LGs VR-Brille im Test Ist die 360 VR ein guter Freund?
14.05.2016, 17:27 Uhr
LGs VR-Brille ist viel kleiner und leichter als andere Modelle.
(Foto: kwe)
LG hat mit dem G5 auch Zubehör vorgestellt, darunter seine erste VR-Brille. Die hat das Zeug zum Hit, doch die Umsetzung ist wenig gelungen. n-tv.de verrät, ob die 360 VR trotzdem gute Seiten hat und wo dringend Handlungsbedarf besteht.
Virtuelle Realität ist ein Megatrend, den auch die großen Smartphone-Hersteller in diesem Jahr aufgreifen. HTC hat sein Vive-System in den Verkauf geschickt, auf der diesjährigen Galaxy-S7-Premiere in Barcelona spielte VR bei Samsung eine zentrale Rolle. Auch der koreanische Konkurrent LG zeigte auf dem Mobile World Congress seine erste VR-Brille als Teil der "Friends"-Zubehörreihe zum G5 - ein kleines, leichtes und deutlich eleganteres Modell als das von Samsung.
Aber was kann die 360 VR? Bietet sie mit ihrem leichten Brillengestell und den zurückhaltenden Abmessungen ein ähnlich immersives Erlebnis wie andere VR-Brillen? Im Test wird schnell klar: Nein, das tut sie nicht. Zu befürchten ist das schon, wenn man die Brille zum ersten Mal auf die Nase setzt. Sie ist vielleicht bequemer zu tragen und ihre Träger sehen damit nicht ganz so albern aus wie mit anderen VR-Brillen auf dem Kopf. Auch zerstört die LG-Brille keine aufwändigen Frisuren, das Smartphone hängt nicht vor dem Kopf, sondern am Kabel und belastet den Träger damit nicht. Doch ihr größter Vorteil ist auch gleichzeitig ihr größter Nachteil: Richtig eintauchen in die VR-Welten kann man mit der 360 VR nicht.
Ohne Lichteinfall geht's nicht
Das liegt größtenteils an der Bauweise, bei der seitlicher Lichteinfall unvermeidbar ist - der Tod für jedes immersive Erlebnis. Wer wirklich ein- und abtauchen möchte, kommt nicht umhin, sich ein schwarzes Tuch oder Shirt über den Kopf zu hängen, um die Umgebung abzudunkeln. Und das sieht wiederum ganz schön albern aus. Die steifen Bügel sitzen zudem nicht an jedem Kopf bequem und drücken etwas, für den Nasensteg gilt das gleiche.
Der Nutzer schaut durch zwei Linsen mit je 1,88 Zoll Durchmesser auf IPS-Displays mit einer Auflösung von 960 x 720 Bildpunkten. Ein wirklich scharfes Bild lässt sich aber trotz der theoretisch hohen Pixeldichte nicht erreichen. Jede Linse kann individuell scharfgestellt werden, eine gute Idee, zudem lässt sich der Abstand beider Linsen zueinander bedingt verändern. Hierzu muss der Sichtschutz erst abgenommen werden. Doch die Einstellungsmöglichkeiten sind begrenzt, drei Testpersonen bestätigten unabhängig voneinander, kein wirklich scharfes Bild zu bekommen. Vor allem Nutzer mit Sehschwäche könnten Probleme bekommen. Schriften verschwimmen, Details sind außerhalb von der Blickfeldmitte kaum erkennbar. Das trübt den VR-Spaß deutlich. Außerdem können die Linsen beim Tragen nicht mehr verstellt werden, da der wenig effektive Sichtschutz sie abdeckt.
Bedienung gut, Software mager
Das Bedienkonzept ist dabei gar nicht schlecht: Das Smartphone-Display schaltet sich aus, sobald es am USB-C-Kabel der Brille hängt. Der Touchscreen kann aber als Bedienfläche genutzt werden, kurzes Tippen, langes Halten oder eine Zweifingerberührung lösen Aktionen aus. Alternativ gibt es an der Brille eine OK- und eine Zurück-Taste. Links unten sitzt der Kopfhörerausgang. Die 3D-Optik der virtuellen Welt wird dadurch verstärkt, dass zum Beispiel Benachrichtigungen übers Smartphone im Sichtfeld weiter vorne angezeigt werden, genau wie Navigationstasten und Menüs zur Steuerung durch die Benutzeroberfläche.
Doch was die Software zu bieten hat, ist bisher zu wenig und die Qualität nicht zufriedenstellend. Die Inhalte, auf die Nutzer zugreifen können, nachdem sie alle erforderlichen Apps auf ihrem LG G5 installiert haben (mit anderen Geräten funktioniert die 360 VR nicht), sind begrenzt. Es gibt eine Reihe von Demos, kurze Dokumentationen, VR-Touren mit Basketball-Star Dirk Nowitzki oder ein Musikvideo von Ray Lamontagne. Dazu die üblichen Sightseeing-Touren sowie eine kurze, aber rasante Achterbahnfahrt. Das ist unterhaltsam, aber nur für kurze Zeit. Spiele fehlen bisher.
Vorsicht, Akkusauger!
Normale Fotos und Videos zeigt die 360 VR in einem virtuellen Kinosaal an. Interessanter wird sie zwar in Verbindung mit der 360 Cam, einer Kamera mit Rundumblick. Um sich deren Inhalte anzuschauen, braucht es aber keine teure Brille, hier reichen auch Googles Cardboard oder die Tchibo VR. Wer sie unterwegs nutzt, sollte zudem tunlichst dafür sorgen, dass der Smartphone-Akku zwischendurch geladen werden kann oder ein Ersatzakku griffbereit ist. Im Betrieb saugt die 360 VR einen vollen Akku in anderthalb Stunden fast leer, das Gerät wird sehr heiß, der Ladeanschluss ist vom Anschlusskabel belegt - paralleles Laden geht also nicht.
Das Konzept ist gar nicht verkehrt, es spricht auch oder gerade VR-Interessenten an, die keine Lust auf klobige Nerdbrillen auf dem Kopf haben. Soweit hat LG richtig gedacht. Doch das Gegenteil von gut ist bekanntlich gut gemeint. Und in der Praxis zeigt die 360 VR so viele Schwächen, dass am Ende kaum ein Kaufgrund übrig bleibt und sich auch nichts schönreden lässt. Die rund 280 Euro, die aktuell für die Brille aufgerufen werden, sind viel zu viel für die gebotene Leistung.
Quelle: ntv.de