3. Dortmunds Borussia als großes Missverständnis
Erstaunlicherweise vertreten sie in Dortmund die These, dass die Sache mit Trainer Peter Bosz ein Missverständnis war. Weil nach dem siebten Spieltag und einem glänzenden Start aus fünf Punkten Vorsprung auf den FC Bayern innerhalb von acht Spielen 13 Punkte Rückstand wurden und der BVB sich in der Champions League mit zwei Punkten immerhin noch in die Europaliga mogelte, hatten sie ihn nach dem 15. Spieltag entlassen. "Wenn wir mit ihm danebengelegen haben, okay", sagte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke.
Aber die Frage ist doch vielmehr, ob nicht die ganze Mannschaft, die in der vergangenen Saison erfolgreich gegen Thomas Tuchel opponierte, ein Missverständnis ist. Immerhin räumte Watzke nach dem glücklichen 2:1 gegen die TSG Hoffenheim ein, dass es Grüppchen und Allianzen gibt, die dem großen Ganzen abträglich sind: "Die Spieler haben gemerkt, dass sie sich zusammenraufen müssen." Nun darf sich, erst einmal bis zum Ende der Saison, der in Köln entlassene Peter Stöger als Übungsleiter versuchen. Mit zwei Siegen aus zwei Spielen ist ihm das erst einmal gut gelungen. Er verspricht: "Der Wille, Spiele zu gewinnen, ist erkennbar. Gepaart mit der hier vorhandenen spielerischen Qualität werden wir im Frühjahr eine richtig gute Mannschaft auf dem Rasen haben." Wir sind gespannt.
4. Auch die Leipziger haben ein Niveauproblem
Eineinhalb Jahre ist es her, dass die Rasenballsportler aus Leipzig ihren Masterplan vom Aufstieg in die erste Liga vollzogen haben. Nun liegt es in der Natur der Sache, dass sich die Elf von Trainer Ralph Hasenhüttl aufgrund fehlender Referenzwerte an der Vorsaison messen lassen muss - und dieser Vergleich fällt bislang in allen Belangen nachteilig aus. Das lässt sich zum einen am Tabellenplatz fünf (drei Plätze schlechter als zur Halbzeit in der Vorsaison), am Aus in der Champions League, aber vor allem am "saft- und kraftlosen Auftritt" ("Kicker") im letzten Hinrunden-Spiel beim 2:3 gegen die Berliner Hertha ablesen.
So stellte Kapitän Willi Orban dann auch fest: "Wir waren vom Kopf her einfach nicht frisch genug. Die Pause wird deshalb Zeit." Mit der ersten Heimpleite der Saison blieben die Leipziger im fünften Spiel hintereinander sieglos, eine solche Negativserie gab es in der Klubgeschichte erst ein einziges Mal, vor drei Jahren in der zweiten Liga. Nun ist gewiss vieles auf die neue Dreifachbelastung zurückzuführen und die Ausfälle von kreativen Leistungsträgern wie Emil Forsberg und Marcel Sabitzer taten ihr Übriges. Andererseits ließ Hasenhüttl seine Formation von Beginn an mächtig rotieren, Leipzig stellt zudem die jüngste Mannschaft der Liga - auch am Willen scheint es RB selten zu mangeln. Was fehlt, sind Kraft, Konzentration und Präzision, dazu kommt eine eklatante Schwäche bei Standards, ein Problem, auf das der Trainer und der leidtragende Torwart Peter Gulacsi seit Wochen hinweisen. Dass es bislang nicht gelungen ist, die Fehleranfälligkeit zu korrigieren, kann man durchaus als Niveauproblem bezeichnen, oder auf die Tatsache schieben, dass bei der Terminhatz schlichtweg keine Zeit blieb, die Mängel zu beheben. Aber dafür gibt es ja die Winterpause. Und danach spielt Leipzig in der Europaliga weiter, und da ist das Niveau zum Glück ja etwas niedriger.
5. Es ist nicht alles schlecht beim 1. FC Köln
Der 1. FC Köln hat nun doch noch ein Bundesligaspiel gewonnen und in 90 Minuten die bis dato schlechteste Punkteausbeute der Geschichte verdoppelt. So stehen nach dem 17. von 34 Spieltagen immerhin sechs Punkte auf dem Konto statt drei, der Deppen-Rekord der Tasmania aus Berlin (vier Punkte aus 17 Spielen) besteht weiter, und statt in Europa zu überwintern, können sich die Geißböcke voll auf den Abstiegskampf konzentrieren. Daran täten sie jedenfalls gut (Achtung, Konjunktiv II) - denn so katastrophal die Ausgangslage auch ist, es ist nicht alles schlecht. Das zeigen der beachtliche Auftritt der Kölner Rumpf-Elf beim FC Bayern (ging knapp verloren) und eben das "Weihnachts-Wunder" gegen den VfL Wolfsburg (knapp gewonnen).
Warum also Armin Veh in bester Trash-TV-Manier (Parallelen zum Scripted-Reality-Format "Köln 50667" sind rein zufälliger Natur) gegen Ex-Coach Peter Stöger nachtrat und verlauten ließ, er habe eine "körperlich und mental schwer angeschlagene Mannschaft" vorgefunden, was aber keineswegs die Schuld von Interimstrainer Stefan Ruthenbeck sei, sondern das habe "schon sein Vorgänger zu verantworten", bleibt sein Geheimnis. Für jemanden, der bis dato sechs Tage im Amt gewesen ist und als Sportdirektor nach kurzen wie erfolgslosen Gastspielen in Stuttgart und Wolfsburg kaum über Erfahrung verfügt, ist das allemal eine erstaunliche Beobachtung. Nach dem Pokalspiel am Dienstag auf Schalke (ab 20:45 Uhr/ARD und im Liveticker bei n-tv.de) will der FC nun über die berufliche Zukunft des Trainers entscheiden. Vieles deutet darauf hin, dass der ehemalige Coach der Kölner U19 über weitere Qualitäten verfügt, als die Punkteausbeute seines Vorgängers in vier Spielen egalisiert zu haben. Die Mannschaft wirkt mental stabiler, Ruthenbeck überraschte mit personellen Experimenten und der 45-Jährige scheint eine wichtige Eigenschaft mitzubringen: "Ich würde gerne arbeiten, ohne zu viel externen Rummel", sagte er dem "Express". An so viel Weitsicht sollte sich sein Sportdirektor vielleicht ein Beispiel nehmen.
6. "Damit mir so kicke könne wie mir kicke"
Die Niveaudebatte wird die Liga so schnell nicht wieder los - selbst dann nicht, wenn es dem FC Bayern gelänge, die Champions League zu gewinnen. Aber die Münchner sind ja wie erwähnt nicht der Maßstab. Was den geneigten Fußballfreund erfreut, sind die Mannschaften aus dem Mittelstand, die bisher mit guter Arbeit und guten Ergebnissen erfreut haben. Die soliden Schalker zum Beispiel, die die Hinrunde auf Platz zwei beendet und sich mit dem 4:4 in Dortmund und nun dem 2:2 in Frankfurt den Ruf als Comebacker der Liga redlich verdient haben. "Diese Mannschaft hält sich an Pläne. Das macht einfach Spaß", sagte Domenico Tedesco, der sich - neben Heynckes - ein wenig als Trainer der Hinrunde fühlen darf. Aber auch Heiko Herrlich darf für sich in Anspruch nehmen, nach mäßigem Start in die Saison aus den Leverkusenern so etwas wie eine Siegermannschaft gemacht zu haben - auch wenn es in Hannover nicht ganz gereicht hat. Doch Bayer hat nun seit zwölf Partien nicht mehr verloren, der Lohn ist Platz vier in der Tabelle.
Zufrieden sind sie auch in Frankfurt, das Team von Trainer Niko Kovac rangiert zur Saisonhalbzeit einigermaßen beruhigende elf Zähler vor dem Relegationsplatz: "Das hat uns vor der Saison keiner der Fachleute zugetraut. Wir waren ja eher ein Abstiegskandidat. Ich bin stolz auf die Jungs." Das ist Manuel Baum, der Trainer des FC Augsburg, völlig zurecht auch. Zwei Punkte hinter der Eintracht rangiert sein Team auf Platz neun: "Wir haben Charakter, Teamgeist und Mut bewiesen." Womit wir, last but not least, beim SC Freiburg sind. Die Mannschaft hat sich nach dem famosen 4:3 in Köln, dem erstaunlichen 1:0 gegen Mönchengladbach und nun dem ärgerlichen 3:3 in Augsburg immerhin vier Punkte vom Relegationsplatz entfernt. Und ja, auch Trainer Christian Streich ist aus gutem Grund stolz: "Mir gehn voll an die Kante, damit mir so kicke könne wie mir kicke. Die Leut' sehen einen ästhetischen Fußball, wenn's klappt." Darauf ein Mettbrötchen.
Quelle: ntv.de